Abbildung 1: Eröffnung der STG-Hauptversammlung 2014 in Berlin durch den Vorsitzenden Dr.-Ing. Hermann Klein (Foto Dr. Hochhaus)

60. Sitzung des STG Fachausschusses Automation & Messtechnik in Flensburg

Karl-Heinz Hochhaus


1. Einführung

 Die 1899 gegründete Schiffbautechnische Gesellschaft e. V. (STG) ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin und Geschäftsstelle in Hamburg. Der gemeinnützige Verein beschäftigt sich mit den technischen und wissenschaftlichen Fragen zur Schiffs- und Meerestechnik und hat derzeit rund 1890 persönliche sowie 136 korporative Mitglieder aus diesen Bereichen. Neben der Förderung und dem Informationsaustausch der Schiffs- und Meerestechnik sind die Fortbildung, der Erfahrungsaustausch und besonders die Unterstützung des technischen Nachwuchses wichtige Ziele. Die STG unterstützt die Veith-Berghoff-Stiftung und kooperiert eng mit der Curt Bartsch- und der Weinblum-Stiftung.

Die fachliche Umsetzung der Ziele erfolgt in den insgesamt 16 Fachausschüsse, die sich mit den unterschiedlichen Fachrichtungen der Schiffstechnik beschäftigen. Sie richten für aktuelle Themen ganztägige als Sprechtage bezeichnete Veranstaltungen vorwiegend in den Küstenstädten mit Werftbezug aus. Grundsätzliche und auch mehr wissenschaftlich orientierte Themen werden in der Hauptversammlung behandelt, die im jährlichen Wechsel in Berlin und Hamburg stattfinden. In dieser dreitägigen Veranstaltung (Abb. 1) mit 20 – 30 technisch-wissenschaftlichen Vorträgen ist auch die Mitgliederversammlung integriert. Die Vorbereitung der Sprechtage und des technischen Vortragsteiles der HV erfolgt in den Fachausschüssen, die dafür jährlich zwei bis drei Sitzungen in der Regel bei Ihren korporativen Mitgliedern durchführen. Fachausschüsse werden bei entsprechendem Bedarf eingerichtet oder auch aufgelöst, falls die Bedeutung des Spezialgebiets nachlässt oder ein neues Spezialgebiet entsteht.

 

2. Fachausschuss Automation & Messtechnik

Der Fachausschuss Automation & Messtechnik entwickelte sich aus der 1951 eingerichteten Arbeitsgruppe "Messwesen an Bord", aus dem dann im Jahre 1960 der Fachausschuss "Messwesen auf Schiffen" entstand. Im Jahre 1969 wurde er vom Leiter Prof. A. Wangerin aufgrund der wachsenden Bedeutung der Automation auf den Schiffen in "Messtechnik und Automation" umbenannt. Die Leiter werden von den Mitgliedern gewählt, die Wahl erfolgt alle 5 Jahre. Es folgten als Leiter des Fachausschusses: Dipl.-Ing. J. Schelenz, Hamburg (1969-74), Dipl.-Ing. R. Damaschke, Erlangen (1975-90), Prof. Dr.-Ing. J. Ritterhoff, Kiel (1991-2003) und Dipl.-Ing. Heinz Waschin, Erlangen (von 2004-2011). Die derzeitige Leiterin des Fachausschusses ist Dipl.-Ing. Andrea Grün (DnVGL).

Dieser Fachausschuss Automation & Messtechnik bearbeitet aktuelle Themen wie Anforderungen aus weiterentwickelten Richtlinien der Qualifizierungsgesellschaften, Verbesserung der Brückenausrüstung im Bereich See-Land Kommunikation sowie neue Entwicklungen im Automations- und Messwesen auf Schiffen. Hier sollten außerdem die Einführung von intelligenten Messfühlern, verteilter dezentraler Intelligenz in der Bordautomation, Kostenreduktion für den Schiffsbetrieb und neue Aspekte für die Bordautomation genannt werden.


3. Durchführung der 60. Sitzung des STG Fachausschusses Automation & Messtechnik in Flensburg

Am  19. Februar 2014 fand die 60. Sitzung auf Einladung von Prof. Dr.-Ing. H. Watter im Maritimen Zentrum (Abb. 2). der Fachhochschule Flensburg statt. Dabei wurden neben den internen Informationen weitere Punkte der Agenda abgearbeitet. Außerdem wurde ein Kurzvortrag von Dipl.-Ing. M. vom Baur gehalten und neben der Begehung des EMV-Labors wurden die Einrichtungen zur Brücken- und Maschinensimulation besichtigt.

