Erste LNG-Schiffe in Deutschland

Karl-Heinz Hochhaus

 

Diese Veröffentlichung  erschien in dem Schiffs-Ingenieur Journal in der September/Oktober Ausgabe 2015 (61. Jahrgang  Nr. 360; ISS1432-9891) und wurde in diesem Beitrag um einige Bilder ergänzt.

 

1. Einführung

 

Der Umweltschutz in der Seeschifffahrt, international als “Green Shipping“ bezeichnet, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die Umsetzung im Vergleich zum landseitigen Umweltschutz in Deutschland dauert deutlich länger, da die in der Schifffahrt geltenden Regeln nicht nur für die deutsche, sondern für die weltweiten Schifffahrt gilt. Inzwischen wurden in Nordeuropa, Nordamerika, der Karibik und in Teilen des pazifischen Seeraumes Küstenzonen zu Emissionskontrollzonen eingerichtet.

 

Die Motoren der Schiffe emittieren je nach Art der Brennstoffe Abgase unterschiedlicher Zusammensetzung in die Atmosphäre [1, 2, 3]. In der Hochseeschifffahrt wird sowohl von Frachtschiffen als auch von Kreuzfahrtschiffen aufgrund niedriger Preise fast ausschließlich Schweröl mit hohem Schwefelgehalt von rund 3% (1 Liter kostet derzeit rund 0,30 $) verwendet. Im Küstenbereich wie z. B. Nord- und Ostsee, hier herrschen seit 2015 bezüglich der Abgasemissionen deutlich strengere Vorschriften,  müssen die Schiffe dann auf Gasöl (1 Liter kostet derzeit rund 0,60 $)  mit sehr geringem Schwefelgehalt umschalten.

 

Wie bei Autos steigen der Kraftstoffverbrauch und damit auch die Abgasmenge der Schiffe bei steigender Geschwindigkeit exponentiell an. Ein großes Containerschiff für z. B. 12.000 Stellplätze für Normcontainer (TEU = Twenty Foot Equivalent Unit) benötigt bei der Nenngeschwindigkeit von 25 Knoten eine Antriebsleistung von rund 50.000 kW. Es verbraucht etwa 250 t Brennstoff pro Tag und emittiert  u. a. rund 750 t/Tag Kohlendioxid (CO2). Bei 20 Knoten sind es fast nur noch die halbe Leistung, etwa rund 125  t Brennstoffbedarf und rund 375 t CO2 pro Tag. Das ist einer der Gründe, dass viele Schiffe auch aufgrund des Überangebotes heute langsam fahren. Die Fachleute sprechen dann vom „slow steaming“. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Einhaltung der Vorschriften, wie z. B. die Nutzung sauberer Kraftstoffe oder der Einbau von Scrubber [4].

 

2. Zukünftige Kraftstoffe

Auf der Suche nach Kraftstoffen, die bei der Verbrennung weniger schädliche Abgase ausstoßen, wäre Wasserstoff ideal. Er wird in der Brennstoffzelle mit hohem Wirkungsgrad in elektrischen Strom umgewandelt. Die Brennstoffzelle wurde mit viel Forschungsaufwand untersucht, die Nutzung auf Schiffen scheint außer bei den U-Booten der Klasse 212 nicht voranzukommen. Der Dieselmotor wird daher auch in Zukunft die Schiffe antreiben [ 5].

Einige Reeder setzen auf den alternativen Kraftstoff Methanol, wie z. B.  die „Stena Germanica“ der schwedischen Reederei Stena Line, die seit 2015 als weltweit erste mit Methanol betriebene Passagier- und Frachtfähre im Einsatz ist. Verflüssigtes Erdgas enthält kein Schwefel und bei der Verbrennung entstehen keine Rußpartikel, deutlich weniger Stickoxide, und es wird 25 - 30% weniger CO2 emittiert. Aus diesen Gründen arbeitet auch die landseitige Nutzfahrzeugbranche an entsprechenden Entwicklungen. Verschiedene Hersteller erproben diese Technologie in Lastkraftwagen mit Flüssiggas-Antrieb.

1958 gelang es, mit dem Versuchsschiff „Methane Pioneer“, einem aufwendig umgebauten amerikanischen Serienfrachter vom Typ C1 aus dem 2. Weltkrieg, verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas LNG) in einem Schiff zu transportieren [6]. Die Verflüssigung durch Temperaturabsenkung auf minus 162 °C bewirkt eine Volumenverringerung um den Faktor 600 und ermöglicht somit den Seetransport über größere Strecken in speziellen stark isolierten Spezialtanks. Dieser Startschuss begann in den USA und führte zum Bau von zwei LNG-Tankern, die 1959 LNG-Transporte von Lake Charles (USA) nach Canvey Island (England) durchführten.

