Kapitel 8

Die Latte  lebt wieder auf, erste Taufen (1948 - 1957)

Talente finden Lösungen, Genies entdecken Probleme.

Hans Krailsheimer, deutscher Schriftsteller

 

 

 

 

 

Aufruf zur Lattenspritze 1961 (Quelle Latte)

Was sonst noch so in diesem Jahr 1948 geschah

Weltgeschichte

In der Tschechoslowakei kommen die Kommunisten an die Macht.
Die Juden proklamieren am 14.5. ihren eigenen Staat Israel.

Truppen Ägyptens, Syriens, Jordaniens, Iraks und des Libanon marschieren in Israel ein.

Der Marshall-Plan hat einen Gesamtetat von 5 Milliarden US $.

England, Frankreich und die Benelux-Staaten bilden den "Brüsseler Pakt".

Deutsche Geschichte

Für das Saargebiet wird die französische Währung verbindliches Zahlungsmittel.
Deutschland erhält aus dem Marshall-Plan ca. 550 Mio. US $ an Wiederaufbauhilfe.
Luftbrücke der Westalliierten vom 24. Juni 1948 bis Mai 1949.

Die politische Spaltung Berlins ist damit vollzogen.

Das "Notopfer Berlin" (2-Pfg.-Briefmarke) wird zur Unterstützung der Luftbrücke erhoben.
Die Besatzungskosten verschlingen etwa 40% des westdeutschen Steueraufkommens.

Technikgeschichte

Die Max-Planck-Gesellschaft wird Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.
Der Klettverschluß, die Langspielplatte, der Transistor, die Holographie werden erfunden.
IBM bringt den ersten Computer mit Lochkartensteuerung auf den Markt.
Norbert Wiener begründet damit die interdisplinäre Wissenschaft der Kybernetik.

 

Kopie aus der Lattenbibel zur Dokumentation der Lattenspritze 1949 (Quelle Latte)

8.1 Erste Taufen nach dem 2. Weltkrieg   [13]

K.-H. Hochhaus

Lattenspritze, das war der Name für die Taufe der neuen Schiffbaustudenten, die nach der Immatrikulation und nach der so genannten Erkennungskneipe im Herbst im folgenden Sommer am Wannsee oder Tegeler See durchgeführt wurde. Daran waren der gesamte Lehrkörper mit Assistenten beteiligt und wurde in alter Tradition als Sportfest mit Picknick und Taufe durchgeführt. Diese Tradition wurde Ende der sechziger Jahre an der Technischen Universität Berlin kritisch diskutiert, an allen Universitäten wurden alte Zöpfe abgeschnitten und 1970 oder 1971 fand auch an der TUB die letzte Taufe statt.

Die Abbildungen zeigen sehr plastisch, wie die Lattenspritze ablief. Es waren natürlich Boote und Schiffe daran beteiligt, letztere wurden in der Regel von der Kreis- und Sternschiffahrt gechartert. Im von hübschen Wassernixen wimmelnden Reich von Neptun erhielt man den lang ersehnten Weisheitstrunk, denn sonst war das Studium nicht zu schaffen. Die vorher in langer Reihe angestellten Prüflinge wurden über die Pflichten und Rechte eines guten Schiffbauers belehrt und versprachen eifrig, ein guter Schiffbauer zu werden. Danach folgte eine Rasur und Pediküre, man wurde herrlich gebadet und gereinigt und erhielt essen und trinken. Die Teilnahme war moralische Pflicht und es gab nur wenige, die sich dieser heiligen Handlung widersetzten. Der Taufakt wurde  für den Prüfling in Form einer Urkunde mit maritimen Taufnamen bescheinigt und durch Eintragung und Unterschrift in die Lattenbibel für alle Zeiten dokumentiert.

 

Die unten stehenden Unterschriften in dem Auszug der Lattenbibel belegen die aktive Teilnahme von rund 70 Personen an dem schönen Fest. Einige der Professoren und Assistenten, auch wenn die Namen den heutigen Generationen kaum noch bekannt sein dürften, lassen sich anhand der Unterschriften identifizieren:

Amtsberg (1-1),

Strohbusch (1-3)

Sass (1-7)

Zander (1-12)

Metzmeier (2-1)

Gütschow (2-2)

Schuster (2-7)

Sney,  Schubert, Vater, Alsen, Langenberg

 

 

Auszug der Lattenbibel, Unterschriftenblatt der Teilnehmer an der Taufe (Quelle Latte)

 

8.1.1  Der Werdegang eines Lattenbruders in den 50er Jahren

Rüdiger Missalek, Burkhard Müller-Graf

 Der titellose Neuling

Die im Herbst auf den Schiffbauer-Sälen nach den Angaben des Praktikanten-Professors auftauchenden Studienanfänger wurden von den Saaldirektoren auf die Säle verteilt. Zur Verfügung standen der Fritz-Horn-Saal (der älteste und größte Schiffbauer-Saal), der von widerspenstigen Saalbrüdern Horn-Saales am 28.5.1950 gegründete und als Jan-Schütte-Saal getaufte Saal (nach dem großen Schiffbaumeister aus Oldenburg und langjährigen TH-Professor Jan Schütte) und der Hermann Föttinger Saal.

 

Der Neuling war zunächst titellos, wurde aber sofort von den Saalbürgern akzeptiert, in den Saal integriert und nahm an der von 2 Backschaftern täglich aus der Mensaküche geholten Schulspeisung teil. Der Neuling hatte sich, wenn auch mit intensiver Hilfe der 3 - 5 Semester älteren Saalbürger, um einen Arbeitstisch und einen Stuhl zu bemühen. Die Säle waren knapp an Mobiliar und konnten froh sein, einige lösch- oder regenwassergeschädigte Zeichentische zu besitzen. Zeichenmaschinen einfachster Art existierten nicht auf dem Jan-Schütte-Saal, auf den ich (Müller-Graf) im September 1950 von Konrad Czeczatka, einem früheren Wassersportfreund per Postkarte von der Ingenieurschule Wismar geholt wurde.

 

Woher nahmen wir das Mobiliar

Meine persönliche Vorstellung bei dem damaligen Saaldirektor, dem ehemaligen Leitenden Ingenieur eines U-Bootes, Jürgen Ahlbory, endete damit, daß er mich als neuen Saalbürger auf dem Jan-Schütte-Saal begrüßte und mir mitteilte, daß er mir zwar den Platz auf dem Saal, dem Raum EB 304 (oder 302) zur Verfügung stellen könnte, um Tisch und Stuhl müsste ich mich aber selbst bemühen. Wo auch nur im EB ein geeigneter Tisch oder Stuhl auf dem Gang aus irgendwelchen Gründen stehen geblieben war, wurde er sofort von den Saalbürgern eines der Schiffbauersäle konfisziert und in den Saal geschleppt und dort unauffällig unter der Sammlung eigenartiger Tischkonstruktionen "als ein hier schon immer vorhandener Arbeitstisch!" versteckt. So kam ich mit Hilfe der 1 - 2 Jahre älteren Saalbürger innerhalb von 14 Tagen zu einem sehr verzogenem Tisch, dessen Platte aus unbehandelten Obstbaumplanken bestand, die sich in Längs- und Querrichtung mehr oder weniger stark nach oben gekrümmt hatten und die etwa 2 - 3 mm breite Schwindfugen aufwiesen. Als Zeichentisch war er völlig ungeeignet und wurde Mitte der  50er Jahre gegen einen echten 2 m langen Zeichentisch eingetauscht. Dem so in das Saalleben integrierten Studienanfänger wurde im Herbst kurz vor der Erkennungskneipe, an der er aufgefordert wurde, teilzunehmen, klargemacht, daß er jetzt ein Prüflingsaspiranten-Anwärter sei. Er habe an einer besonderen Back zu sitzen, wo er unter der Aufsicht eines Zuchtmeisters und eines Notzuchtmeisters das Bier aus einer Flasche mit Nuckel zu trinken habe.

