Vandal - 1903, Pionierschiff mit Dieselmotorantrieb zum Öltransport

Die russische Ölgesellschaft Branobel baut Schiffe mit Dieselmotoren

 

Karl-Heinz Hochhaus

Abb. 1: Ölquellen der Nobels in Baku um 1880 (Quelle Wikipedia)

1. Einführung

Mit dem Dieselmotor, der Verbrennungskraftmaschine mit Selbstzündung des Brennstoffes im Zylinder, wurde von Rudolf Diesel die rationellste Wärmekraftmaschine erfunden und gemeinsam mit den Fabriken Maschinenfabrik Augsburg (später  MAN) und Friedrich Krupp realisiert. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts begann dann die Anwendung stationärer Dieselmotoren.

 

Bei der Verwendung von mobilen Anwendungen standen der Schiffsantrieb, und die elektrische Stromerzeugung für den Schiffshilfsbetrieb im Vordergrund [1]. Unter vergleichbaren Verhältnissen würde ein Motorschiff nur etwa 25% des Brennstoffgewichtes verbrauchen, das ein zu dieser Zeit übliches kohlegefeuertes Dampfschiff für die gleiche Seereise benötigen würde. Dadurch vergrößerte sich der Aktionsradius erheblich und bei langen Rundreisen ist der Anlauf weiterer Bunkerhäfen nicht mehr notwendig. Besonders das zusätzliche Ladevermögen ist von Vorteil, da der Platz für die Bunkerkohle für zahlende Ladung frei wurde.

 

Da die Schiffe nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts fahren, sollten Dieselmotoren möglichst umsteuerbar sein. Diese Forderung war ein Problem, verzögerte die Einführung in die Schifffahrt und wurde 1903 von den Binnenschiffen Petit Pierre und Vandal anders gelöst [2]. Auf der Petit Pierre mit 25 PS ermöglichte ein Verstellpropeller die Rückwärtsfahrt, und auf der Vandal wurde das Problem elektrisch gelöst. Die drei 60 PS-Dieselmotoren trieben Generatoren an, die zur Stromversorgung der elektrischen einfach umschaltbaren Fahrmotoren dienten.

 

Abbildung 2: Ludwig Nobel (Quelle Wikipedia, unbekannter Fotograf)
Abbildung 2: Ludwig Nobel (Quelle Wikipedia, unbekannter Fotograf)

 

Die Nobel Brothers Petroleum Company (später Branobel) war eine Ölfirma (Abb. 1), die ursprünglich 1876 von Robert (1829 - 1896) und Ludvig Nobel (1831-1888) (Abb. 2) in Baku gegründet wurde. 1879 wurde sie in eine Aktiengesellschaft gewandelt mit Sitz in St. Petersburg. Ludvig Nobel ließ  in Schweden mit der Zoroaster ein Öltankschiff bauen, das 1879 in Betrieb genommen wurde. Die Motala Werft in Norrköping entwarf und konstruierte ein neuartiges Tankschiff für den Öltransport als flüssiges Massengut für den Binnenverkehr auf dem Kaspischen Meer. Der Dampfer erhielt einen mittschiffs angeordneten Aufbau, darunter befand sich der Maschinenraum mit Dampfmaschine und ölgefeuerten Kesseln. Das Öl wurde  in 21 eingebauten zylindrischen Zisternentanks transportiert. Das fertige Schiff wurde anschließend wieder zerlegt und mit Binnenkähnen über Kanäle und die Wolga nach Baku transportiert, wo es wieder zusammengebaut und in Betrieb genommen wurde. Später wurden die stehenden Zisternentanks entfernt und der Maschinenraum vorn und hinten mit wassergefüllten Kofferdämmen abgeschottet. Dann wurden die leeren Laderäume bis auf den Doppelboden als Tank genutzt. Mit diesen Umbaumaßnahmen entstand aus der Zoroaster der erste Öltanker moderner Bauart.

