Aktuelle Anforderungen an die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)

 

Dr.-Ing. K.-H. Hochhaus

 

1. Einführung

Diese Thematik wird in Deutschland unter dem Begriff EMV zusammengefasst und wurde erstmals 1997 als schiffstechnisches Spezialgebiet in einer ganztägigen STG-Vortragsveranstaltung behandelt [1]. Inzwischen ist die EMV  wichtiger, es werden in modernen Bordnetzen von Handels- und Marineschiffen immer mehr und stärkere Komponenten der Leistungselektronik eingesetzt.

Die Leistung der Drehstrombordnetze ist in den vergangenen 10-15 Jahren erheblich angestiegen, daher findet die Mittelspannung bis 11.000 Volt zunehmend auf Fahrgast- und Fährschiffen, Containerschiffen mit viel Kühlcontainern und vereinzelt auch auf größeren Jachten Anwendung. Das Bordnetz und darin enthaltene elektronische Einrichtungen sind daher besser vor Störungen zu schützen, denn die allgemein als Klirrfaktor bezeichnete Störungsintensität kann sehr unangenehm sein und die Funktion anderer Baugruppen stark beeinflussen. Auf Marineschiffen wirkten sich diese Störungen in der Vergangenheit  extrem aus. Sie waren Ursache für die Versenkung eines englischen Zerstörers und führten  auf einem US-Flugzeugträger zu  über 100 Totesopfer (Abb. 1).  

Insider der Marine, der Zulieferindustrie sowie Hochschulen haben auf diesem STG-Sprechtag 2013 neben den Grundlagen der EMV die Ursachen und besonders die Beseitigung der Störungen angesprochen. In [2] wurde darüber mit Schwerpunkt Marine- und Passagierschiffe berichtet.

 

2. Grundlagen, Vorschriften und Normen

Diese Punkte wurden von Dipl.-Ing. Mauno Laukisch (Blohm & Voss Shipyards GmbH) und Prof. Dr.-Ing. Klaus Scheibe (FH-Kiel) für den zivilen Schiffbau und von Dr.-Ing. Harm-Friedrich Harms (Blohm & Voss Naval GmbH) und TRDir. Bernd Klöser (WTD 71) für die Marine ausführlich behandelt. Die EMV ist die Fähigkeit einer elektrischen Einrichtung in ihrer elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne diese Umgebung und andere Einrichtung unzulässig zu beeinflussen. Dass unzulässige Netzstörungen besonders bei Marineschiffen zu riesigen Problemen führen können, zeigte sich 1967 im Koreakrieg auf dem Flugzeugträger „Forrestal“ und 1982 im Falklandkrieg auf dem britischen Zerstörer „Sheffield“.

Auf der „Forrestal“ führte eine Überspannung beim Trennen des elektrischen Anlassers vom Bordnetz eines Trägerflugzeuges zur ungewollten Zündung einer Rakete. Vom dadurch ausgelösten  Brand fingen weitere Flugzeuge Feuer und bereitstehende Munition explodierte. Dieser Unfall verursachte neben großen Schäden am Träger den Tod von 134 Personen und 161 Verletzten.

Aufgrund von EMV-Problemen bei eingeschaltetem Raketenabwehrradar war die Kommunikation der „Sheffield“ per Funk mit der Kommandozentrale in Großbritannien gestört. Daher wurde das Raketenabwehrradar zeitweise ausgeschaltet. Unglücklicherweise wurde während einer der Abschaltphasen eine feindliche Exocet Rakete abgefeuert, die letztlich zur Versenkung des Schiffes führte.

Zur Vermeidung von EMV-Problemen wurde die „Deutsche Norm“ für Verteidigungsgeräte VG 95 373  (Elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten) geschaffen. Die Abb. 2 zeigt die Fregatte „Hessen“, deren elektromagnetisch relevanten Oberdeckskomponenten rot eingekreist wurden. Diese hohe Dichte von Antennen und Sensoren führt bei den Marineschiffen zu einem großen Aufwand, um die elektromagnetischen Beeinflussungen in zulässigen Grenzen zu halten.

Daher wird im Rahmen eines EMV-Managements eine EMV-Analyse durchgeführt und die EMV-Anforderungen an die Ausrüstung aufgestellt. Nach der Festlegung der geforderten Betriebsbedingungen werden Insatallationsempfehlungen aufgestellt und Qualität sichernde Maßnahmen beschlossen. Abhängig von den praktischen Messergebnissen können zusätzliche EMV-Massnahmen veranlasst werden. Abschließend erfolgt eine EMV-Systemprüfung und Festlegung der Langzeitmaßnahmen. Der EMV-Beratergruppe gehören Vertreter des Auftraggebers, des Auftragnehmers, der entsprechenden Lieferanten und der Klassifikationsgesellschaft an sowie unabhängige EMV-Fachleute an.