 

3.1 Bordmesssysteme zur Energie- und Betriebsoptimierung: Erfahrungen und Möglichkeiten

M. vom Baur, der in seiner Firma MvB euroconsult im schiffs- und meerestechnischen Beratungsgeschäft tätig ist, hat zur Zeit eine Interimsmanagement-Aufgabe bei seinem Kunden Hoppe Marine GmbH, Hamburg übernommen. In diesem Zusammenhang ist auch die nachfolgende Zusammenfassung des im Rahmen dieser Sitzung gehaltenen Vortrages zu sehen, der die Brennstoffoptimierung eines Containerschiffes bezüglich der  Geschwindigkeit und des Trimms behandelt.

Anhand von Messwerten wurden die Ursachen der Streuung und der Einfluss von anderen Parametern (Wassertiefe, Dynamischer Trimm, Ruderlagen, Schiffsbewegungen, Kurs zum Seegang: Seegangswiderstand, Wind, Veränderung des Zustands der Außenhaut) betrachtet.

Es wurde zwischen dem statischen und dem dynamischen Trimm unterschieden. Der statische Trimm [1] wird im Hafen vor der Abfahrt am Bug und Heck in Metern abgelesen und ist negativ, wenn der Bug tiefer eintaucht als das Heck. Der dynamische Trimm ergibt sich, wenn das Schiff fährt und ist relevant, wenn das Schiff seine Dauergeschwindigkeit erreicht hat (Abb. 3, 4). Er kann z. B. mit dem HOSIM Gerät (Hoppe Ship Inertial Motion Measuring System) ermittelt werden.

Mit dem Trimm lassen sich abhängig vom Schiffstyp und der Geschwindigkeit etwa 2-3% Brennstoff sparen [1]. Bei den sehr großen Containerschiffen der 7. und 8. Generation mit 150 – 250 t Brennstoffverbrauch pro Tag und 300 Seetagen pro Jahr ergibt sich ein Gesamtverbrauch von 45.000 -75.000 t/a. Beim mittleren Brennstoffpreis  von 600 $/t ergeben sich rund 27 Mio. – 45 Mio. $/a. Mit der Trimmoptimierung könnte eine Einsparung von 800.000 – 900.000 $/a erzielt werden.

Zur Realisierung dieser Einsparung sind entweder vergleichende Relativmessungen oder genaue Absolutmessungen notwendig. Daher wurden im Rahmen dieses Vortrages auch Einrichtungen zur Geschwindigkeits- und Leistungsmessung angesprochen. Abschließend wurde ein Messsystem zum Bunker Management und zur passiven Rolldämpfung mit FLUME Tanks (Abb. 5) vorgestellt und diskutiert [2].


3.2 Begehung des EMV-Labors

Anschließend stellte Prof. Dr.-Ing. K.-D. Kruse das EMV-Labor vor. EMV ist die Abkürzung von „Elektro-Magnetische Verträglichkeit“ und ist die Fähigkeit einer elektrischen Einrichtung, in ihrer elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne diese Umgebung und andere Einrichtung unzulässig zu beeinflussen. Prof. Kruse vertritt an der FH-Flensburg die Lehrgebiete Elektrotechnik, Messtechnik und EMV. Nach einer Kurzeinführung folgten verschiedene praktische Versuche, um die Wirkung der EMV zu verdeutlichen.

 

4. EMV in der Schiffstechnik

Die EMV spielt auf Seeschiffen eine wichtige Rolle und wurde 1997 als schiffstechnisches Spezialgebiet erstmals in einer ganztägigen STG Vortragsveranstaltung behandelt [3]. Inzwischen ist die EMV wichtiger, denn es werden in modernen Bordnetzen von Handels- und Marineschiffen immer mehr und stärkere Komponenten der Leistungselektronik eingesetzt. Auch ist die Leistung der Drehstrombordnetze in den vergangenen 10-15 Jahren erheblich angestiegen. Daher findet die Mittelspannung bis 11.000 Volt zunehmend auf Fahrgast- und Fährschiffen, Containerschiffen mit viel Kühlcontainern und vereinzelt auch auf größeren Jachten Anwendung. Das Bordnetz und darin enthaltene elektronische Einrichtungen sind vor Störungen zu schützen, denn die allgemein als Klirrfaktor bezeichnete Störungsintensität kann sehr unangenehm sein und die Funktion anderer Baugruppen stark beeinflussen. Dass unzulässige Netzstörungen besonders bei Marineschiffen zu riesigen Problemen führen können, zeigte sich 1967 im Koreakrieg auf dem Flugzeugträger „Forrestal“ und 1982 im Falklandkrieg auf dem britischen Zerstörer „Sheffield“.

Auf der „Forrestal“ führte eine Überspannung beim Trennen des elektrischen Anlassers vom Bordnetz des Trägerflugzeuges zur ungewollten Zündung einer Rakete. Vom dadurch ausgelösten Brand fingen weitere Flugzeuge Feuer und bereitstehende Munition explodierte (Abb. 6). Dieser Unfall verursachte neben großen Schäden am Flugzeugträger den Tod von 134 Personen.

