Der Energiebedarf in Deutschland

 

Ergebnisse einer Studie der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages

 

 

 

 Für 2050 wurden in folgender Studie der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages der voraussichtliche Energieverbrauch betrachtet.

 

 

Studie Wasserstoffbedarf
Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 024/22
Abschluss der Arbeit: 02.03.2022
Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft

 

Zukünftig soll die Energie in Form von Wasserstoff und Strom vorliegen.

 

 

Der Energiebedarf in Deutschland für 2021 ist im folgenden Bild dargestellt und weist einen Primärenergieverbrauch von rund 12440 PJ und 1988 PJ  Energie zum Stromverbrauch aus.

 

1 PJ sind 1 PWs oder auch PWh/3600 oder auch TWh/3,6

 

 Also entspricht der Primärenergieverbrauch von 12440 PJ = 3455 TWh

und

die Stromerzeugung 1988 PJ = 552 TWh

 

Einleitung


Zahlreiche Stimmen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik, einschließlich der Bundesregie-
rung1 und der Europäischen Kommission2, erachten den Einsatz von Wasserstoff (H2) als Schlüs-
seltechnologie für die Energiewende und den Klimaschutz. Voraussetzung ist, dass der Wasser-
stoff ausschließlich mithilfe Erneuerbarer Energien gewonnen wird und damit „grün“ ist.

 

Klimafreundlich hergestellter (grüner) Wasserstoff und dessen Folgeprodukte, wie Methanol, Ammoniak und synthetische Kraftstoffe für Flugzeuge, Schiffe oder Lkw sollen dazu beitragen, die CO2-Emissionen bestimmter Industriezweige und des Energiebereichs bei einem voraussichtlich steigenden
Energiebedarf zu senken. Daneben soll Wasserstoff bei der Speicherung und dem Transport rege-
nerativer volatiler Energien, insbesondere Wind, Sonne und Biomasse, an Bedeutung gewinnen.


Vor dem Hintergrund des erwarteten Markthochlaufs von Wasserstoff werden die Wissenschaftli-
chen Dienste nach dem zukünftigen Wasserstoffbedarf Deutschlands gefragt.

 

Wie hoch der Bedarf an Wasserstoff für den Einsatz im industriellen Bereich sowie im Energie-
system zukünftig tatsächlich sein wird, wird je nach Einschätzung des Markthochlaufs, der ein-
bezogenen Sektoren und weiterer Faktoren unterschiedlich bewertet.

 

Nationale Wasserstoffstrategie
2020 entschied die frühere Bundesregierung die Entwicklung von Wasserstofftechnologien und
den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie ver-
stärkt zu fördern. Zu diesem Zeitpunkt lag der Verbrauch bei rund 55 bis 60 TWh im Jahr.
Die Nationale Wasserstoffstrategie geht bis 2030 von einem Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis 110
TWh im Jahr aus. Den gesteigerten Bedarf begründet sie mit Transformationsprozessen in der In-
dustrie und möglichen weiteren Anwendungsfeldern etwa im Verkehrsbereich.

 

Für 2050 erwartet die Nationale Wasserstoffstrategie einen Verbrauch von strombasierten Energieträgern in Größenordnungen zwischen 110 TWh bis 380 TWh im Jahr. Hieraus schließt die Strategie auf einen erheblich steigenden Wasserstoffbedarf. Explizit erwähnt wird die Umstellung
der deutschen Stahlproduktion auf eine treibhausgasneutrale Produktion bis 2050, die einen jähr-
lichen Wasserstoffbedarf von 80 TWh verursache.

 

Daneben erfordere die Umstellung der deutschen Raffinerie- und Ammoniakproduktion auf Wasserstoff einen zusätzlichen jährlichen Bedarf in Höhe von 22 TWh Wasserstoff. Zur Höhe des Wasserstoffbedarfs für

2050  enthält die Strategie keine konkrete Aussage.