 

Erkennungskneipe

Bei der Erkennungskneipe sah der Prüflingsaspiranten-Anwärter erstmals den schiffbaulichen Lehr- Ober- und Unterkörper in voller Größe. Nach der Trinkprozedur mit Nuckel, bei der auch das Bier um die Wette genuckelt werden musste, wurde der Neuling zum echten Prüflingsanwärter. In den anschließenden Monaten wurde er vom Ordenskapitel mit Aufgaben wie der Anfertigung von Verdienstorden nach genauen Zeichnungen oder vorhandenen Vorbildern sowie mit der Vorbereitung des nächsten großen Lattenfestes beauftragt.

 

Lattenspritze, ein Sportfest für Studenten und Lehrkörper mit lustiger Taufe

Am Ende des Sommersemesters fand die Lattenspritze statt bei der die Säle und der Lehrober-, Lehrmittel- und Lehrunterkörper teilnahmen. Hierzu mietete die Latte aufgrund ihrer guten Beziehung zur Stern- und Kreisschiffahrt durch den Lehrstuhl-Assistenten Karl-Heinz Többike zu Sonderkonditionen ein etwa 100 - 120 Personen fassendes Fahrgastmotorschiff wie z. B. Die "Zehlendorf" ,"Neukölln" oder "Lankwitz".

 

Ablegen war 9:00 Uhr in Wannsee unterhalb des S-Bahn-Bahnhofes. Die zu Backschaftern auserkorenen Prüflingsanwärter-Aspiranten und Knappen hatten aus der Mensa große Alutöpfe, Bestecke und die Biergläser der HFL mitgebracht. Ebenso hatten die Backschafter ca. 120 Portionen Kartoffelsalat und 120 Paar Wiener Würstchen per S-Bahn nach Wannsee geschafft. Ebenso waren am Tag der Taufe 5 Fass Bier zu je 50 Liter mit CO2-Zapfgeräten von den bereits erfahrenen und trinkfesten Lattenbrüdern, die dort offiziell 1 Bier und anschließend von Bierkutschern zusätzliche Biere erhielten, beschafft und an Bord transportiert worden.

Eine weitere Gruppe von Lattenbrüdern war für die Sportgeräte in Form von Bällen, Tampen für das Tauziehen, Säcke und die Gipseier des Eierlaufens zuständig. Schließlich wurde noch ein hölzernes Beiboot des Akademischen Seglervereins an den Spiegel des Fahrgastmotorschiffes angehängt. Das Motorschiff, in dem jeder seinen Saal und seine Saalbrüder wieder fand, angefüllt mit flotten Reden des OK und des Lehroberkörpers drehte eine große Runde bis etwa zum Kaiser-Wilhelm Turm (heute Grunewaldturm). Es lief dann in Richtung große oder kleine Badewiese oder zum Ostufer der Pfauen-Inselenge. Der Landeplatz musste ausreichend Fläche für sportliche Wettkämpfe des Lehroberkörpers und der Säle unter- bzw. gegeneinander bieten. Vor dem Aussteigen oder Anlanden waren an Bord bereits mehrere Runden Bier geflossen.

 

Es fanden zunächst die Wettkämpfe der Professoren, das Eierlaufen und das Tauziehen gegen die Assistenten statt. Anschließend folgten die Wettkämpfe der Assistenten untereinander. Diese Vorführungen wurden kritisch von den im Sportdress herumstehenden Lattenbrüdern kommentiert. Ich kann mich noch sehr gut an das Sackhüpfen und Eierlaufen von Prof. Fritz Horn erinnern, der für sein damaliges Alter eine große Geschicklichkeit aufwies.

 

Am Ende der Sportkämpfe näherte sich von Mitte Fahrwasser kommend das Beiboot mit Neptun, Thetis, den 4 Schergen (und in späteren Jahren dem Barbier). Alle waren von weitem an dem langen Dreizack erkenntlich.

 

Aufstellung des HOK`s und der Prüflinge parallel zum Ufer mit dem Gesicht zu den Zuschauern (Quelle:Latte)

Die Vorbereitung der Taufe

 Neptun, Thetis und etwa 10 Schergen  hatten sich ca. 30 Minuten vorher mit ihren Requisiten und dem während der Fahrt streng bewachten Trank der Weisheit zu einem ca. 100 Meter entferntem Uferstreifen begeben, um sich dort ungestört umziehen zu können. Die Schergen schmierten ihre olympischen Körper mit viel Wasser mit der am Ufer vorhandenen Sand-Boden-Mischung ein und hängten sich, so vorhanden und mitgebracht, die aus gebrauchten Kartoffel-Jutesäcken geschnittenen und künstlich zerfetzten und verschmutzten Westen oder Hemden um. Die wasserlösliche weiße Schlämmkreide-Farbe wie auch, falls vorhanden, eine wasserlösliche schwarze Farbe zur Markierung der Prüflinge wurde vorbereitet und in Farbeimer mit Deckeln abgefüllt, damit die Farbe, wenn die Eimer von den Prüflingen mit Gewalt umgestoßen werden, nicht verloren gehen würde. Thetis zog ihren aus Stoff oder aus 2 Hälften einer Kokosnuss gefertigten BH über, dazu kam eine strohgelbe Perücke mit einem Dutt und mit langen Zöpfen. Sie trug dazu einen schnell abwerfbaren stark geblümten Rock. An ihrem Hals hing das aus 2 Weinflaschen zusammen gebundene und mit Bier gefüllte Fernglas. d. h. die Flaschen brauchten als Verschlüsse dichte Korken. Sie war übermäßig geschminkt.

 

 Neptun trug eine zottelige Tauwerkperücke mit integriertem Kinnbart und einem Kinnband, mit dem die Perücke am Kinn festgehalten wurde. Über der Perücke wurde eine goldfarbene sieben- bis achtzackige Krone getragen. Die Edelsteine der Krone bestanden aus den roten Bällchen der Garderobenständer, die auf den Sälen standen. Neptun hatte diese "Edelsteine" vor der großen Wasserschlacht in Sicherheit zu bringen, da sonst die Garderobenständer unbrauchbar werden würden. Neptun hatte außerdem eine Liste der Täuflinge mit sich herumzutragen. Neptun sollte möglichst keine Brille tragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Lattenspritze 1950 oder 1951, der Lehrober- und mittelkörper beim  Eierlaufen (Mitte Prof. Marx, Quelle Latte)

 

 

 

 

 

Die Taufe

 Während ein Scherge Neptun und sein Gefolge über das Wasser ruderten, hatten die Schergen die Prüflinge im Badezeug vom Zuchtmeister und Notzuchtmeister übernommen und  parallel zum Ufer mit dem Gesicht zu den Zuschauern aufgestellt und malten sie mit Quast und Pinsel an, heute wäre das auch mit einer Rolle möglich.

 

Sobald Neptun im flachen Wasser mit seinem Beiboot festsaß, wurde er von dem Jahr an, in dem die Ex-Herrlichkeit Missalek während ihrer Gießereipraxis bei der Fa. Borsig mehrere Stücke aus Grauguss hatte gießen lassen, vom Ordenkapitel mit einem oder mehreren Böllern (kleine Kanonen) begrüßt. Grundsätzlich werden Neptun und Thetis je ein frisches Bier gereicht, sobald beide auf trockenem und festem Land stehen. Nach der mehr oder weniger langen Begrüßungsrede durch seine Herrlichkeit, dem Ordensmeister, erfolgte die Gegenrede Neptuns über seine Reise zu den schmutzigen Gewässern Berlins und über seine Tätigkeit: „Die Taufe einer erklecklichen Anzahl von schmutzigen Täuflingen zur Auffrischung der Zahl der Jünger der Heiligen Frau“

 

Neptun schritt dann zur Tat, erklärt die Durchführung der Taufe, kann seine Schergen kaum noch unter Kontrolle halten und beginnt bei den Jahrgangs ältesten Prüflingen mit der Tauffrage: "Willst Du ein ordentlicher Schiffbauer  werden, dann antworte nach dem Du vom Trank der Weisheit getrunken hast, laut und vernehmlich mit "JA". Bei diesem Akt standen dem Täufling drei Schergen hilfreich zur Seite. Einer hielt den Kopf, einer schloss die Nase, einer massierte den Trank der Weisheit in den Hals. Nach dem Trank der Weisheit musste der Prüfling Thetis die Füße küssen. Anschließend wurde der Täufling mit viel Wasser vom Erdenschmutz gereinigt, von 2 Schergen untergetaucht, die sich hierfür entsprechende Taufsprüche ausgedacht hatten.