Damit begann der Aufbau einer internationalen LNG-Infrastruktur bestehend aus der Erdgasverflüssigung, den LNG-Tankern zum Seetransport und den Umschlagsanlagen in den Häfen der Export- und Importländern sowie den entsprechenden Verdampfungsanlagen. Inzwischen fährt eine Flotte von rund 400 LNG-Tankern auf den Weltmeeren, weitere 150 stehen in den Orderbüchern der Werften..

Das Erdgas fördernde Norwegen begann innovative Schiffe mit alternativen Brennstoffen wie z. B. Erdgas mit geringeren schädlichen Emissionen zu bauen, zu betreiben und die dazu notwendige Infrastruktur zu entwickeln. Da es in Deutschland bisher kein LNG-Import Terminal gibt, werden die deutschen LNG-Schiffe bzw. die Stromerzeugungs-Barge „Hummel“ mit Hilfe von Tank-Lastkraftwagen oder Tank-Containern bisher vom belgischen LNG-Terminal Zeebrügge versorgt. Ursprünglich war Brunsbüttel vorgesehen, der Hafen liegt strategisch ideal am Schnittpunkt Elbe und Nord-Ostsee Kanal, die LNG-Bunkerstation wurde jedoch bisher nicht realisiert.

3. Umbau der Wattenfähre „Ostfriesland“ zum ersten deutschen LNG-Schiff

Die Reederei AG Ems aus Leer, die u. a. den Fährverkehr nach Borkum betreibt, hat die Bremer Werft Brenn- und Verformtechnik (BVT) der Heinrich Rönner Gruppe mit dem Umbau ihres rund 30 Jahre alten Wattenfährschiffes „Ostfriesland“ in eine umweltfreundliche LNG-Fähre  beauftragt. Hintergründe waren die seit Januar 2015 geltenden strengeren Abgasvorschriften sowie das Engagement der Reederei in dem Forschungsprojekt „Maritim“. In diesem auch von der EU unterstütztem deutsch-niederländischem Forschungsprogramm werden u. a. auch mit LNG betriebene Passagierschiffe wissenschaftlich untersucht und später im Betrieb begleitet. Die „Ostfriesland“ ist in der EU der erste Umbau eines Seeschiffes auf LNG-Betrieb. Daher erhielt das Projekt von der EU 3,07 Millionen Euro zur Umbaurealisierung, jedoch auch um die notwendige LNG-Infrastruktur zur Versorgung der Schiffe (Bunkerung) auf den Weg zu bringen.

Seit Juni 2015 ist die „Ostfriesland“ [7] als erstes LNG-Schiff unter deutscher Flagge in Betrieb und hat in Deutschland eine wichtige Pionierfunktion eingenommen. Auch um die technischen Betriebsdaten zu dokumentieren sowie die sicherheitsrelevanten Prozeduren für die Betankung zu erproben. Dies ist aufgrund des viel höheren Gefahrenpotentials im Vergleich zur Bunkerung von Gasöl wichtig, daher waren vorher von den zuständigen Behörden auch neue Vorschriften für den gesamten Bunkerungsprozess zu erstellen.

Die „Ostfriesland“ erhielt ein neues Hinterschiff mit moderner Antriebsanlage und wurde im Brücken- und Passagierbereich umfassend erneuert. Die neue Hinterschiffssektion wurde von (BVT) in Bremen-Vegesack gebaut und ausgerüstet. Die Fähre selbst war zu dieser Zeit noch im Fährdienst. Sie wurde im Oktober 2014 aus dem Dienst genommen, im BVT Zweigbetrieb Bremerhaven in zwei Teile geschnitten  und mit der neuen längeren Hinterschiffssektion, die auch den gut isolierten LNG-Tank, die neue Maschinenanlage und die zwei als Pod bezeichneten Ruderpropeller beinhaltete, zusammengefügt.