 

 

 

Ergebnisse der untersuchten Studien

 

Die untersuchten Studien unterscheiden sich laut Metastudie auch bei der Sektorenverteilung
der potentiellen Bedarfe erheblich:


– Für den Verkehrsbereich wird 2030 zunächst ein geringer Bedarf gesehen, der 2050 auf
150 bis 300 TWh jährlich springt.


– Der internationale Flug- und Schiffsverkehr hat einen erheblichen Bedarf, der sich bei
Syntheseprodukten zusammen mit biogenen Kraftstoffen 2050 bei 140 bis 200 TWh jähr-
lich bewegt.


– Auch der Bedarf in der Industrie wird als hoch eingeschätzt. Er kann sich 2050 auf bis zu
500 TWh jährlich belaufen, wobei hier Wasserstoff, Syntheseprodukte und biogene Brenn-
stoffe enthalten sind, und bereits 2030 bei 50 TWh jährlich liegen.


– Für die Gebäudewärme ermangelt es eindeutiger Ergebnisse, teilweise wird 2050 ein mög-
licher Bedarf von bis zu 200 TWh jährlich für die Summe aus Wasserstoff, Synthesepro-
dukten und biogenen Brennstoffen gesehen.

– Auch im Umwandlungssektor, also bei der Strom- und Wärmeerzeugung sowie bei Raffi-
nerien prognostizieren die Studien eine erstarkende Nachfrage nach 2030. Diese kann
2050 zwischen 50 und 150 TWh jährlich liegen.

 

Werden die einzelnen Sektoren addiert, ergeben sich für 2050 insgesamt 690 - 1350 TWh/a

 

  Der Primärenergieverbrauch 2021 betrug 12440 PJ = 3455 TWh

und

die Stromerzeugung 1988 PJ = 552 TWh

 

 

 

 

Abbildung 1: Nachfrage nach Wasserstoff laut verschiedener Studien

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Prognosen für 2050


Da die in der Metastudie Wasserstoff berücksichtigten Studien für das Jahr 2050 in einer vergleichsweise breiten Bedarfsspanne liegen, werden im Folgenden weitere Untersuchungen des
Wasserstoffbedarfs für Deutschland für das Jahr 2050 vorgestellt, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.


– Enervis geht in der Studie „Wasserstoffbasierte Industrie in Deutschland und Europa“
von einem Wasserstoffbedarf für Deutschland von 110 TWh im Jahr 2030, 260 TWh im Jahr 2040 und 450 TWh im Jahr 2050 aus.29 Die dieser Studie zugrunde gelegten Annahmen orientieren sich an der Studie „Hydrogen Roadmap“ des Europe Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU).(Lit. 30)


– Ein von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW)
koordiniertes Forschungskonsortium kommt in der Studie „Eine Wasserstoff-Roadmap
für Deutschland“ je nach Szenario (85, 90 oder 95-%-CO2-Reduktionsziel) für alle Sekto-
ren auf einen Wasserstoffbedarf jedenfalls von 403 TWh im Jahr; je nach Szenario konkret
403, 522, 433 TWh im Jahr.
(Lit. 31)


– Eine Studie von Strategy&, der Strategieberatung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
PwC, betrachtet den globalen Wasserstoffbedarf. Ausgehend von 2019 bis 2040 kommen
die Gutachter zu einer annähernden Verdopplung und bis 2070 zu einer Versiebenfa-
chung des globalen Wasserstoffbedarfs.
(Lit. 32) Für Deutschland hieße dies ausgehend von rund
55 bis 60 TWh im Jahr 2020, dass der Wasserstoffbedarf bis 2040 auf 110 bis 120 TWh im
Jahr steigt und bis 2070 ein Wasserstoffbedarf von 385-420 TWh im Jahr entsteht.


– Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kommt in seinem Umsetzungsvor-
schlag für den Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland im Zielszenario im Jahr
2045 zu einem Wasserstoffbedarf von 237 TWh. Auch hier kommt ein erheblicher zusätz-
licher Bedarf von aus Wasserstoff gewonnenen synthetischen Kraftstoffen von 305 TWh/a
hinzu.