Aufgrund von EMV-Problemen bei eingeschaltetem Raketenabwehrradar war die Kommunikation der „Sheffield“ per Funk mit der Kommandozentrale in Großbritannien gestört. Daher wurde das Raketenabwehrradar zeitweise ausgeschaltet. Unglücklicherweise wurde während einer der Abschaltphasen eine feindliche Exocet Rakete abgefeuert, die letztlich zur Versenkung des Schiffes führte.

 

5. STG-Sprechtag zur elektromagnetische Verträglichkeit 2013 in Hamburg

Insider der Marine, der Zulieferindustrie sowie Hochschulen haben auf dem STG-Sprechtag "Aktuelle Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit" am 23.05.2013 in Hamburg die aktuellen Entwicklungen vorgetragen und diskutiert [4]. Zur Vermeidung von EMV-Problemen wurde die „Deutsche Norm“ für Verteidigungsgeräte VG 95 373  (Elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten) geschaffen.

Die Abb. 7 zeigt die Fregatte „Hessen“, deren elektromagnetisch relevanten Komponenten des Oberdecks rot eingekreist wurden. Die hohe Dichte von Antennen und Sensoren führt bei den Marineschiffen zu einem großen Aufwand, um die elektromagnetischen Beeinflussungen in zulässigen Grenzen zu halten.

 

6.1 Simulation der EMV auf Schiffen

Der Titel dieses Vortrages lautete „Simulationsgestützte oberschwingungsgerechte Auslegung von Schiffsbordnetzen“ und erfolgte in zwei Teilen. Im ersten Teil wurde von Dipl.-Ing. Hermann Knirsch (Sam Electronics) das von 10 Dieselgeneratoren gespeiste Bordnetz der Yacht „Eclipse“  mit der Mittelspannung von 5.500 Volt betrachtet. Die Stromerzeuger, die drei Fahrmotoren und die E-Verbraucher des Bordnetzes wurden mit Gleichungen und Differentialgleichungen beschrieben, simuliert und mit Messungen verglichen. Der dabei ermittelte Klirrfaktor stimmt gut mit der Simulation überein. Er beträgt maximal 5,5% und ist stark abhängig von der Anzahl der laufenden Dieselgeneratoren.

Ein zweites Bordnetz (Abb. 8) mit der Netzspannung von 3.300 Volt wurde mit zwei verschieden Programmen simuliert und verglichen. Von Hermann Knirsch wurde mit dem Programm „Simplorer“ gearbeitet und Prof. Dr.-Ing. G. Ackermann (TUHH) simulierte mit einem eigenen Programm. Als Ergebnis ergaben sich im 450 Voltnetz  ein Klirrfaktor von max. 5,0% bzw. 4,5% und im 3.300 Voltnetz 9,2% bzw. 9,1%. Die Übereinstimmung der Simulationsprogramme war sehr gut (Abb.  9, 10) und lag weit unter dem Toleranzbereich.

Damit wurde gezeigt, dass die Simulation bei den Vorausberechnungen von Oberschwingungen während der Anlagenauslegung ein wirksames Werkzeug darstellt. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine klare Definition der Parameter und der zu berechnenden Größen. Die erreichbare Genauigkeit wird durch die Toleranzen der Parameter begrenzt.

 

6. Zusammenfassung

Es wurde die 60. Sitzung des STG Fachausschusses Automation & Messtechnik beschrieben, die als typische Sitzung eines STG Fachausschusses gelten kann. Es gab neben der FA Arbeit einige Fachvorträge und wie bei diesen Sitzungen üblich, fungierte ein Mitglied als Gastgeber. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die Mitglieder sich besser kennenlernen und die jeweiligen Gastgeber ihre Arbeit und Produkte vorstellen können. In diesem Fall wurde neben der schiffstechnischen Ausbildung am Simulator auch das EMV-Labor besichtigt. Die gestiegene Bedeutung der EMV in der Schifffahrt ist dem entsprechenden STG Fachausschuss Elektrotechnik bekannt und 2013 wurden die aktuellen Entwicklungen in insgesamt acht interessanten Vorträgen vorgestellt und diskutiert.

 

Literatur

[1] Hochhaus, K.-H: Juchniewicz, L.; Kranz; Schmautz: Erhöhung der Wirtschaftlichkeit eines Fährschiffes durch Trimmänderung; Schiff & Hafen 1990,  Heft 2

[2] vom Baur, M.: Bordmesssysteme zur Energie- und Betriebsoptimierung: Erfahrungen und Möglichkeiten. Vortrag bei der 35.Informationstagung zur Schiffsbetriebsforschung in Flensburg  am 21.6.2013

[3] N. N.: Netzqualität, Netzrückwirkungen, EMV; Kurzfassungen der Vorträge des Sprechtages im April 1997 in Bremerhaven; STG-Jahrbuch 91. Band, 1997 Springer Verlag

[4] Hochhaus, K.-H: EMV-Probleme in Bordnetzen, 2013 Hansa Nr. 9, Seite 63