Zurück in die Zukunft- der Gleichstrom kehrt wieder

Karl-Heinz Hochhaus

1. Rückblick und Einführung

1883/84, also vor rund 130 Jahren, wurden erste elektrische Schiffsbeleuchtungen mit Glühbirnen auf den Schiffen „Colombo“ (Hapag) und „Werra“ (Norddeutscher Lloyd, NDL) installiert. Mit der Beleuchtung kam die Elektrizität an Bord, die sich dann schrittweise auch die Kommunikation (Funk) andere Maschinen und Hilfssysteme eroberte. Der Dampf, der vorher Lüfter, Pumpen und Kältemaschinen antrieb, wurde vom elektrischen Strom verdrängt, wodurch die Maschinen kleiner, leichter und billiger wurden. Der Wartungsbedarf und damit auch der Personalbedarf und die Personalkosten konnten stark reduziert werden. Diese Entwicklung begann mit der Glühbirne, die auf Schiffen zum Teil von Leuchtstofflampen und jetzt, nach 130 Jahren, von Energiesparlampen und Leuchtdioden (LED) verdrängt werden. Darüber wurde 2007 auf der Hauptversammlung (HV) der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) vorgetragen [1]. Die STG veranstaltet jährlich abwechselnd in Berlin, (dem Gründungsort) und Hamburg die dreitägige Hauptversammlung und 5 – 10 ganztägige als Sprechtage bezeichnete Vortragsveranstaltungen in wechselnden Küstenstädten, um der Fachöffentlichkeit aktuelle schiffstechnische Themen vorzustellen. Die Vorträge der Sprechtage und der HV werden fachlich von den 19 Fachausschüssen (FA) vorbereitet.

 

2. Fachausschuss "Schiffselektrotechnik" (STG FA-ET)

Der Fachausschuss "Schiffselektrotechnik" entstand 1931 aus dem Fachausschuss Maschinenwesen. 1951 wurde daraus die Messtechnik mit einem eigenen Fachausschuss ausgegliedert. Seitdem ist die elektrische Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung das hauptsächliche Themengebiet des Fachausschusses "Schiffselektrotechnik". Im November 2014 fand in Rahmen der Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) in Hamburg die Wahl des neuen FA-Leiters statt. Der bisherige Leiter, Prof. Dr.-Ing. G. Ackermann von der TUHH hatte diese Funktion seit 18 Jahren inne und kandidiert nicht mehr für dieses Amt. Herr Dipl.-Ing. Kai Prostka von der MTG-Marinetechnik stand als Kandidat zur Verfügung, wurde einstimmig gewählt [2] und nahm die Wahl an (Abb. 1) Als weitere wichtige Arbeitspunkte dieser Sitzung wurden ein STG-Sprechtag  und die Auswahl von Vortragsschwerpunkten für die Hauptversammlung vorbereitet.

 

3.  Wehrforschungsschiffes „Planet“ – Rückkehr des  Gleichstroms

Neben Versuchen im Labor wurden von Forschungseinrichtungen wie den   Schiffbauversuchsanstalten gemeinsam mit Hochschulen und Reedereien auch aufwendige Versuche mit baugleichen naturgroßen Schiffen durchgeführt, um den Einfluss von Änderungen in Originalgröße beurteilen zu können. Damit wurden u. a. Schiffsformen (Bugwulst, asymmetrisches Hinterschiff) und Antriebsorgane (Voith-Schneider, Leitrad) untersucht. Heute sind es sind vorwiegend Behörden- und Marineschiffe, auf denen neue Technologien eingesetzt und erprobt werden. Das galt auch beim  Bau des 2004 in Dienst gestellten Wehrforschungsschiffes „Planet“ (Abb. 2).

Durch die Swath-Bauweise wird der Auftrieb hauptsächlich von den unter Wasser befindlichen Schwimmkörpern erzeugt. Die schmalen Verbindungsstreben, zwischen den beiden Schwimmkörper mit dem Schiffskörper tragen sehr wenig zum Auftrieb bei. Diese Bauweise verursacht durch die kleinen die Wasseroberfläche durchstoßenden Flächen bei schlechtem Wetter und rauer See eine sehr ruhige Lage des Schiffes. Eine wichtige Voraussetzung für hydrographische Forschungsarbeiten der „Planet“ auf hoher See.

 

Auch in anderen Bereichen, besonders in der E-Technik, werden auf der „Planet“ neue Technologien erprobt und untersucht [3]. Sowohl die vier Hauptgeneratoren (2 x 1.250 kVA und 2 x 1.700 kVA) als auch die Fahrmotoren sind als permanent erregte Maschinen (PM) ausgeführt. Damit wird höchste Energieeffizienz bei kleiner Baugröße und geringem Gewicht erreicht. Zur elektrischen Energieverteilung des Bordnetzes der „Planet“ speisen alle Dieselgeneratoren ihren Drehstrom über gesteuerte Gleichrichter in die gemeinsame geteilte Gleichspannungs-Hauptschalttafel ein. Jeder Propeller wird von zwei elektrischen Hauptantriebsmotoren (2 x 1.040 kW) und zwei elektrischen Zusatzantrieben (Booster mit 2 x 1.040 kW) angetrieben. Sie werden ebenso wie die vier Querstrahler (4 x 350 kW) von der Gleichstrom-Hauptschalttafel über Wechselrichter versorgt.