2. Emanuel Nobel erwirbt Motorlizenzen für Russland

1896 traf der Ingenieur Anton Gustav Robert Carlsund (1865-1958) bei der Industrieausstellung in Nischni-Nowgorod den Petersburger Fabrikanten Emanuel Nobel (1859-1932, Abb. 3), ältester Sohn von Ludwig Nobel und Neffe von Alfred Nobel. Carlsund hatte mit dessen jüngeren Bruder Carl Nobel am Royal Institute of Technology in Stockholm studiert. Emmanuel Nobel stellte ihn als Ingenieur für seine Petersburger Maschinenfabrik ein. Bei der Teilnahme zur VDI-Hauptversammlung am 16. Juni 1897 in Kassel hörte Carlsund die Vorträge von Rudolf Diesel und Professor Moritz Schröter. Er berichtete Nobel darüber und über das seiner Meinung nach großes Entwicklungspotential dieses Motors. Nobel erörterte das Dieselmotor-Prinzip mit Petersburger Kollegen, die aufgrund der hohen Kompression jedoch von einer möglichen Beteiligung abrieten.

 

Als Emanuel Nobel (Abb. 3), Anfang 1898 in Stockholm mit dem Juristen und Bankier Marcus Wallenberg (1864-1943) über den Motor sprach, zeigte der großes Interesse. Wallenberg war von dem Nürnberger Geschäftsmann Berthold Bring, der an den amerikanischen Lizenzverhandlungen für Adolphus Busch beteiligt war, ebenfalls auf den Motor als wichtige Zukunftsinvestition hingewiesen worden. Diesel hatte am 20. Januar 1898 eine Option für Wallenberg und den schwedischen Ingenieur Oskar Lamm, Chef der Stockholmer Maschinenbaufirma Nya A.B. Atlas, an der Familie Wallenberg beteiligt war, für die schwedischen Lizenzen unterzeichnet [3]. Bei diesem Termin wurde auch der Motor im Augsburger Versuchslabor besichtigt.

 

Schon im Februar 1898 fuhren Nobel und Wallenberg nach Berlin und am 14. Februar 1898 fand das Treffen mit Diesel und seinem Agenten Bring im Hotel Bristol statt. Sie verhandelten mit Diesel über Motorlizenzen für Russland und weitere gemeinsame Unternehmungen. Am 16. Februar 1898, am Ende der mehrtägigen Verhandlungen, unterzeichnete Emanuel Nobel den Vertrag mit Diesel und zahlte insgesamt 800000 Mark. 600000 Mark wurden in bar und 200000 Mark für Aktien der neu gegründeten Firma Russische Dieselmotor, GmbH mit Standort in  Nürnberg gezahlt [3].

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 3: Emanuel Nobel (1859-1932) leitete die Ölgesellschaft und übernahm auch  die Fabrik (Quelle Wikipedia, .

3. A. B. Diesels Motorer

Nach dem 1898 erfolgten Kauf der für Schweden geltenden Lizenzen von Rudolf Diesel für 100.000 SEK gründete Marcus Wallenberg sofort die Firma AB Diesels Motorer mit Sitz in Sickla bei Stockholm. Sie fusionierte 1917 zur Nya AB Atlas und war mit den vier Produktsparten Dampfmaschinen, Dampflokomotiven, Druckluftwerkzeuge & Kompressoren und Diesel- & Schiffsdieselmotoren besonders für die Industrialisierung gut aufgestellt. Daraus entstand die Grundlage für die wachsenden Erfolge der Bank und die heutige internationale Wallenberg-Unternehmensgruppe, die an vielen bekannten vorwiegend skandinavischen Industriefirmen mit 10–40 % beteiligt sind.

 

Das Kapital betrug 300000 Kronen in 300 Anteilen. Davon zeichnete Wallenberg, Diesel und Lamm je 50, Auguste Pellerin 40 und 10 Anteile wurden in 110 Teile gestückelt [3]. John Schmidt leitete die Fabrik bis 1903. Der Chefingenieur Henning Hallencreutz absolvierte bei der Maschinenfabrik Augsburg ein gründliches fast zweijähriges Praktikum und begann im Frühjahr 1900 seine Tätigkeit in Sickla. 1899 begann Knut Jonas Elias Hesselman (1877-1957, Abb. 4) seine Karriere in dieser Firma. Er hatte nach einer zweijährigen Lehre an der Königlich Technischen Universität in Stockholm studiert. Sechs Jahre später löste er Hallencreutz als Konstruktionschef ab, arbeitete von 1899 bis 1916 für AB Diesels Motorer und trieb die Entwicklung mit seinen genialen Ideen voran. Hesselman leistete zahlreiche wichtige Beiträge zur Kraftstoffeinspritzung und erlangte internationales Ansehen mit seiner bekanntesten Erfindung, die 1906 die Umsteuerung der Dieselmotors ermöglichte. Das war der Durchbruch des Dieselmotors als Schiffsantrieb.