 

Wenn die Taufe an der Havel stattfand, begann nach der letzten Taufe eine Wasserschlacht bis der letzte Scherge ebenfalls untergetaucht worden war. Anschließend fand das reichlich mit Bier gewürzte Mittagessen mit Kartoffelsalat, Senf, sauren Gurken und heißen Würstchen statt. Manchmal gab es auch Bouletten. Nachmittags wurden oft noch die am Vormittag nicht durchgeführten Sportwettkämpfe beendet. Das Motorschiff brachte die Latte nach Charlottenburg an den Anleger  Die Lattenspritze endete meistens an der Anlegestelle. Auf dem nächsten Ordensfest im Herbst wurde der Prüfling durch den Zeremonienmeister zum Knappen befördert.

 

Lattenspritze,  Ergebnisse des Latten-Sportfestes

Das Völkerballturnier um den silbernen Molch der Heiligen Frau Latte beendete ungeschlagen als Sieger der Außenseiter Herman Blohm Saal! Im Tauziehen war der Fritz Horn Saal am stärksten und darf  sich dieses Jahr mit dem Büstenhalter der Heiligen Frau brüsten!  

Den Bierwendelauf entschied Komtur Linke für sich. es gelang ihm unter schärfster Konkurrenz der Lehrkörper mit einer Flasche  Patzpils zur Wendemarke zu laufen, sie dort zu öffnen und auf dem Rückwege über eine Distanz von 30 m zum Start & Ziel am schnellsten auszutrinken. Das Bierwühlen in 10 Quadratmeter märkischer Heide gewann Komtur Snay mit echtem deutschen Findergeist. Er schaufelte neben vielen leeren auch als erster eine gefüllte Büchse Bier aus dem Sand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Saaltaufe des Schütte Saals 1950 (Quelle Latte)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alleruntertänigster Gruß und Glückwunsch von der Churmarkgrafschaft Bremen

(Quelle Latte)

 

Der Saal 308 wird  Fritz Horn Saal

Am 1951 fand die Taufe des Schiffbauer-Saales 308 statt, er wurde bei einer angemessener Feier in Fritz Horn Saal umgetauft, um damit dem großen Schiffbauer Prof. Dr.-Ing. Fritz Horn noch zu Lebzeiten ein Denkmal zu setzen. Fritz Horn oder auch Hörnchen, wie er von den Studenten liebevoll genannt wurde, war  den Studenten und auch der Schiffbauervereinigung Latte wohl gesonnen und bei den Veranstaltungen ein sehr gern gesehener Gast. Das ist auch mit seinen Unterschriften in der Lattenbibel und den Saalbibeln dokumentiert, die bei den Latten- oder Saal-Veranstaltungen  als eine Art Gästebuch auslagen.

8.1.2 Rede Seiner Merkwürden Betzhold zum 71. Ordensfest der Heiligen Frau Latte am 12. Februar 1949

In Namen des Ältestenrates entbiete ich Ihnen allen, den Gästen und Lattenbrüdern den Gruss des Ältestenrates! Freudige Erregung hat uns alle gepackt, so wir vernahmen, daß die Heilige Frau Latte zu neuem Leben kommen soll. Habt Dank, Ihr lieben Prüflinge und Knappen, dass Ihr die Arbeit wiederaufnehmen und fortführen wollt, die vor 71 Jahren in der Schiffbauergilde begonnen wurde. Arm, wie die Kirchenmaus an irdischen Gütern beginnen wir den Wiederaufbau, aber reich an liebevollen, uns teuren und unvergesslichen Erinnerungen! Die freudige Überraschung wird auch draußen im deutschen Lande alle Komture, Grosskomture, alle ehemaligen Mitglieder und Freunde der Heiligen Frau Latte ergreifen!

 

Als Vorsitzender des Ältestenrates darf ich Ihnen als erster zurufen: Seid einig, habt Mut und Vertrauen! Wir halfen Euch, an erster Stelle der Ältestenrat der Heiligen Frau und mit ihm alle Lattenbrüder! – Heute gilt es, die Brücke zwischen dem Alten und dem Neuen zu schlagen! – Jeder Lattenbruder weiß, daß nur edle Ritter die Geschicke der Frau Latte leiten sollen, so wie es nun schon 70 Jahre geschehen ist. Sehr richtig, meinten daher die gewählten aber noch nicht in ihr Amt eingeführten Mitglieder des künftigen Ordenskapitels. Es kann doch wohl nicht angehen, daß drei Prüflinge und Knappen die Geschicke der Heiligen Frau in die Hand nehmen! Nein, sagte der Ältestenrat! – Aber wir haben doch keine Ritter! – Dann machen wir eben Ritter! – Und so soll es sein, darum dieses Vorspiel, darum steht hier der Ältestenrat vor Euch allen, und Ihr seid Zeuge des Ritterschlages. Doch bevor das stellvertretende Ordenskapitel zu dieser wichtigen Amtshandlung steigt, stärkt sich das hohe stellvertretende Ordenskapitel.

 

Wir trinken auf das Wohl der Heiligen Frau Latte! …….

 

Auf die freundlichen Worte seiner Excellenz, des jüngsten Kanzlers der Heiligen Frau Latte, möchte ich als Vorsitzender des Ältestenrates einiges antworten. Eine ganz große Freude ist allen Mitgliedern der Heiligen Frau Latte durch die Nachricht vom Wiederaufleben des Ordenskapitels und der alten Lattenbräuche geworden. Dafür Dank allen denen, die ungenannten Anteil haben an dem Wiedererstehen der jedem Lattenbrüder ans Herz gewachsenen Gepflogenheiten. Die lieben trauten Erinnerungen an unsere Studienzeit werden wieder lebendig, die Zusammenarbeit auf den Zeichensälen, die Saalkaffees in der Frühstücksstube der Technischen Hochschule, die Saalweisen, die Erkennungskneipen, die lustigen Lattenspritzen, die Ordensfeste, das freundschaftliche Verhältnis mit den Professoren und Assistenten, die Besichtigungsreisen nach Hamburg, Bremen, nach dem Industriegebiet und an den Rhein, die vielen schönen Wiedersehen auf den Lattenkneipen der Markgrafschaften in Hamburg, Kiel, Stettin, Danzig und die schönen Ordensfeste in Berlin.

 

Besonders lebhaft sind die Erinnerungen an die Festtage des 50-jährigen Bestehens der Heiligen Frau Latte im Februar 1928. Leset Ihr Jungen Lattenbrüder die Festschrift aus jener Zeit, sie gibt ein schönes Spiegelbild jener Zeit, der Blütezeit der Latte, des deutschen Schiffbaus! Damals an 300 Schiffbaustudierende in etwa 10 Sälen, heute seid Ihr gute zwei Dutzend in einem Saale zusammengelegt! – Damals, also vor 21 Jahren entstand auf Anregung des Festausschusses, dem die beiden Geheimen Marineoberbauräte Hüllmann und Brinkmann, Prof. Krainer und ich selbst angehörte, der erste Ältestenrat. Er konnte aus den Überschüssen des Jubiläumsfestes viel Gutes stiften. Da wurden erstmal die Säle mit Straklatten versehen und mit Stahllinealen, die der Größe der damaligen Kähne angepasst waren, Planimeter und Integratoren. Und die Lattenbibliothek, die 1905, von mir und meinem Ordenskapitel gegründet war, erhielt im Laufe der Jahre sehr erhebliche Zuschüsse für die Beschaffung der vielen Fachzeitschriften: Schiffbau, Werft und Reederei, VDI, Wassersport, Jacht, Engineering usw.