 

3.1 Technische Anlagen der „Ostfriesland“

Die neue dieselelektrische Antriebsanlage besteht aus zwei sowohl mit Dieselöl als auch mit Erdgas betriebenen Dual-Fuel Dieselmotoren von Wärtsilä, die Generatoren mit je rund 1.150 kW Leistung antreiben [7]. Weiterhin wurden zwei kleinere Gasmotoren von Mitsubishi eingebaut, die zum Antrieb von zwei Generatoren mit je 370 kW Leistung dienen. Der mit diesen vier Generatoraggregaten erzeugte Strom dient unter Zwischenschaltung von Frequenzumrichtern zum stufenlos einstellbaren elektrischen Antrieb der zwei Ruderpropeller. Auch das übrige elektrische Bordnetz für die schiffstechnischen Hilfssysteme und die Hotellast ist an das elektrische Bordnetz angeschlossen. Zum schnelleren Manövrieren beim An- und Ablegen steht ein Querstrahlruder mit 300 kW Leistung zur Verfügung.

Der Tank-, der LNG-Aufbereitungs- und der Gasmotorraum sind nur durch Schleusen zu betreten. Sie haben zur Überwachung entsprechende Gassensoren erhalten und sind an den im Hinterschiff an Deck installierten hohen Entlüftungsmast angeschlossen. Das komplexe Kraftstoffsystem beinhaltet den gut isolierten 43 Kubikmeter fassenden LNG-Speichertank, die Gasaufbereitungs und -regulierungseinheit sowie die entsprechenden Sicherheitseinrichtungen. Die Verdampfungswärme zur LNG-Verdampfung wird in der Klimaanlage zur Kälteversorgung genutzt, wodurch elektrische Energie zum Antrieb der Kältemaschinen eingespart wird.

Am 17. Juni 2015 haben die Reederei und Werft auf der Jungfernfahrt von Emden nach Borkum den Erdgasbetrieb vorgeführt und den Gästen die modernisierte Brücke,  die erneuerten Passagier- sowie  Bewirtschaftungseinrichtungen gezeigt. Aus dem 30 Jahre alten Schiff entstand das erste deutsche LNG Schiff als zeitgemäßes Fährschiff mit heutiger Infrastruktur und W-Lan in allen Räumen und Decksbereichen. Die Reederei rechnet bei den Betriebskosten mit einer Einsparung von 20 – 25%.

4. Schiffsneubau Helgoland mit LNG-Antrieb

Die „Helgoland“ ist das 10. Schiff dieses Namens und der erste Schiffsneubau mit LNG-Antrieb, der unter deutscher Flagge fährt. Wie schon bei der „Ostfriesland“ wird zum Antrieb der Motoren verdampftes Flüssiggas verwendet, um die seit 2015 in der Nord- und Ostsee geltenden Abgasvorschriften einzuhalten. Das neue Helgolandschiff der zur Emder „AG-Ems“-Gruppe gehörende Reederei Cassens Eils erhielt eine EU-Förderung rund 4,2 Million € für das innovative LNG-Antriebssystem. Die EU-Mittel stammen aus dem TEN-T-Programm der Europäischen Kommission zum Bau und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur in der EU (Entkarbonisierung, d. h. Ersatz von Öl bzw. Senkung der Umweltkosten).

Der seegehende Passagier- und Frachtfährenneubau fährt von Cuxhaven und Hamburg nach Helgoland. Die Reederei Cassens Eils hat mit der Gemeinde Helgoland dafür einen europaweit ausgeschriebenen Verkehrsvertrag (gültig für 2015 – 2030) für den Passagier- und  Frachtdienst abgeschlossen. Für den vom Bürgermeister Jörg Singer und Cassens Eils Geschäftsführer Peter Eesmann in Helgoland am 25. April 2013 unterzeichneten Vertrag erhält die Reederei von der Gemeinde Helgoland einen jährlichen Zuschuss von 150.000 €, damit der Liniendienst auch im Winter durchgeführt wird.

Eine Besonderheit ist, dass das helgolandtypische Ausbooten der Passagiere in die „Börteboote“ auf Helgolands Reede entfällt. Die Passagiere steigen direkt an der Pier des Inselhafens aus. Trotzdem wurde das Schiff an der Backbord- und Steuerbordseite mit den sogenannten „Helgolandpforten“ ausgestattet.

Der Neubau wurde von der Reederei Cassens Eils für den Preis von rund 31 Mio. € bei der Fassmer Werft im niedersächsischen Berne (Kreis Wesermarsch) in Auftrag gegeben. Hier erfolgte der Entwurf, die Auslegung und die Konstruktion des Schiffes. Es wurde vor dem Bau als Modell von der Hamburger Schiffbauversuchsanstalt (HSVA) geschleppt und bezüglich des Seeverhaltens und des Leistungsbedarfs hydrodynamisch untersucht und optimiert. Dabei wurde festgestellt, dass eine Verlängerung um vier Meter erhebliche Vorteile ergibt. Somit wurde der Schiffsentwurf von ursprünglich 79 Meter auf 83 Meter verlängert.