 

Diesel lieferte 1898 die bei den Patentverhandlungen vereinbarten Konstruktionszeichnungen für einen erheblich überarbeiteten und verbesserten 20-PS-Motor, der zunächst unter Oskar Lamm bei Atlas gebaut wurde. Unstimmigkeiten in der Zeichnung unterbrachen die Arbeiten, die mit Hilfe der Allgemeinen Gesellschaft für Dieselmotoren beseitigt wurden. Die Gesellschaft sandte im März 1899 dafür den Service-Ingenieur Ludwig Noe (1871-1949), später Generaldirektor der Danziger Werft, nach Schweden, der die Probleme in den folgenden drei Monaten löste. In dieser Zeit wurde der Motorenbau von Atlas zu Diesels Motorer in Sickla verlagert und 1899 konnte der erste A 20 Dieselmotor (250/400 mm) erfolgreich in Betrieb genommen werden. In der Folgezeit von 1899-1902 wurden sechs A 20- und vier A 50-Motoren (275/420 mm) abgeliefert. Das spez. Gewicht betrug für die 120 PS Motoren vom Typ K 3 III (Abb. 5) nur noch 126  kg/PS

 

Die Explosion eines A 20 Motors in einer Kerzenfabrik und auch der hohe Preis des A 20 Motors von rund 10.000 Kronen bzw. 25.000 Kronen für den A 50 Motor führte zum Umdenken und zu einer drastischen Neukonstruktion. Verbesserungen der Kraftstoffeinspritzung, an dem Verbrennungssystem und andere konstruktiven Details führten zur Vereinfachung des Motors und reduzierten das Gewicht um fast ein Drittel.

 

 

 

 

Abb. 4: 1899 begann Knut Jonas Elias Hesselman (1877-1957,  vordere Reihe Mitte) seine Karriere bei Diesels Motorer
(Quelle Wikipedia)

Abb. 5: Vergleichbare 120 PS Motoren vom Typ K 3 III für die Vandal kamen von Diesels Motorer aus Schweden, das spez. Motorgewicht betrug  nur noch 126  kg/PS (Quelle: Cummins, L.: Diesels Engine from Conception to 1918, 1993 Carnot Press,Wilsonville)

4. Maschinen- und Waffenfabrik Ludwig Nobel, St. Petersburg

1862 wurde die 1859 liquidierte St. Petersburger Fabrik der Nobels von Ludwig Nobel (Abb. 2) wieder gegründet. Sie nahm einen steilen Aufschwung, als 1874 der Ölrausch in Baku ausbrach. Die Fabrik konstruierte und baute Dampfmaschinen, Dampfkessel, Pumpen, Lüfter sowie Achsen und Räder. 1873 suchte sein Bruder Robert Nobel im Kaukasus nach Holz für Gewehrkolben und hat dabei in Baku erste Ölbohrrechte erworben. 1878 wurde von den Brüdern Ludwig und Robert Nobel mit einem Kapital von 3 Millionen Rubel die später als Branobel bekannte Firma Naftaproduktionsbolaget Bröderna Nobel in Baku gegründet. Sie wurde zu einer der erfolgreichsten Ölfirmen der damaligen Zeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Carl Ludwig

