Flüssigerdgas soll russisches Pipelinegas ersetzen

Dieser Beitrag wurde ursprünglich für das Schiffsingenieur-Journal geschrieben, jedoch nicht abgedruckt.

Karl-Heinz Hochhaus den 12. Juli 2022

 

 

Abb. 1: 2015 - erste Schritte zur Einführung von LNG in die Schifffahrt. Die LNG-Hybrid-Barge HUMMEL (Vordergrund rechts) produziert Strom aus LNG und versorgt ein AIDA-Kreuzfahrtschiff mit Strom (Foto Dr. Hochhaus)

 

 

Filme über die Funktion der FSRU`s:

 

https://www.youtube.com/watch?v=etwhyQN_POc

 https://www.youtube.com/watch?v=xnCIpULVlqw

 

Einführung

In der Schifffahrt spielt LNG eine wachsende Rolle und es erstaunt, wie sich diese Entwicklung beschleunigt hat. 2015 wurde im Hamburger Hafen das weltweit erste schwimmende LNG-Kraftwerk, die HUMMEL, zur umweltfreundlichen Stromversorgung der im Hafen liegender Kreuzfahrtschiffe in Betrieb genommen. Mit der AIDANOVA lieferte die Meyer-Werft 2018 die ersten mit LNG-betriebenen Kreuzfahrtschiffe ab. Die Schiffe dieser Helios-Klasse können sowohl mit Flüssigerdgas (LNG) als auch mit klassischem Diesel gestartet und betrieben werden. Mit der WES AMELIE wurde 2017 von MAN ein kleines Containerschiff auf den LNG-Betrieb umgerüstet und zu dieser Zeit erfolgten auch die Stapelläufe der ersten LNG-betriebenen großen Containerschiffe. Zur LNG-Versorgung dieser Schiffe erfolgte inzwischen die Bestellung, der Bau und die Ablieferung mehrerer LNG-Bunkerschiffe. Bei den derzeitigen aktuellen Bestellungen fordern die Reeder bei rund 30% der Schiffe Antriebsanlagen mit LNG-Eignung [1].

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 2: Russische Gaslieferungen nach Europa (Quelle Statista, BP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

LNG-Tanker

1959 entstand in den USA die METHANE PIONEER, es war der erste LNG-Tanker, er hatte eine Tragfähigkeit von rund 5000 tdw. Inzwischen beträgt die Zahl der weltweit fahrenden LNG-Tanker 660 Schiffe aller Größen, die Anfang 2021 an den weltweiten LNG-Transporten beteiligt waren. Außerdem gab es 43 FSRUs, wie die schwimmenden LNG-Importterminals international bezeichnet werden. Dieser Schiffstyp entstand häufig aus LNG-Tankern, wie auch die GOLAR FREEZE, die 1977 von HDW-Kiel gebaut wurde. Sie liegt heute als LNG-Terminal in der Karibik und versorgt Jamaica mit Erdgas. 

Der gesamte Laderauminhalt der globalen LNG-Flotte betrug Anfang 2021 rund 95 Millionen Kubikmeter, daraus ergibt sich eine durchschnittliche Größe von 144.000 cbm pro Schiff. Für einen LNG-Tanker dieser Größe wurde 2020 eine durchschnittliche Charterrate von rund 60.000 USD/Tag gezahlt, etwa 10% weniger als im Jahr 2019. 2020 wurden 30 und 2021 wurden 53 neue LNG-Tanker abgeliefert [2]. Das Orderbuch bestand Anfang 2022 aus 162 Einheiten.