Die Funktion und Vorteile der kombinierte Drehstrom-Gleichstrom Technologie auf Flusskreuzfahrtschiffen und Versorgern wurde auf der STG-Hauptversammlung 2014 vorgetragen und wird hier zusammenfassend dargestellt   [2].

 

3.1 Beispiel Flusskreuzfahrtschiffe

Diese Technologie (Abb. 3),  wird ab 2009 von Dipl.-Ing. Peter Andersen, geschäftsführender Gesellschafter der Firma E-MS (e-powered Marine Solutions GmbH & Co) auf über 40 Flusskreuzfahrtschiffen (Abb. 4),  die sich zum Teil noch in Bau befinden sowie einer 140m Mega-Yacht realisiert. [4, 5, 6]. Für die Reederei Viking River Cruises bietet diese neue elektrische Netzwerk-Topologie eine gute Möglichkeit, den Brennstoffverbrauch für die Energieerzeugung und den Vortrieb der dieselelektrischen Anlagen zu verringern. Das hat insofern eine hohe Bedeutung, da sich die Wirkungsgrade der Dieselmotoren nur noch marginal erhöhen lassen.

Bei dieser Anordnung entfällt das Synchronisieren der Dieselgeneratoren bzw. des Landanschlusses auf das Bordnetz. Daher ist auch die Zeit vom Start des Diesels bis zur Lastaufschaltung mit 10 – 15 Sekunden extrem kurz. Die Drehzahl kann abhängig von der Leistungsanforderung Brennstoff sparend  reduziert werden. Die durch die Stromrichter bewirkte Entkoppelung der Generatoren und Antriebe vom Bordnetz sorgt dafür, dass Oberschwingungen keine Auswirkungen auf das Bordnetz haben. Diese neue kombinierte Drehstrom-Gleichstrom Technologie setzt sich schrittweise bei dieselelektrisch angetriebenen Schiffen mit stark unterschiedlichen Betriebsweisen durch. Das gilt besonders bei Spezialschiffen wie Versorgern aber auch der stark schwankende Betrieb bei dieselelektrischen Kreuzfahrtschiffen in der Flussschifffahrt erfordert schnelles Zuschalten  der Dieselgeneratoren [7].

 

Bezeichnung

Daten

Bauwerft

Neptun Werft (26)

Meyer Werft (5)

Bau-Nr., Baujahr

 357, 2013

Länge

135 m

Breite

11,45 m

Tiefgang

max 2 m

Vermessung

3.138. BRZ

Passagiere

190

Hauptmaschinen

4xCaterpillar C32 Acert

Nennleistung

2 x 994 kW  2 x 383 kW

Antrieb

4xSTP 200-Doppelpropeller

Typ WH 315 ML 4

Bugstrahler

2x Schottel SPJ 82 RD

mit jeweils 340 kW

Geschwindigkeit

 11 kn

Tabelle 1: Technische Daten der „Viking Odin“

Am Beispiel der von der Neptun Werft gebauten „Viking Odin“ soll das Konzept kurz beschrieben werden. In zwei baulich getrennten Maschinenräumen wurden im Vor- und Hinterschiff jeweils zwei Dieselmotoren installiert, die Asynchrongeneratoren antreiben und über Umrichter die teilbare Gleichstromschalttafel mit Strom versorgen (Abb. 3). Der Antrieb und die Steuerung erfolgen über vier jeweils 315 kW starken Asynchronmotoren, (Hersteller AEM Dessau), die  von der Gleichstromschalttafel über Umrichter versorgt werden. Sie treiben vier um 360° drehbare Schottel STP 200-Doppelpropeller an und verleihen dem Schiff eine Nenngeschwindigkeit von 20 km/h. Als Bugstrahlruder und als Notantrieb stehen zwei Schottel SPJ 82 RD mit jeweils 340 kW zur Verfügung (Tabelle 1).

2013 wurden permanent erregte Elektromotoren der Firma Ramme mit einer Nennleistung von je 360 kW auf vier Viking Schiffen zum Antrieb der vier „Schottel Combi Drive“-Propeller vom Typ SCD 200 eingesetzt.

 

3.2 Versorger mit Gleichstromnetz zur Energieverteilung

Diese neue kombinierte Drehstrom-Gleichstrom Technologie setzt sich schrittweise bei dieselelektrisch angetriebenen Schiffen mit stark unterschiedlichen Betriebsweisen durch.