Geb: 22. September 1862
Gest.: 27. November 1893

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach Ludwig Nobels Tod übernahm sein Sohn Carl Nobel, der an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm Ingenieurwissenschaften studiert hatte, 1888 die Maschinenfabrik in St. Petersburg. Er änderte das Fertigungsprogramm, da Russland seit 1880 in einer tiefen Rezession verharrte. Carl Nobel schloss einen Lizenzvertrag mit einer Schweizer Werkstatt zum Bau von 3, 5 und 7 PS Petroleummotoren ab. Sie arbeiteten nicht zufriedenstellend und als Carl 1893 starb, waren seine Arbeiten zur Verbesserung der Petroleummotoren nicht abgeschlossen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 6: Der Ingenieur Anton Gustav Robert Carlsund, (1865-1958, Quelle: Cummins, L.: Diesels Engine from Conception to 1918, 1993 Carnot Press,Wilsonville)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anton Carlsund

 

Der schwedische Ingenieur Anton Carlsund (1865 - 1955) kam 1889 als Angestellter der Phönix-Maschinenwerke nach St. Petersburg. 1892 begann er eine fruchtbare Zeit bei den Ludvig-Nobel-Maschinenwerken in St. Petersburg. Carlsund wurde mit dem Bau von Kerosinmotoren betraut. 1898 wurde er Chefingenieur und Leiter der Dieselmotorenabteilung. Die Fabrik arbeitete an der Verbesserung der Erfindung von Rudolf Diesel, dem Dieselmotor, der die Dampfmaschinen in Zügen, Schiffen und Fabriken ersetzte. Der Hintergrund ist folgender:

 

Anton Carlsund wurde von Emanuel Nobel unter anderem nach Deutschland geschickt, um mehr über Kerosinmotoren zu erfahren und nach neuen Entdeckungen auf diesem Gebiet zu suchen. Er kam nach Kassel, wo der Verein Deutscher Ingenieur 1897 seine Jahrestagung abhielt. Bei dieser Gelegenheit präsentierte Rudolf Diesel den Motortyp, an dem er seit einigen Jahren arbeitete.

 

Carlsund interessierte sich für den Verbrennungsmotor von Diesel und sprach nach seiner Rückkehr nach St. Petersburg mit Emanuel Nobel über den Erwerb des russischen Patents. Gründung der Russischen Diesel Motor Co. mit Sitz in Nürnberg. Emanuel wurde Hauptaktionär und übertrug Anfang 1898 die Herstellungsrechte für Dieselmotoren in Russland an Ludvig Nobels Maskinfabrik. Carlsund leitete die Bemühungen zur Verbesserung von Diesels Prototyp. Eine Reihe von Dieselmotoren wurden in Tanker verschiedener Typen eingebaut, die von den Gebrüdern Nobel in Baku bestellt wurden, ebenso wie Ölfelder, Pumpen, Kraftwerke, immer mehr Fabriken in Russland wurden mit diesem sparsamen, immer leistungsfähigeren Motor ausgestattet. Nach dem Krieg gegen Japan bestellte die russische Marine Motoren für Schiffe, und während des Ersten Weltkriegs waren die Aufträge der Marine ein Hindernis für die Entwicklung neuer Produkte der Maskinfabrik.

 

Nach den Wirren des Jahres 1905 erkannte Anton Carlsund, dass die Verhältnisse in Russland zu unsicher waren. 1912 holte er seine Familie nach Schweden und sie ließen sich in Fiskeby nieder. Carlsund hielt sich jedoch längere Zeit in St. Petersburg auf, wo er bis 1917 in Nobels Diensten als Berater mit verschiedenen Aufträgen blieb.

 

Dreißig Jahre später schrieb Anton Carlsund in einer Reihe von Aufsätzen über das ereignisreiche Jahr seines Lebens.

 

 

Sein älterer Bruder Emanuel Nobel (1859-1932) leitete die Ölgesellschaft und übernahm auch  die Fabrik (Abb. 7). Nach dem Erwerb der Lizenzen zum Bau von Dieselmotoren wurde in St. Petersburg eine moderne Motorenfertigung aufgebaut, um die vielerorts eingesetzten Dampfmaschinen mit sparsamen Dieselmotoren zu ersetzen. Carlsund (Abb. 6), inzwischen einer der Konstruktionschefs in der Petersburger Maschinenfabrik, hatte praktische Erfahrungen im Augsburger Labor gesammelt. In dieser Zeit hat er auch die „Kämpfe“ von Diesels engem Mitarbeiter und späteren MAN Vorstandsvorsitzenden Imanuel Lauster (1873-1948) mit dem ersten gewerblich genutzten Dieselmotor (76 PS) in der Zündholzfabrik Kempten miterlebt.