 

Zuchtmeister lass nun die Prüflinge Gross und Assmann und den Knappen Koelle von einigen Prüflingen und Prüflingsanwärtern hierher geleiten. Kanzler Walte Deines Amtes und gebe ihnen wie beschlossen, hier vor Zeugen den Knappen und den Ritterschlag! Wir begrüssen namens der Heiligen Frau Latte die neuen edlen Ritter! Gehet hin und tut nunmehr als edle Ritter Eure Pflicht, als gewählte und bestätigtes Ordenskapitel im 72. Lebensjahr der Heiligen Frau Latte! Rechtfertigt das in Euch gesetzte Vertrauen! – Wir begrüssen Euch, indem wir nach altem Lattenbrauch mit Euch trinken:

 

Aufs Wohl der Heiligen Frau Latte!.

 

Nachdem dieses geschehen, singen wir das alte, immer neue Lied der Seeräuber, als Übergang zum Einzug des neuen Ordenskapitel. Die inzwischen auf drei Mann angewachsene Geschwaderkapelle deute die Weise an.

 

Vers 1 bis 4 …

 

Ruhe im Reich für den Einzug des Ordenskapitels.

 

 

 

 

 

Das frugale Mahl – Erbswurst auf  dem Arbeitssaal AB 308. Wolfgang Walter im 5.  Semester, März 1953 (Quelle Walter)

 

 

 

8.1.3 Zum Studium von Rostock nach Berlin und auf die TENERIFE der OPDR (1950)

 Wolfgang Walter

 Im Sommer 1950 hatte ich meine Berufsausbildung als Schiffbauer bei der Neptunwerft in Rostock beendet, kurz darauf meine Aufnahmeprüfung für die TU-Berlin wohl ganz ordentlich bestanden und nach der Zusage eines Studienplatzes packte ich in Rostock meine Koffer. Es war damals noch überhaupt kein Problem, dort in den Zug zu steigen und nach Westberlin zu fahren. Das kleine Häuflein der bereits vorhandenen Schiffbaustudenten half mir bei den ersten Besorgungen und beim Eingewöhnen in der neuen Welt, wir waren immerhin zwölf neue in unserem Jahrgang.

 

Praxis auf der TENERIFE

 Doch nicht davon will ich berichten, sondern davon, wie der frisch gebackene Schiffbaustudent zur Seefahrt kam. Denn ich wollte möglichst bald herausfinden, wie ein Schiff funktioniert. Das war 1950 mangels Masse noch nicht so einfach. Ohne große Fürsprache bewarb ich mich bei der OPDR in Hamburg und wurde als Assi ohne Bezahlung für die TENERIFE angenommen. Das Argument war sinngemäß, wir müssen doch dem hoffnungsvollen Nachwuchs eine Chance geben.

 

Ordensmeister Jöns hilft

 Der Papierkram war umfangreich. Nicht nur Seefahrtsbuch, sondern auch Interzonenpass, Interimspass und das teure Flugticket (ich durfte als in Westberlin studierender Ostbürger ja nicht über die Zonengrenze) mussten besorgt werden. Viel wichtiger war aber die Frage, was man denn alles an Bord braucht. Wie lebt man da? Was muss man mitbringen? Was für Leute trifft man da? Eine unvergessene Stütze war mir dabei unser damaliger Ordensmeister Jöns. Er hatte einige Jahre Kriegsmarine hinter sich und wusste alles, was mir fehlte. "Das Wichtigste ist ein Messer! Das braucht man an Bord immer!" Ein in seinen Augen akzeptables Messer habe ich mir dann besorgt und nie gebraucht.

 

Seefahrt macht mehr Spaß als das Studium

 Wirklich wichtig, und ebenso unvergessen, war seine Verpflichtung: "Aber komm bloß wieder! Die Seefahrt macht mehr Spaß als das Studium!" Das konnte ich damals nicht so recht begreifen, aber ich habe es seiner Autorität versprochen. Als ich dann auf See war und hinter dem Horizont, weit weg, das mickrige Nachkriegsdeutschland ahnte, da dämmerte mir, dass es außer Spaghetti, Erbswurst und Romadour auf dem Arbeitssaal EB 308 in der übrigen Welt eine ganze Menge Verlockungen gab, von denen ich nichts wusste. Nun, es blieb später nicht bei der einen Reise, aber trotz aller Bemühungen unserer engagierten Professoren hat mir die „Universität Schiff“ viel gebracht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teilnehmer beim Besuch von der Bremer Kurmarkgrafschaft 1954 (Quelle Latte)

 

 

 

 

 

Bild zum 75 geburtstag (Quelle Latte)

 

8.1.4  Die Latte wird 75 Jahre [13]

 Im Jahr 1953 wurde der 75. Geburtstag der Heiligen Frau Latte gefeiert und das Fest wurde entsprechend vorbereitet. Hier und besonders bei dem 50. Geburtstag wird sichtbar, wie frühzeitig und aufwendig die Feste vorbereitet wurden. Dabei wird deutlich, daß diese Zeit im Studium und zur Finanzierung des Studiums fehlte. Andererseits mussten engagierte Ordensmeister ihre Mitstudenten motivieren, ihr Organisationstalent beweisen und ausbauen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. So ist es kein Wunder, daß diese auch später in der Industrie oder Behörden herausragende Positionen erringen konnten, sie hatten es parallel zum Studium gelernt. Da die meisten der Lattenjünger als fertige Schiffbauer und Schiffsmaschinenbauer Mitglied in der STG  wurden, gab es von jeher eine enge Verbindung zu dieser Gesellschaft. So wurde auf der STG-Tagung 1952 eine gut vorbere

 

itete Grußbotschaft übergeben, um auf das Fest aufmerksam zu machen, mehr noch, um auch die Finanzierung zu sichern, dazu diente folgender Spendenaufruf: 

 

***

 

 

 

 

 

 

 

Auf dieser 2. Seite konnten sich die angesprochenen Spender eintragen und die Höhe des Spendenbetrages vermerken. Hiermit wurden gezielt die Freunde (Vertreter der Werften und Institutionen)  angesprochen mit einem, wie wir sehen, ausgesprochen guten Ergebnis.

 

 

 

 

 

Die Heilige Frau Latte an ihre Freunde auf der STG-Tagung

 Johannes Beutel, K.-H. Hochhaus

 (Beispiel für eine Bitte um Spenden an die  STG-Hauptversammlung Seite 1)

  „Die Heilige Frau Latte zu Berlin sieht in nunmehr kurzer Zeit ihrem 75. Ordensfest entgegen, welches an der Stätte ihrer Geburt von ihren treuen Jüngern Anfang März 1953 in würdiger und festlicher Form gefeiert  werden soll. Der Festausschuß hat in Zusammenarbeit mit dem Ältestenrat der Heiligen Frau und dem Ordenskapitel ein umfangreiches Festprogramm entworfen und plant die Herausgabe einer Festzeitschrift. Da zu diesem Vorhaben noch ein großer Teil der Mittel fehlt, wendet sich die Heilige Frau mit der Bitte an Sie, die Finanzierung des Ordensfest zu unterstützen. Die Unterzeichneten hoffen auf Ihr Verständnis und danken im Voraus.“

 

Gez. für den Ältestenrat, für das Ordenskapitel und für den Festausschuß

 

Die Geburtstagsfeier

Die Schar der Gäste und Abordnungen bei der Geburtstagsfeier war groß. Grußbotschaften, teils liebevoll auf Urkunden geschrieben, wurden feierlich übergeben und vom Geburtstagskind würdevoll empfangen. Einige der Lattenritter und  Komturen, die gerne gekommen wären, brachten das gereimt und formvollendet (wie z. Bsp. die Emder) wie folgt zum Ausdruck:

 

Emdens Gruß und Wunsch zum 75.