 Abbildung 3: Mit der Independence (170.000 m³) hat sich Litauen 2014 vom russischen Gas unabhängig gemacht (Quelle Wikipedia)

 

 

LNG-MARKT

Um 350 Mio. t Flüssiggas (entspricht rund 465 Mrd. cbm Erdgas) werden jährlich mit LNG-Tankern transportiert. Die USA, Australien und Kartar sind die größten Exporteure, Japan und China die größten Importeure. Europa und hier besonders Deutschland sind dabei, sich in den kommenden Jahren vom russischen Pipelinegas unabhängig zu machen. Diesen Schritt hat Litauens Regierung bereits weit vorher vollzogen, denn sie haben 2011 bei den Hyundai-Werften die INDEPENDENC bestellt, die seit 2014 das Baltikum als schwimmendes Importterminal mit Erdgas versorgt. Litauen musste jahrelang mit einem Gaspreis leben, der mit 440 Dollar für 1000 Kubikmeter um rund 15 Prozent über dem EU-Durchschnitt lag.

 

LNG war und ist die wichtigste Alternative, auch für Europa. Jedoch wird die höhere Nachfrage für weiter steigende Gaspreise sorgen und sich auch auf die Charterraten von LNG-Tankern auswirken.

Der LNG-Schifffahrtsmarkt im Jahr 2021 nahm für die Tanker-Reeder einen guten Verlauf und entwickelte ab September 2021 einen unglaublichen Anstieg. Der Markt wurden angetrieben durch ansteigende Rohstoff- und Energiepreise. Waren in der Vergangenheit besonders die fernöstlichen Gasmärkte die treibende Kraft, ergab sich auch in Europa eine steigende Nachfrage. Die Charterer zahlen Spitzenpreise und die Reeder können die guten Marktbedingungen nutzen.

 

 

LNG-Terminals für Deutschland

Mit dem im Februar 2022 von Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Bewertung der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen fundamental geändert. Daher wird eine Unterbrechung der russischen Erdgaslieferungen an Deutschland (rund 50 Mrd. cbm pro Jahr) nicht mehr ausgeschlossen. Hierdurch ist eine neue Lage an dem internationalen Gasmarkt entstanden [3].

 

Vor diesem Hintergrund ist der unverzügliche und schnellstmögliche Aufbau einer unabhängigeren nationalen Gasversorgung nach dem Muster von Litauen (siehe Abb. 3) äußerst dringend und zwingend erforderlich. Eine der wenigen Möglichkeiten Deutschlands, auf dem Weltmarkt kurzfristig zusätzliche Gasmengen zu beschaffen, ist der Kauf von flüssigem Erdgas. Um das LNG in Deutschland anlanden, regasifizieren und weiterleiten zu können, ist der schnelle Ausbau von LNG-Importhäfen notwendig. Am schnellsten lassen sich schwimmende Importterminals, sogenannte FSRUs (Floating Storage and Regasification Units) realisieren.

 

Die Zahl der Häfen ergibt sich aus der benötigten Gasmenge und der Größe sowie die Liegezeit der Schiffe. Um die 50 Mrd. cbm Pipelinegas aus Russland zu ersetzen, werden jährlich rund 600 LNG-Tanker der mittleren Größe mit 140.000 cbm Laderaumkapazität benötigt (1 cbm LNG entspricht rund 600 cbm Erdgas). Ein Tanker braucht 2 - 3,5 Löschtage, damit ergeben sich maximal 2100 Löschtage. Werden die 2100 Löschtage durch 365 Tage pro Jahr dividiert, ergeben sich 5,75 LNG-Terminals, aufgerundet also rund 6 Standorte. Mit den ins Auge gefassten Häfen Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade/Bützfleth, Hamburg, Rostock und Lubmin kommt Minister Habeck auf diese 6 Standorte, die auch in der Anlage des LNG-Gesetzes berücksichtigt wurden [3]. Der Bundesrat hat am 20. Mai 2022 dem Gesetz zum beschleunigten Bau von Flüssiggasterminals (LNG-Gesetz) zugestimmt - in einem beschleunigten Verfahren [3]. Denn erst am Abend zuvor hatte der Bundestag das Gesetz verabschiedet. Es kann nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet werden.

 

Literatur

 

[1] Shell LNG Outlook 2022

[2] https://www.ssyonline.com/media/2016/ssy-2022-outlook-final.pdf

[3] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2022/0201-0300/0221-22.html