 

Anhand der von Diesel übersandten Zeichnungen wurde die Motorkonstruktion von Carlsund und seinen Mitarbeitern vereinfacht, um die Motorbauteile an die Fertigungsmöglichkeiten der Fabrik anzupassen. Außerdem wurde der Kompressionsdruck erhöht, die Luft-Brennstoffeinspritzung optimiert sowie die Gewichte verringert (allein das Schwungrad wog ursprünglich 1,4 t).  Damit reduzierten sie das spezifische Gewicht des A-Motors mit 260 mm Bohrung und 410 mm Hub von 425 kg/PS auf 375 kg/PS [3]. Dieser erste Viertaktmotor von Nobel mit einem A-förmigen Ständer und einem Kreuzkopf wurde 1899 am Technischen Institut in St. Petersburg getestet. Der Motor arbeitete gleichmäßig mit unsichtbaren Abgasen, und bei der Nennleistung von 20 PS bei 205 U/min betrug der Kraftstoffverbrauch 258 Gramm pro PS [3].

Abb. 7: Maschinenfabrik Ludwig Nobel in St. Petersburg (Quelle Wikipedia)

Anschließend wurde ein Zweizylindermotor mit 40 PS Nennleistung mit gleicher Bohrung und Hub konstruiert und gebaut. Es folgte ein größerer Einzylindermotor (300 x 460 mm) mit 30 PS und schon um 1900 umfasste der Motorenkatalog von Nobel 16 Typen der A-Dieselmotoren-Reihe von 15–100 PS. In der eigenen Fabrik waren die Dampfmaschinen abgelöst worden und drei Einzylindermotoren (je 20 PS) und zwei Zweizylindermotoren (je 40 PS) und dienten zur sparsamen Stromerzeugung.

 

Die weitere Entwicklung des Nobel-Dieselmotors, wurde durch soziale Unruhen und Demonstrationen der Petersburger Arbeiter, die zwischen 1904 und 1905 während des russisch-japanischen Krieges noch zunahmen, stark verzögert,. Die Maschinenfabrik von Ludwig Nobel verwandelte sich in ein Zentrum des Arbeiteraufstandes und führte zu einer erheblich verminderten Produktion und Problemen bei der Ablieferung der bestellten Motoren.

Die Maschinenfabrik in St. Petersburg entwickelte auch einen Dieselmotor vom B-Typ ohne Kreuzkopf mit höherer Kolbengeschwindigkeit und geringerem Gewicht als der A-Typ. Die Fabrik feierte 1912 ihr 50-jähriges Jubiläum und wurde in eine Aktiengesellschaft mit Emanuel Nobel und seinen Brüdern als Hauptaktionäre umgewandelt. Im selben Jahr endeten auch die russischen Patentrechte vom Dieselmotor.

Abb. 8: Technische Zeichnung der Vandal, der Maschinenraum mit den Dieselgeneratoren befindet sich mittschiffs, die elektrischen Fahrmotoren zum Propellerantrieb sind  im hinteren klienen Maschinenraum angeordnet (Quelle STG)

Karl Wilhelm Hagelin (1860-1954) wurde in Russland geboren, wo der Vater als Zweiter Ingenieur auf  Wolgaschiffen arbeitete. Er hatte schwedische Eltern und arbeitete nach seiner Schulzeit als Schiffbauer bei einer Reederei in Astrachan. Hagelin kam 1879 nach Baku, begann als Mechaniker bei  Branobel und machte schnell Kariere. 1891 wurde er zum Technischen Leiter in Baku befördert und 1900 wurde er Präsident des Verwaltungsrates. Als Schiffbauer verfolgte er die Idee von Emanuel Nobel, den wirtschaftlichen Dieselmotor in den firmeneigenen bisher von Dampfmaschinen  angetriebenen Tankern für den Transport der Erdölprodukte auf den russischen Flusssystemen einzusetzen. Dagegen sprach bisher jedoch die fehlende Umsteuerung der Motoren.