 Es schmort betrübt die Markgrafschaft

Ostfriesland zu Emden im eigenen Saft

Wie gerne würden wir huldigend ziehn

Zu unserer Heiligen Frau nach Berlin

 

Leider ist uns dies nicht möglich,

 Die Industrie gebraucht uns täglich,

Und als Tonnage-Erzeuger mitnichten

Müssen wir auf die Reise verzichten

 

Dieweilen sie, die dem Schiffbauerstamme

 Die Weisheit einpumpt als vollbrüst`ge Amme

Wird heute gefeiert im Lattenorden

Denn sie ist 75 geworden

 

Doch blieb sie, wie einst auch die Tochter in Danzig

 So strahlend und jung noch wie mit 20

Trotz vieler harter Schicksalsschläge

Wurde sie niemals mutlos und träge

 

Wir alle wollen sie weiter hochhalten

 Das können aber nicht nur wir Alten

An Euch, Ihr Jungen dringt unser Ruf:

Vergeßt nicht den Geist, der die Latte einst schuf

 
  Und wenn Ihr nur das Äußere seht,

 Den tieferen Sinn noch nicht versteht,

Dann fragt nur die alten Schiffbau-Väter

Der wahre Wert zeigt sich erst später

 

Wir wollen im Geiste Ihr Bildnis bekränzen

Und gleichermaßen einen lenzen

Als säßen wir in Euer Mitten

Ordensgeschmückt und wohlgelitten

 

Prosit! Es lebe die heilige Frau so,

es lebe das Ordenskapitel genau so

Und unsere hehre Markgrafschaftmasse

Sowie die leere Markgrafschaftkasse

 

Prosit! Es leben die Ritter und Knappen,

Die Anwärter, so im Dunkel noch tappen,

Die Gratulanten von fern und nah,

 Teils in absentin und teils da!

 

Die Latte blühe immerdar!!!

 Wir trinken als treue Emder Schar

Auf das, was uns heute am wichtigsten schien:

Die HEILIGE FRAU und unser BERLIN!

 

Diese Urkunde wurde in Emden im März 1953 gesiegelt und mit 19 Unterschriften versehen und zeigt deutlich die enge Verbundenheit mit der Latte und den Studenten in Berlin.

 

 

 

 

 

 

Die neuen Saalbürger stellen sich vor (Quelle: Saalchronik Jan Schütte Saal)

 

 

8.1.5 Das Leben der Schiffbaustudenten in Berlin [13]

N. N.

Es gibt doch sonderbare Bräuche auf Gottes schöner Welt - und die auf See sind nicht die schlechtesten. Schon beim Wasser fängt es an -Feuchtigkeit von außen muss mit Feuchtigkeit von innen bekämpft werden. Hat nun einmal jemand die Absicht, diesem Kreise beizutreten, so ist es nur zu seinem Vorteil, wenn er beizeiten die Gepflogenheiten alter Seebären kennenlernt.

 

Daß an der Waterkant wetterfeste Gestalten herumkrebsen, nimmt nicht wunder, daß sich aber auch in der großen Stadt Berlin so ein Völkchen herumtreibt, ist höchst erstaunlich. Wurde ich doch neulich von so einem Anhänger Neptuns inSchlepptau genommen, um die heiligen Gefilde seines Wirkungsbereiches näher kennenzulernen. Da standen wir nun vor einer Tür mit buntbemaltem Schild "Saal 308". Auf unser Klopfen ertönte von innen eine tiefe Stimme "Keiner da!" .Daraufhin kramte mein Mitnehmer einen Schlüssel aus der Büx und Sesam öffne Dich. "Schott dicht! - Es zieht!" war die Reaktion. Der erste Eindruck: Hier riechts verdammt nach Arbeit.

 

Ich dachte ans Feiern. An einer Anzahl großer Tische saßen einige Gestalten in seltsam gekrümmter Haltung. Komische Eisenklötze, krumme und gerade Holzleisten auf den Tischen und Papier, endlos viel Papier. An den Wänden zahlreiche bunte Flaggen- Grüsse der Reedereien - erklärte mein Schatten - und Zeichen überstandener geselliger Stürme in Form von tiefsinnigen Bildern, dass selbst Picasso bei ihrem Anblick vor Neid erblassen müsste. Noch herrschte Ruhe, doch plötzlich, es war kurz vor Mittag, kam Leben in die Bude. Der Hunger  trieb das Völkchen aus allen Richtungen zusammen. Junge, Alte, Frohe, Ernste, Dicke, Dünne -alles da! Zwei keuchende Backschafter schleppten einen grossen Topf voll dampfenden Inhalts an. Alles schnupperte, „Was gibts?" - "Bohnensuppe". 

 

Da erklang der Ruf "Wahrschau, es wird, geglast“ und vier Doppelschläge einer großen Glocke ließen das Gebäude erzittern. Nun konnte jeder die erlernte Virtuosität des Minensuchens" auf dem Grund des Topfes unter Beweis stellen. Die erste Erfolgsmeldung löste ein Freudengeheul aus: "Es ist auch Fleisch drin!" Vier Mann drückten plötzlich den Daumen auf die "Back" und riefen "Zahlen“, und zehn Pfennig Strafe vermehrten den Bestand der  Saalkasse.

Was war geschehen? Ein ganz Hungriger konnte dem würzigen Duft des Bohnenwassers nicht mehr widerstehen und kostete vom heißen Nass, bevor die autoritäre Stimme des Saaldirektors "Mahlzeit" gewünscht hatte.

 

Ja, es herrscht Zucht und Ordnung, und wehe dem, der sie nicht einhält Die schmerzlichste Strafe ist das "Zahlen" , denn nichts tut dem Studiosus so weh, wie die Verminderung seiner ohnehin schmalen Kasse. Wenn einer den schweren Drang spürt, der Gemeinschaft etwas mitzuteilen, so hat er beim Essen die beste Gelegenheit. "Ruhe im Reich für mich" steht am Anfang jedes geistigen Ergusses, und alles lauscht mehr oder minder teilnahmsvoll dem nun folgenden Redeschwall, der mit Ruhe im Reich aus; es kann weitergesnakt werden, endet. Erst nach dem erneuten Tischglockenzeichen dürfen sich die satten Leiber von der Back erheben.

 

 

Die Pflicht ruft, und schweren Herzens verschwindet ein großer Teil der Jünger, um sich die in den Hörsälen vorgesetzte geistige Nahrung einzulöffeln. Der verbliebene Rest besinnt sich seiner Bestimmung und bald rauchen die Köpfe von hineingepumptem Wissen. Da dies nicht immer lautlos vor sich geht, sah sich ein verzweifelt an einer Maschine Kurbelnder genötigt, den Notschrei „Saalruhe!“ von sich zu geben. Und dies in einer Lautstärke, daß ein Nichteingeweihter vor Schrecken vom Stuhle gefallen wäre. Der Kommandoton, wirkte Wunder, der Radau verstummte tatsächlich. Damit sich die armen Seeleute auf dem Ozean nicht so verloren vorkommen, hat ja der gute Marconi das Radio erfunden. Diese dankenswerte Rolle spielt auf dem Saal das Telefon. Ein äußerst wichtiges Instrument, mit dessen Hilfe die holden Nixen jederzeit die in ihrer Arbeit allzu versackten "Lords" daran erinnern können, dass man sich ab und zu auch anderen netten Dingen überlassen kann. Die Stunden vergingen, langsam wurde es Abend. Da ließ mich ein Klang aufhorchen - war das nicht das wohlbekannte Geräusch beim Entkorken einer "Pulle“? Tatsächlich, in einer Ecke saßen einige durch die Mühen des Tages vollständig erschöpfte Kämpen und hatten vor sich den Geist in verdünnter (oder konzentrierter?) Form, an dem sie sich materiell zu laben gedachten. Mein Besuch stellte ja einen ausreichenden Grund dazu dar. "Wir aber, wir aber trinken auf das Wohl der Heiligen Frau La-a-tte, Pro-o-sitl" ertönte ein rauher Chor, und dann erst lief der gute Tropfen durch die ebenso rauhen Kehlen.