 

Zusammenfassung
Da die Wasserstoffwirtschaft vor dem Markthochlauf steht, sind Einschätzungen zum zukünftigen Bedarf von Wasserstoff mit besonderen Unwägbarkeiten verbunden. Gleichwohl prognostizieren soweit ersichtlich Studien unter Zugrundelegung einer anhaltenden Entwicklung zur Dekarbonisierung und Elektrifizierung mehrheitlich, dass der Wasserstoffbedarf Deutschlands ein-
schließlich der durch Wasserstoff produzierten Folgeprodukte im Vergleich zum jetzigen Ver-
brauch bis 2030 moderat und ab 2030 bis 2050 stark zunehmen wird.


Im Hinblick auf die Höhe des für 2050 prognostizierten Wasserstoffbedarfs einschließlich der Folgeprodukte werden – ausgehend von einem weitgehend als gesichert erachteten steigenden Bedarf – in den hier berücksichtigten Studien verschiedene Größenordnungen vertreten.


Diese bewegen sich innerhalb einer vergleichsweise großen Bandbreite zwischen 400 bis etwas
über 800 TWh im Jahr45 oder aber auf niedrigerem Niveau, etwa in Höhe von 169 bis 449 TWh
jährlich.46 Allerdings wurde hier jedenfalls teilweise nur Wasserstoff ohne Folgeprodukte berück-
sichtigt, so dass die Ergebnisse bedingt vergleichbar sind.


Eine fehlende Vergleichbarkeit der Studienergebnisse ergibt sich auch dadurch, dass Studien
von unterschiedlichen Grundannahmen ausgehen. Als Voraussetzung eines steigenden Bedarfs
an Wasserstoff und Syntheseprodukten schlechthin werden zwar soweit ersichtlich durchgängig
Treibhausgasminderungszielen von mehr als 80 % angenommen. Hiervon ausgehend treffen die
Studien allerdings mitunter unterschiedliche sozioökonomische und technologiespezifische
Grundannahmen bzw. modellieren unterschiedliche Szenarien. Dies umfasst auch die Frage, wel-
che Nachfragesektoren bei der Bedarfsanalyse einbezogen werden. Die eingeschränkte Vergleich-
barkeit trägt in Verbindung mit der eingangs erwähnten dynamischen Entwicklung im Bereich
der Wasserstoffwirtschaft dazu bei, dass der zukünftige Bedarf schwer prognostizierbar ist.

 

Folgende Abbildung: Grüne Wasserstoffgestehungskosten in €/MWhH2 aus (Lit. 29)

 

Literatur Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 024/22

29 Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE, Wasserstoffbasierte Industrie in Deutschland und Europa, Stand: März
2021, S. 5.
30 Fuel Cells and Hydrogen 2 Joint Undertaking, Hydrogen Roadmap Europe, 2019.
31 NOW, Rechtliche Rahmenbedingungen für ein integriertes Energiekonzept 2050 und die Einbindung von EE-
Kraftstoffen, 2018.
32 Strategy&, Laying the foundations of a low carbon hydrogen market in Europe, Hydrogen as the cornerstone of
energy transition, 2021; vgl. auch Handelsblatt, 16.02.2022, Energie, Wasserstoffbedarf könnte sich bis 2070 ver-
siebenfachen.
33 Boston Consulting Group (BCG), Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft, Gutachten
für den BDI, Stand: Oktober 2021, S. 8 geht von 305 TWh aus.
34 Das Ariadne-Konsortium wertete hierfür fünf Szenarioanalysen für die Transformation des Energiesystems hin
zu einem klimaneutralen Deutschland aus. Ariadne, Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045. Sze-
narien und Pfade im Modellvergleich. Kopernikus-Projekt Ariadne, 2021; BCG, Klimapfade 2.0 (Fn.33); BMWi,
Langfrist- und Klimaszenarien; Dena-Leitstudie, Integrierte Energiewende (Fn.16); Prognos et al., Klimaneutra-
les Deutschland 2045 (Fn. 17)