 

4. Filter und Netzdrosseln (Abb. 6 und 7)

Passive Filter rund um den Frequenzumrichter war das Thema von Dipl.-Ing. Dennis Kampen der Firma BLOCK Transformatoren-Elektronik GmbH aus Verden. Er begann mit Filtern, die zwischen Frequenzumrichter und dem Netz angeordnet sind. (Abb. 7) Anschließend behandelte er Filter zwischen dem Elektromotor und Netz und zwischen dem Netz und sogenannten Netzpulser. Es wurden Netzdrosseln und Funkentstörfilter vorgestellt und die Wirkungen anhand von aussagekräftigen Diagrammen beschrieben. Motordrosseln und Sinusfilter schützen die Motorisolation und ermöglichen außerdem längere Leitungen. Spezielle Sinusfilter zwischen dem Motor und Frequenzumrichter vermeiden ungewollte Lagerströme, sie und verbessern die EMV und reduzieren die Ableitströme(Abb. 8). Zwischen dem Netz und Netzpulser angeordnete Netzdrosseln und LCL-Filter verhindern Netzrückwirkungen im Bereich von 2 – 150 kHz.

Ein Bordnetz mit Mittelspannungs-Wellengeneratoren und Pulswechselrichtern  wurde von Dr.-Ing. Ulrich Horn (SAM Electronics) vorgestellt. Die besondere Betonung lag dabei auf ein modulares Design zur Reduzierung von Oberwellen. Anhand von Schaltzeichnungen wurden die Unterschiede zur herkömmlichen Ventilanordnung der Pulswechselrichter mit der Ventilstapelung gezeigt. Bei dem hier verwendeten Multi-Level Stromrichtern werden nicht die Ventile sondern die Stromrichter gestapelt. Die dadurch entstehende hohe resultierende Schaltfrequenz im Stromzwischenkreis ergeben Oberwellen mit geringer Amplitude mit der Folge einer deutlich besseren Glättung der Spannung. Mit dieser Technologie sind inzwischen sechs Anlagen bei der Reederei Hapag-Lloyd erfolgreich in Betrieb. (Abb. 9)

 

5. Simulation

Der letzte Vortrag „Simulationsgestützte oberschwingungsgerechte Auslegung von Schiffsbordnetzen erfolgte in zwei Teilen. Das Bordnetz der Yacht „Eclipse“ mit der Mittelspannung von 5.500 Volt wird von 10 Dieselgeneratoren gespeist (Abb. 10). Die Stromerzeuger, die 3 Fahrmotoren und die E-Verbraucher des Bordnetzes wurden von Dipl.-Ing. Hermann Knirsch (Sam Electronics) mit Gleichungen und Differentialgleichungen beschrieben, simuliert und mit Messungen verglichen. Der dabei ermittelte Klirrfaktor wird in dargestellt, stimmt gut mit der Simulation überein, beträgt maximal 5,5% und ist stark abhängig von der Anzahl der laufenden Dieselgeneratoren (Abb. 11)  .

Ein zweites Bordnetz mit der Netzspannung von 3.300 Volt wurde mit zwei verschieden Programmen simuliert und verglichen. Von SAM wurde mit dem Programm „Simplorer“ gearbeitet und Prof. Dr.-Ing. Günter Ackermann (TUHH) simulierte mit einem eigenen Programm. Als Ergebnis ergaben sich im 450 Voltnetz  ein Klirrfaktor von max. 5 % bzw. 4,5% und im 3.300 Voltnetz  9,2% bzw. 9,1%. Die Übereinstimmung der Simulationsprogramme war sehr gut und lagen weit unter dem Toleranzbereich (Abb. 12).

Damit wurde gezeigt, dass die Simulation bei den Vorausberechnungen von Oberschwingungen während der Anlagenauslegung ein wirksames Werkzeug darstellt. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine klare Definition der Parameter und der zu berechnenden Größen. Die erreichbare Genauigkeit wird durch die Toleranzen der Parameter begrenzt.

 

6. Zusammenfassung

Den Teilnehmern wurde Insiderwissen zum Thema EMV (Klirrfaktor) auf Handels- und Marineschiffen vermittelt. Wie wichtig die Beachtung des Klirrfaktors ist, zeigen Unfälle mit Toten auf Marineschiffen.

Die Vorträge zeigten die gestiegene Aktualität dieser Thematik, da der Anteil der Leistungselektronik in den Bordnetzen auf Frachtschiffen und besonders der Kreuzfahrt- und Marineschiffen stark gewachsen ist.

 

7. Literatur

[1] N. N.: Netzqualität, Netzrückwirkungen, EMV; Kurzfassungen der Vorträge des Sprechtages im April 1997 in Bremerhaven; STG-Jahrbuch 91. Band, 1997 Springer Verlag

[2] Hochhaus, K.-H: EMV-Probleme in Bordnetzen, Hansa Nr. 9, 2013 Seite 63