 

Nun kam nach des Tages Plage die Geselligkeit zu ihrem Recht. Es war so recht gemütlich im Kreise dieser Leutchen, die neben der hohen Wissenschaft nicht ihre   Jugend vergaßen. Und der herzliche Ton ließ auf einen nicht allerorts anzutreffenden Gemeinschaftsgeist schließen, zum großen Teil das wertvolle Ergebnis, das aus manchmal langjähriger Seefahrt und aus dem Erlebnis der Kameradschaft an Bord eines auf hoher See schwimmenden Schiffes entstand. Ein Hauch des freien Meeres - weit, weit in das Binnenland verpflanzt durch die Liebe eines kleinen Häuflein junger Menschen zu See, Schiff und Hafen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ordenszeitung 1957 (Quelle Latte)

8.1.6 Soziale Schichtung der Studenten

 Burkhard Müller-Graf

 Die ersten Studenten nach dem Krieg hatten ihr Vordiplom bereits absolviert oder waren Angehörige der Kriegsmarine und hatten ihr Kriegsvordiplom bis 1944 erworben. Sie hatten in der Regel keinen Beruf, sondern lebten entweder von der Unterstützung ihrer Eltern oder vom Schwarzmarkthandel. Die Zigaretten dafür erwarben sie von den alliierten Soldaten oder sie verdienten Geld durch den Verkauf von schiffbaulicher Fachliteratur an russische Marinesoldaten. Nach 1950 kamen zunehmend zivile Studenten mit einem normalen Abitur und die Studenten, die aufgrund der Kriegsteilnahme und  Notabitur (Reifevermerk) nicht  mehr zugelassen wurden. Nach Erwerb des Abiturs und Bestehens der Aufnahmeprüfung, im Schiffbau bestand seinerzeit der Numerus Klausus, konnten sie das Schiffbau- und Schiffsmaschinenbaustudium an der TU-Berlin aufnehmen. Da die meisten Familien ihre studierenden Kinder nicht unterstützen konnten, mussten die Studenten sich irgendwie über Wasser halten. Selbst seine Magnifizienz (Rektor) kaufte seine Schwarzmarktzigaretten bei den Studenten.

 

Die nächste Gruppe der Studienanfänger hatten ihr Abitur auf dem normalen Wege erworben, sie kamen je etwa zu einem Drittel aus Berlin, aus den Westzonen und aus der Sowjetzone. Auch sie mussten durch die Aufnahmeprüfung und wurden vom Praktikantenprofessor auf die beiden Schiffbauersäle im EB verteilt. Nach der Währungsreform war kein Schwarzmarkthandel mehr möglich

 

Die nchste Gruppe der Studienanfänger hatten ihr Abitur auf dem normalen Wege erworben, sie kamen je etwa zu einem Drittel aus Berlin, aus den Westzonen und aus der Sowjetzone. Auch sie mussten durch die Aufnahmeprüfung und wurden vom Praktikantenprofessor auf die beiden Schiffbauersäle im EB verteilt. Nach der Währungsreform war kein Schwarzmarkthandel mehr möglich

 

Ein Teil der  Studenten erhielt von der Latte ein von Rudolf Blohm gestiftetes Stipendium. Die Studenten aus der  Sowjetzone erhielten das so genannte Währungsstipendium vom Berliner Senat in Höhe von 60 DM und durften ihre Studiengebühren in Ostmark bezahlen. Ein weiterer Teil der Studenten, vorwiegend aus den Westzonen, wurde von ihren Eltern unterstützt, die inzwischen am wirtschaftlichen Aufschwung teilnahmen. Ein sehr kleiner Teil profitierte von den sehr günstigen Wohn- und Lebensbedingungen in Ostberlin und studierte jedoch an der TU in Westberlin.

 

Das reichte nur für wenige Studenten zum Leben, auch wenn die Unkosten für das Studium (Grundgebühr 80 DM, Studiengebühren pro Fach etwa 2 - 10 DM und der Sozialbeitrag von 27 DM im Semester) im ersten Blick relativ gering waren und das Mittagessen in der Mensa für Studenten darin enthalten war. Die obige Abbildung  ergab 166 DM als Studiengebühren für 1951, bei Berücksichtigung der Geldentwertung, ein Facharbeiter verdiente etwa 250 DM, ergibt sich bei heute (2008) 2.500 Euro etwa der Faktor 20, d. h. die Studiengebühren kosteten etwa 2500 Euro pro Semester.

 

Abbildung 26: Bis 1957 haben sich die Preise für Übungen und Vorlesungen nicht geändert (Foto Dr. Hochhaus)

 

Das Essen wurde für jeden Saal täglich von zwei Backschaftern  aus der Kombüse der Mensa in großen Aluminiumtöpfen mit Kelle geholt und der Saaldirektor gab mit dem Ruf „Mahlzeit“ das Startzeichen zum Essen. Die leeren Töpfe wurden von den regelmäßig wechselnden Backschaften danach zurückgebracht. Die Organisation der Backschaft erfolgte durch den Backschaftsdirektor. Die Miete der Studentenbuden lagen etwa um 20 bis 35 DM, für viele Frauen von großen bürgerlichen Wohnungen ein wichtiger Nebenverdienst zum Überleben.

 

Ab Mitte der 50-ger Jahre wuchs die Zahl der Studenten aus den Westzonen, die vorwiegend von ihren Eltern reichlich unterstützt wurden und die sich alle für das Studium notwendigen Hilfsmittel wie Kurvenkästen, Latten und Planimeter leisten konnten. Dadurch verringerte sich ihre Abhängigkeit von den Sälen und auch die Bereitschaft an den Gemeinschaftsarbeiten und den gemeinsamen Umtrünken teilzunehmen.

 

Zahl der Studenten [2, 3]

 K.-H. Hochhaus

 Um 1950 gab es in Deutschland rund 26.000 Studenten an den technischen Hochschulen, davon rund 4.300 Studenten im Maschinenbau. An der TU waren es  1950/51 rund 3.200, davon 405 Studenten im Maschinenbau. Nimmt man die Schiffstechnikstudenten mit 5-10% an, so dürfte die Zahl der Schiffstechnikstudenten  um 30 bis 50 gelegen haben. Insofern ist die Saaltaufe am 30. April 1951 ein wichtiges Ereignis. Der Saal 308 wird Fritz Horn Saal.                                                                                   

  8.2  Eröffnungsfeier der Technischen Universität Berlin- Charlottenburg  1949

 (Texte und Daten aus der TU-Jubiläumsschrift und der TU-Chronik [2])

 Eine neue Studienordnung als Ergebnis der Reformdiskussion tritt  im Oktober 1948 in Kraft. Neben dem technischen Fachstudium muß ein Humanistisches Begleitstudium absolviert werden, innerhalb dessen auch Prüfungen abzulegen sind. (Es wird 1968 wieder abgeschafft.)  Am 1. Juni 1949 kehrt die TU Berlin in die Zuständigkeit des Westberliner Magistrats zurück. Die Wiedererstehung des Studentenwerks Charlottenburg e. V wird gefeiert und die TUSMA (Telefoniere und Studenten machen alles) zur Unterstützung von finanziell schlecht gestellten Studierenden wird gegründet.

 

1949 war ungefähr die Hälfte der früheren Nutzfläche wieder verfügbar. Bescheiden war die Eröffnungsfeier am 9. April 1949, und bescheiden war auch die Berichterstattung in der Presse.

 

8.2.1 Das 150. Gründungsjahr der Bauakademie

 1949 wird eine Feier aus Anlaß des 150. Gründungsjahres der Bauakademie begangen, eine der Vorläufer-Einrichtungen der TU. Anfang der 50er Jahre begannen die aus Mitteln des Marshall-Plans finanzierten Bauarbeiten des Hauptgebäudes. Die "taberna academica", der im Krieg unzerstört gebliebene Mensaraum der Universität, wird als Gaststätte und Tanzlokal zum Treffpunkt der Universitätsangehörigen. Der materielle Aufbau beginnt mit freiwilligen Arbeitseinsätzen.