 

Hagelin suchte dafür eine elektrische Lösung und sprach 1901 darüber mit dem Ingenieur Ludwig Borggren, der bei ASEA in Västerås angestellt war. Borggren kam am 1. Januar 1902 nach St. Petersburg, und sie entwarfen eine elektrische Koppelung mit Generator und Fahrmotor zwischen dem Dieselmotor und Propeller. Daraus entstand  die 1. dieselelektrische Fahranlage. Die dafür notwendigen drei Generatoren mit 90 kW Nennleistung bei 250 U/min und 500 V Gleichstrom sowie die drei elektrischen Propellermotoren mit 100 PS bei 300 U/min wurden bei ASEA bestellt.

Die Entwicklung und Fertigung der Dieselmotoren von AB Motorer  in Schweden waren schon weiter fortgeschritten, da die beginnenden Arbeiteraufstände die St. Petersburger Motorenfertigung behinderten. Daher wurden die Dieselmotoren für die Vandal in Sickla bestellt, die  St. Petersburg  im Januar 1903 erreichten .

 

Gemeinsam mit dem schwedischen Schiffskonstrukteur Johny Johnson wurde der Tanker Vandal (Abb. 8, 9), entworfen. Er war rund 75 Meter lang, 9,50 Meter breit, hatte bei einem Tiefgang von 2,4 Meter eine Tragfähigkeit von rund 800 Tonnen und sollte eine Geschwindigkeit von 13 km/h erreichen. Die Vandal wurde 1902 auf der Wolgawerft  Krasnoje Sormowo in Nischni Nowgorod (von 1932 bis 1990 Gorki) auf Stapel gelegt. Hier entstand der Kasko, also der eiserne Rumpf, der zum witeren Ausbau nach St. Petersburg geschleppt wurde.

Abb. 9: Die Vandal in Fahrt (Quelle: Cummins, L.: Diesels Engine from Conception to 1918, 1993 Carnot Press,Wilsonville)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibi-Eybat

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1920 Beim Verkauf von Branobel an Standard Oil steht viel auf dem Spiel

Von Brita Åsbrink

 

Der Kampf um die Ölmärkte ging trotz des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 weiter. Der Einsatz für die Macht über den russischen Ölmarkt war hoch und äußerst unsicher, vor allem wegen des drohenden aufkommenden Nationalismus durch die Bolschewiken. Es wird noch viele Wendungen im Spiel geben, bis die Branobel-Werke im noch unabhängigen Baku schließlich 1920 an die amerikanische Standard Oil verkauft werden.

 

Mit der Russian General Oil Corporation (RGO), einer Holdinggesellschaft, die sich zur Hälfte im Besitz englischer Holdings befand, war eine Reihe bekannter russischer Ölmänner und Bankiers auf den Plan getreten. Auf ihrer Hauptversammlung 1914 versuchte die RGO, Branobel zu übernehmen, scheiterte aber. Sechs Monate später boten zwei Vorstandsmitglieder der RGO stattdessen Emanuel Nobel ihre Anteile an, da sie überzeugt waren, dass Nobel die geeignetste Führungspersönlichkeit für die russische Ölindustrie sei.

 

Emanuel Nobel gab dem Druck nach und wurde sehr aktiv, als die Nobels die Vermögenswerte der RGO übernahmen, indem sie die Aktien der Bank für 40 Millionen SEK kauften und ihre eigenen Aktien im Wert von 55 Millionen SEK ausgaben. Damit erlangte Branobel 1915 die Kontrolle über die Hälfte der russischen Ölindustrie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1909, das Balachany Feld in Baku  rund 280 Fördertürme

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die russische Regierung verlangte immer größere Lieferungen für ihre Kriegsmaschinerie. Branobel produzierte nun ein Drittel des russischen Rohöls, 40 Prozent des raffinierten Öls und lieferte zwei Drittel des Inlandsverbrauchs. Außerdem baute man die erste Fabrik des Landes zur Herstellung der Sprengstoffe Toluol und Benzol.

 

Im Jahr 1916 hatte das Unternehmen eine Rekorddividende von 40 Prozent. Der mächtige Chef des Royal Dutch/Shell-Konzerns, Henri Deterding, schickte Ingenieure nach Baku, die berichteten, dass der Versorgungsbedarf der russischen Regierung ihre gesamte Energie aufbrauchte und das Unternehmen an der Entwicklung hinderte.