Für ABB Power Systems (Schweden) stellte Dipl.-Ing. Izmir Fazlagic die in Abb. 5 gezeigte Antriebsanlage mit einer zentralen Gleichstromschiene vor, die 2013 auf dem Versorger „Dina Star“ installiert wurde (Technische Daten Tabelle 2). Im Vergleich zu den heute üblichen Wechselstrom-Bordnetzen auf den Schiffen, ergibt die Kombination von Gleichstrom und Wechselstrom folgende Vorteile.

Bezeichnung

Daten

Bauwerft

Kleven, Norway

Bau-Nr./ Baujahr

 357/ 2013

Länge

93,80 m

Breite

20,00 m

Tiefgang

 6,54 m

Vermessung

4.826 BRZ

Tragfähigkeit

4.742 t

Hauptmaschinen

Caterpillar 3516/C32

Nennleistung

4 x 2350 kW 

Nenngeschwindigkeit

 15,1 kn

Antrieb

Rolls Royce Azipull

2 x 2350 kW

Bugstrahler

 Rolls Royce 2x925 kW
 1 x 880 kW

Durch die variable Drehzahl der Dieselgeneratoren wird der spezifische Brennstoffverbrauch im Vergleich zum Betrieb mit Nenndrehzahl reduziert, wie die Messergebnisse in Abb. 6 und 7 zeigen. Dadurch reduzieren sich die Emissionen, der Lärmpegel und der Wartungsaufwand.

Tabelle 2: Technische Daten der „Dina Star“                       

An die Gleichstromschiene lassen sich mit wenig Aufwand Lithium-Ionen Akkumulatoren anschließen [7], um den energetischen Betrieb weiter zu optimieren. Ebenso interessant ist eine zukünftige Stromeinspeisung von Brennstoffzellen, wie sie z. B. auf dem Versorger „Viking Lady“ realisiert wurde und dem neuen deutschen Forschungsschiff „Sonne“ technisch vorbereitet wurde („Fuel-Cell ready“).

Eine erste Anlage von ABB wurde 2013 auf dem Plattform-Versorgungsschiff „Dina Star“ der norwegischen Reederei Myklebusthaug Offshore installiert. Es wurden vier  Dieselgeneratoren mit Nennleistungen von je 2.350 kW und ein Notdiesel mit 969 kW installiert. Auf Messfahrten konnten je nach Umgebungs- und Betriebsbedingungen Einsparungen im Brennstoffverbrauch von 14 bis 27% dokumentiert werden, die aus der Einsparung der Dieselmotoren und Gleitfrequenz bei den E-Motoren der Pumpen und Lüfter resultieren [8].

 

5. Zusammenfassung

Vor 130 Jahren begann in der Schifffahrt mit dem Gleichstrom der Siegeszug der Elektrotechnik auf Schiffen. Die elektrische Beleuchtung löste die brandgefährlichen Petroleumlampen ab. Es folgten Kommunikations- und Signaleinrichtungen sowie elektrische Motoren, die den Dampf ersetzten. In den 1950ger Jahren verdrängte der Wechselstrom auf breiter Front den Gleichstrom und heute sehen wir eine Rückkehr des Gleichstroms. Es entstehen auf einigen Schiffstypen eine Kombination von Dreh- und Gleichstrom, um die jeweiligen Vorteile der Stromarten zu nutzen.

Erste Pionierarbeiten wurden von der Marine auf der „Planet“ erbracht, weitere Fortschritte und sinkende Preise in der Leistungselektronik führen auf Versorgern und Flusskreuzfahrtschiffen zu interessanten technischen Neuerungen. Darüber wurde auf der STG-Hauptversammlung vorgetragen und in diesem Beitrag beschrieben.

 

4. Literatur

[1] Hochhaus, K.-H, Gregor, W.: Energieeinsparungen im Hotelbetrieb großer Passagierschiffe, in :Hansa 7-2007

[2] Hochhaus, K.-H: Der Gleichstrom kehrt zurück in :Hansa 1-2015

[3] Schnier, H.: Forschungsschiff „Planet“, Elektrische Energieverteilung und Fahranlage; Anlagentechnische Besonderheiten, Übertragbarkeit auf zivile Anwendungen, in: STG Jahrbuch 2004

[4] Bleß, H.: Aktuelle Entwicklungen von Lithium-Ionen Batterien, in: STG Jahrbuch 2010

[5] Andersen, P.: Innovative, dieselelektrische Bordnetztopologie am Beispiel eines Flusskreuzfahrtschiffs, in: STG Jahrbuch 2010

[6] Nienaber, K.: „Viking Longships“ und „A-Rosa Silva“ von Neptun, in: Hansa 11/2012

[7] Reuss, H.-J.: Moderne diesel-elektrische Antriebs- und Stromversorgungsanlagen, in: Hansa 7/2012

[8] Härer, H., Hochhaus, K.-H.: Methoden zur Energieeinsparung in Bordnetzen, Handbuch der Werften, Bd. 20, 1990 Schiffahrtsverlag Hansa