 

1950 erfolgen die offizielle Gründung der Humanistischen Fakultät und die  Genehmigung einer "ausgebauten Studienreform" seitens der Kultusbehörde. Das als vorbildlich angesehene humanistische Studium bringt für die Studenten eine Mehrbelastung mit sich und findet an anderen Technischen Hochschulen und Universitäten viel Lob, aber keine Nachahmung. Die Arbeitsaufnahme des Akademischen Auslandsamtes an der TU Berlin und der Beginn des regulären Leihbetrieb der Universitätsbibliothek beginnen 1951. 1953 kann der zum Garten orientierte Teil des Hauptgebäudes wieder bezogen werden.

 

1. Etappe des Wiederaufbaus abgeschlossen (Ernst Reuter, Theodor Heuss 1953)

 Am 15. April 1953 feierte die Hochschule unter Beteiligung des Bundespräsidenten Theodor Heuss und des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, den Abschluß einer ersten Etappe des Wiederaufbaus des Hochschulgeländes, insbesondere der Wiederherstellung des zum Garten gelegenen Teils des Hauptgebäudes. Aus der Ansprache Ernst Reuters:

 

"Unsere Zeit ist einmal, ich glaube vom Herrn Bundespräsidenten sogar, eine glanzlose Zeit genannt worden. Und doch tragen wir in uns das innere Leuchten, das innerliche Leuchten einer glanzvollen Zeit, einer Zeit, in der ein Volk aus tiefster Not, aus tiefster Erschütterung seiner materiellen Existenz, seines sozialen Gefüges und seines moralischen Gleichgewichtes sich selber wiederfand, einer Zeit, in der die Wiedergeburt eines Volkes in den Mauern dieser Stadt sich symbolisiert. Meine Herren von der Technischen Universität, und die Vertreter der anderen Hochschulen, seien Sie dessen versichert, in diesem Berlin, im Herzen unseres Vaterlandes ist die Überzeugung tief verankert, daß wir alle materiellen Anstrengungen werden auf uns nehmen müssen, um unsere Schulen, unsere Erziehungsanstalten und unsere Universitäten als ihre letzte Krönung so zu entwickeln, daß dieses fleißige, arbeitsame Volk die Wissenschaft gebrauchen kann und die Wissenschaft entfalten kann, weil ohne Wissenschaft im modernen Leben der Völker eine freie, unabhängige, selbständige Existenz nicht möglich ist."

 

1954 erhält Konrad Adenauer die Ehrendoktorwürde der TU-Berlin und 1956 verabschiedet das Berliner Abgeordnetenhaus das Unigesetz "Gesetz über die TU Berlin". Dadurch  ist die Universität nicht mehr eine Dienststelle des Senats, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie kann weitgehend selbständig über ihre Finanzmittel verfügen.

 

 

 

 

 

 

Werbung für die Firma Kugelfischer in der Ordenszeitung  1957 (Quelle Latte) 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schütte Saal EB 232, am Fenster standen die Zeichenmaschinen (Quelle Latte)

 

 

 

 

 

 

8.3  Lehrer ab 1948 bis 1957 [2, 4]

1950-74                  Strohbusch, E. (Dr.-Ing., 1950 Lehrauftrag, 1954 außerordentlicher  Prof., o. Prof.) Schiffselemente,  Praktischer Schiffbau und Entwerfen von Schiffen

1950-78                   Metzmeier, E.  (Dr.-Ing., o. Prof. vorher Obering. bei Schnadel) Statik der Schiffe

1951-55                   Klindwort, E. (Dienstzeit mit Unterbrechungen, Dr.-Ing., o. Prof.) Schiffselemente und Entwerfen von Schiffen

1952-71                   Amtsberg, H. (Dr.-Ing., 1952 Leiter der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffahrt, Berlin, o. Prof. , silberne und goldene Denkmünze der STG)

Theorie des Schiffes        

1954-73                   Eichhorn, H. (1958 Promotion, 1962 Habilitation, 1965 apl. Professor)  Lehrauftrag   Elekt.Anlagen    

 

 Erwin Strohbusch (1904 - 1980), Schiffsentwurf

Strohbusch wurde am 8. September 1904 in Berlin geboren, absolvierte nach dem Abitur eine praktische Ausbildung bei den Vulkan-Werken, Blohm + Voss und der Marinewerft Wilhelmshaven (1922 bis 1927). Er studierte Schiffbau an der TH Berlin-Charlottenburg (1923 bis 1929) und promovierte dort 1931 über ein Mitstrom-Thema. Sein anschließender beruflicher Werdegang war zunächst geprägt durch Tätigkeiten bei der Marineleitung und danach bei der Instandhaltung und Umbau der Großschiffe. Es folgten Beschäftigungen als Dezernent beim deutschen Minenräumdienst (1945 bis 1946) und beim Ingenieurbüro für Fischereifahrzeuge (Romberg 1946 bis 1950).

 

1950 wurde er  an die Technische Universität Berlin berufen. Zuerst als Lehrbeauftragter für Fischereifahrzeuge, später (1953 bis 1957) als außerordentlicher Professor für das Lehrgebiet Schiffselemente und schließlich ab 1957 als ordentlicher Professor für „Praktischen Schiffbau“. Ab 1965 wurde der Lehrstuhl wieder in „Entwerfen von Schiffen„ umbenannt, da Klindworth emeritiert wurde. Bis zu Strohbuschs Emeritierung 1972 und noch darüber hinaus bis zu seinem endgültigen Ausscheiden 1974 war er als Professor für Entwerfen von Schiffen und Schiffselementen dann sehr engagiert tätig. Seine Gabe, das Wesentliche in wenigen Worten zu erklären, kam bei den Studenten an und seine Tafelskizzen verdeutlichten mit wenigen Strichen auch komplizierte Zusammenhänge

 

Nach Kriegsschiffbau und Fischereifahrzeugen verstand er es, auch den Handelsschiffbau in Lehre und Forschung umfassend zu befruchten, indem er den evolutionären Übergang vom "Frachter" zu verschiedenen Spezialschiffen dem Studierenden zugänglich machte und in diesem Zusammenhang auch eine Anzahl namhafter Promotionen mit sicherer Hand förderte. Er stand der Latte sehr aufgeschlossen gegenüber, beteiligte sich gern an deren Aktivitäten und sorgte besonders in der schwierigen Phase Anfang der 70ger Jahre dafür, daß Sach- und Geldwerte der Latte für die Studenten erhalten blieben.

 

Erwin Metzmeier (1913 - 1978)

Metzmeier studierte ab 1935 in an der TH Berlin Schiffbau, ging zur Kriegsmarine und war hier auf den Gebieten der Statik von Schiffen und Schwingungen tätig. Er promovierte 1942 und war ab dieser Zeit nebenamtlich an der TH als Oberingenieur  am „Lehrstuhl für Statik und Elemente der Schiffe“ beschäftigt. Nach der Habilitation  wurde er 1950 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl „Statik der Schiffe“ berufen, den er bis zu seinem Tode 1978 leitete.

 

Hans Amtsberg, (1905 - 1976)

Amtsberg wurde am 28. Apri11905 in Berlin geboren und studierte an der TH in Berlin Schiffbau. Vor dem 2. Weltkrieg war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau in Berlin und während des Krieges beim Oberkommando der Kriegsmarine tätig und übernahm in der letzen Phase bis zum Kriegsende die Leitung der Wiener Schiffbauversuchsanstalt. Nach dem Krieg arbeitete er als Oberingenieur an der TH, die 1949 als Technische Universität Berlin-Charlottenburg neu eröffnet wurde.