 

Im Februar 1917 dankte der Zar ab und im Dezember 1917 forderten 2.000 Ölarbeiter die Verstaatlichung der Felder von Branobel. Im Juni 1918 verstaatlicht das neue Sowjetregime die gesamte Industrie in Privatbesitz. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Familie Nobel bereits auf verschiedenen Wegen nach Schweden begeben, wo sie sich zu Weihnachten 1918 versammelte.

 

Im Februar 1919 war Ludvig Nobels jüngster Sohn Gösta, der die Verantwortung für Branobel übernommen hatte, in England, um mit der britischen Regierung über die Schmierölgesellschaft S.A.I.C. zu sprechen. Auch mit dem Chef von Shell, Henri Deterding, wurde Kontakt aufgenommen. Shell hatte die in französischem Besitz befindlichen russischen Rothschild-Firmen übernommen, und als die Nobels nun Deterding das gesamte Unternehmen anboten, sah er darin eine Chance, der Ölgigant des freien Russlands zu werden. Deterding glaubte tatsächlich, dass die Bolschewiken innerhalb von sechs Monaten die Macht verlieren würden und diskutierte Partnerschaften u.a. mit der britischen Firma Anglo-Persian. Gemeinsam würden sie Branobel übernehmen. Deterding wollte sich der Unterstützung durch die britische Regierung sicher sein, wurde aber abgewiesen. Dies führte zum Abbruch der Verhandlungen Deterdings mit den Nobels.

 

Für die Nobels gab es aber noch eine andere Lösung: die Zusammenarbeit mit einem Partner, der über wesentlich größere Ressourcen verfügte und auch die volle Unterstützung seiner Regierung hatte - Standard Oil of New Jersey. Die Verlockung für die amerikanische Standard Oil, russische Ölprodukte in den Mittelmeerländern zu verkaufen, war so groß, dass sie bereit waren, das Risiko einzugehen, eine Firma zu kaufen, die den Nobels vielleicht nicht mehr gehörte.

 

Im Januar 1919 hatte Standard Oil 330.000 Dollar an die unabhängige aserbaidschanische Regierung für elf Konzessionen zum Bohren von Land gezahlt. Nun würden Standard Oil und die Nobels gemeinsam die Kontrolle über 60 Prozent des russischen Ölmarktes erlangen. Der Preis wurde auf 11,5 Millionen USD für die Hälfte der Branobel-Anteile festgelegt. Problematisch war unter anderem, dass 26.000 der 140.000 Normalos in St. Petersburg unerreichbar waren, dass die Ölindustrie endgültig verstaatlicht wurde und dass Emanuel Nobel - wie üblich - zögerte.

 

Die Anlagen im noch unabhängigen Baku wurden von Standard Oil besichtigt. Der Bericht war positiv und ein Vorvertrag wurde am 12. April 1920 in Paris unterzeichnet. Am 28. April trafen der Beauftragte der Sowjetregierung für den Kaukasus, Sergej Kirow, und der Armeekommandant Michail Tuchatschewski mit dem Zug in Baku ein. Die Situation war nervös, aber sowohl Nobel als auch Standard Oil waren aufrichtig an dem Geschäft interessiert. Nach einer Reihe von Treffen in den USA waren am 30. Juli 1920 alle Papiere fertig.

 

 

Literatur

 

[1] Ackermann, G., Hochhaus, K.-H.: Hilfsmaschinen – Elektrische Energieversorgung, in Dampfer, Diesel und Turbinen S. 353 – 362, ISBN 3934613853

[2] Kretschner, W.:Ausgedampft – Der Anfang vom Ende der Dampfschiffe, in http://www.changeX.de.

[3] Cummins, L.: Diesels Engine from Conception to 1918, 1993 Carnot Press,Wilsonville, ISBN: 917308034

[4] Reuss, H.-J.: Der Dieselmotor als Schiffsantrieb, 2011 Koehlers Verlagsgesellschaft,

3782209974

[5] Schulthes, K.: Elektrisch angetriebene Propeller, in Jahrbuch der STG, Band 9, 1903