 

1952 erhielt er seinen Ruf zum Ordinarius für das Fachgebiet "Theorie des Schiffes", das er zwei Jahrzehnte in Forschung und Lehre sehr erfolgreich vertrat. Neben der Liste der Begriffe, Definitionen Symbole der Schiffshydrodynamik, die er im Rahmen der Internationalen Konferenz der Schiffbauversuchsanstalten (ITTC) erarbeitete, sei insbesondere die bemerkenswert sachliche Darstellung seines Beitrages zur hydrodynamischen Forschung genannt, die im Jubiläumsband zum 75-jährigen Bestehen der Schiffbautechnischen Gesellschaft erschien. In der STG leitete er sechs Jahre lang erfolgreich den Fachausschuss "Hydrodynamik", war von 1967 - 1974 Vorsitzender des Technisch-Wissenschaftlichen Beirats und Mitglied des Vorstands bzw. Vorstandsrats der STG.

 

Hans Eichhorn (1902 - 1988)

Hans Eichhorn wurde am 29. August 1902 in Schlesien geboren. Nach dem Studium der Elektrotechnik an der TH Breslau kam er 1931 zur BBC Mannheim und beschäftigte sich als Prüffeldingenieur zum ersten Mal mit den Problemen des dieselelektrischen Schiffsantriebs. Später arbeitete er dann an der Projektierung und Ausführung von Bordanlagen für Schiffe. 1936 wechselte Hans Eichhorn zur AEG, Abteilung Schiffbau und leitete dort zunächst die Arbeitsgruppe für elektrische Propellerantriebe. Unter seiner Mitwirkung entstanden in den 30ger Jahren die bekannten diesel- bzw. turboelektrischen Antriebe der Elektroschiffe PATRIA, HELGOLAND, ORIZABA, ARAUCA und ANTILLA der Hapag sowie einer Reihe anderer Spezialschiffe. Nach 1945 übernahm Hans Eichhorn die Verbindungsstelle der AEG Abteilung Schiffbau in Berlin über den gesamten Bereich der E-Ausrüstung für den Schiffbau. 1961 wurde er Leiter der Entwicklungsabteilung in Hamburg. Dieser Abteilung stand er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1970 vor. Eichhorn hat sich um den Aufbau und die Entwicklung im Bereich Schiffbau große Verdienste erworben. Sein Ideenreichtum und sein nicht zu bremsender Tatendrang ist vielen ehemaligen Mitarbeitern in lebendiger Erinnerung.

 

Seit dem Sommer 1954 nahm Hans Eichhorn trotz seiner hauptamtlichen Tätigkeit bei der AEG eine Lehrtätigkeit an der TU Berlin als Privatdozent auf und hielt nun regelmäßig Vorlesungen über "Elektrische Anlagen auf Schiffen". 1958 promovierte er mit einer Arbeit über "Die Bewertung der Induktionsmaschine als dämpfende Kupplung durch die Bewegungsgleichungen, insbesondere in Hinsicht auf Propellerantriebe bei Schiffen" zum Dr.-Ingenieur und habilitierte sich 1962. 1965 wurde er zum apl. Professor ernannt. 1973 beendete er seine Lehrtätigkeit. Seine Studenten und Doktoranden verehrten ihn nicht nur als kompetenten Fachmann, sondern auch als väterlichen Freund.

 

8.4  Das Maritime Umfeld

8.4.1 Gründungsjahre von Reedereien   (1848 - 1957) [5]

 1948 Helmut Bastian, Bremen

1948 Bremer Reederei Eilemann & Bischoff GmbH, Bremen

1950 Christian F. Ahrenkiel, Hamburg

1950 Friedrich A. Detjen Reederei, Hamburg

1950 Horn-Linie, Hamburg

1950 "Nordstern" Reederei GmbH, C. Mackprang jr. Hamburg

1950 Schlüssel Reederei OHG, Bremen

1950 Stern-Linie, Hemmersam & Hornemann, Lübeck

1950 Hugo Stinnes Transozean Schiffahrt GmbH, Mülheim-Ruhr

1950 "Porta" Hamburger Reederei GmbH, Hamburg

1951 Leo Adams Reederei, Hamburg

1951 Ahlmann-Carlshütte KG (Abt. Reederei), Rendsburg

1951 Ahrenkiel & Behne, Hamburg

1951 Ertel Reederei GmbH, Hamburg

1951 Rolf Faulbau, Reederei GmbH, Bremen

1951 Globus-Reederei GmbH, Hamburg

1951 Knud Knudsen Reederei, Rendsburg

 1951 Larsen Reederei GmbH, Flensburg

1951 Edgar Lehmann, Lübeck

1951 Ewald Ottens, Cuxhaven

1951 Reeder-Union AG, Hamburg

1951 Thams & Garfs, Abt. Reederei, Hamburg

1951 Alfred C. Toepfer, Schiffahrtsgesellschaft mbH, Hamburg

1951 H. P. Vith & A. Hansen GmbH., Flensburg

1951 Hinrich Witt GmbH, Hamburg

1952 Carl Meentzen Schiffahrt und Handel GmbH, Bremen

1952 Mobil Oil Reederei GmbH, Hamburg

1952 Raab Karcher Reederei GmbH, Duisburg-Ruhrort

1952 Reederei "Eifel" GmbH & Co. K.G., Bremen

1952 Rudolf A. Oetker, Hamburg

1953 Union-Partenreederei, Bremen

1954 Bremer Reederei Bruno Bischoff & Co. GmbH, Bremen

1954 Brink & Wölffel, Flensburg

1954 Washbay-Linie GmbH,Hamburg

1955 Erich Drescher, Hamburg

1955 Europa-Canada Linie GmbH, Bremen

1955 Ernst Jacob, Flensburg

1955 Nissen & Co. KG., Flensburg

1955 Sielwall-Reederei, Rolf Faulbaum K.-G., Bremen

1955 Bernhard Schulte, Hamburg

1955 Tankreederei de Vries & Co. KG., Hamburg

1956 Robert Bornhofen KG., Hamburg

1956 Peter Döhle, Hamburg

1956 A. F. Harmstorf & Co., Hamburg

1956 Carl Meentzen & Co., K.G., Bremen

1957 Gloria Reederei Gräpel & Co., Hamburg

 1957 Graue & Co. Tankschiff-Reederei u. Korresp.-Reeder, Bremerhaven

1957 Schiffahrtsgesellschaft de Vries & Co. m.b.H., Hamburg

8.4.2 Gründungsjahre von Werften  1948 - 1957 [5]

1948 Schiffswerft Lübbe Voss, Westerende-Kirchloog

1948 Steffen Sohst GmbH, Kiel

1949 Rudolf Harmstorf Wasserbau und Travewerft GmbH, Hamburg

1951 Schiffs- und Yachtwerft Hein Garbers, Hamburg

1954 Schiffswerft Brockmann & Dorowski OHG, Bodenwerder

 

 Von Flugzeugen und Schiffen

 Die Super Constellation, ein modernes Flugzeug dieser Zeit hatte

 13.000 PS Leistung, 544 km/h Geschwindigkeit   8,5 t Ladung  und 78 Passagiere

 

Die St. Louis, ein modernes Frachtschiff mit Passagiereinrichtungen hatte 13.000 PS Leistung, 30 km/h Geschwindigkeit, 5000 t Ladung und 950 Passagiere

 

Das Flugzeug ist etwa 18 mal schneller als das Schiff.

  Das Flugzeug schafft 104 Rundreisen pro Jahr und befördert 16.000 Passagiere.

Das Schiff schafft  11 Rundreisen pro Jahr und befördert  20.900 Passagiere.

Das Flugzeug schafft 104 Rundreisen pro Jahr und befördert  884 Tonnen.

Das Schiff schafft 11 Rundreisen pro Jahr und befördert 55.000 Tonnen.

1952 wurden im Nordamerika-Europa Luftverkehr rund 10.000 Tonnen Fracht befördert, etwa soviel, wie der Frachter St. Louis auf einer Rundreise befördert.

 

 

 

 

 

1952,  WERRATAL, erster Stapellauf bei der AG-Weser (Quelle  AG-Weser)