Das Schiff wurde am 16. Juli 2014 auf der in Stettin ansässigen „Hulkon Shipyard“ auf Kiel gelegt. Diese Partnerwerft von Fassmer hat den als „Kasko“ bezeichneten Schiffsrumpf im Unterauftrag gefertigt und an die Weser überführt. Hier wurde der Ausbau der Maschinen-, der Fracht- und der Passagierräume durchgeführt, danach erfolgten die abschließenden Farbarbeiten, die Erprobung und die Abnahme der technischen Anlagen.

 

4.1 Schiffsbeschreibung

Das innovative und mit nachhaltiger Technik ausgestattete Schiff wurde mit dem “Blauen Engel” für umweltschonendes Schiffsdesign (RAL-ZU141) ausgezeichnet. Das Umweltzeichen besagt, es werden schädliche Emissionen und Einträge in die Meeresumwelt und die Luft gemindert und das Schiff verfügt über eine erhöhte Sicherheit für Notfallsituationen. Der Schiffsrumpf besteht aus Stahl, das Brückenhaus wurde zur Gewichtsersparnis in Aluminium ausgeführt. Der vordere Decksbereich des Schiffes ist der Container- und Stückgutladung vorbehalten. Es befinden sich hier Containerstellplätze, die Ladeluke und der 10-Tonnenkran, um die Container- und Kühlcontainer unabhängig von der Hafeninfrastruktur  umzuschlagen. Insgesamt sind zehn Stellplätze für Zehnfuß-Container an und unter Deck vorhanden. Zwei Flossenstabilisatoren sorgen auch bei Seegang für das Wohlbefinden der Passagiere.

Die Helgolandfähre hat eine Vermessung von 2.150 BRZ, eine Verdrängung von 1.820 t
und eine Passagierkapazität von 1.060 Personen, die sich auf acht Salonbereiche mit einer modernen Gastronomieausstattung über drei Decks verteilen. Die Fähre bietet auch für den Gästeansturm in der Sommersaison genügend Platz. Das offene Atrium reicht über mehrere Decks und die Innenausstattung mit einem Kinderspielbereich, flächendeckendem Internetzugang ermöglicht den Inselbewohnern, Tagesgästen und Urlaubern eine komfortable Reise von und zur Insel. Ein gläserner Lift zur Gewährleistung der Barrierefreiheit erleichtert den Zugang zu den Fahrgastsalons sowie zum Sonnendeck.

Die Fähre mit einer Nenngeschwindigkeit von 19 Knoten verfügt über einen Antrieb durch zwei Dual Fuel Hauptmotoren von Wärtsilä mit einer Nennleistung von je 1.585 kW. Die Hauptmotoren werden in der Regel mit Erdgas, können aber auch mit Gasöl betrieben werden. Im Erdgasbetrieb dient eine sehr geringe Einspritzung von Gasöl zur Zündung. Jeder dieser Hauptmotoren treibt über ein Untersetzungsgetriebe einen Propeller an. Beide Antriebsstränge verfügen außerdem über die Möglichkeit, zusätzliche Leistung abzugeben bzw. einzuspeisen. Dazu dient ein Elektroaggregat, das wahlweise als E-Motor oder Generator arbeiten kann. Als E-Motor arbeitend wird dem Propeller elektrische Leistung aus dem Bordnetz zugefügt oder als Generator arbeitend wird elektrische Leistung in das Bordnetz abgegeben. Diese vom Fachmann als Power Take In (PTI) oder Power Take Off (PTO) bezeichnete Technologie erhöht die Flexibilität im Schiffsbetrieb und hat besonders für Schiffe mit kurzen Seestrecken und viel  Revier- und Hafenbetrieb energetische Vorteile. Im Seebetrieb können jedem Propeller damit zusätzlich 600 kW zur Verfügung gestellt werden, um z. B. mit höherer Geschwindigkeit Verspätungen aufzuholen. Im Revierbetrieb mit niedriger Geschwindigkeit wird wenig Antriebsleistung benötigt. Der erhöhte Strombedarf z. B. für das 300 kW Bugstrahlruder kann damit teilweise von den Hauptmotoren übernommen werden. Somit unterstützen die Hauptmotoren die das elektrische Bordnetz versorgende Gasmotoren, deren Generatorleistung jeweils rund 400 kW beträgt.

Das LNG-System besteht aus der Bunkerstation zur Brennstoffübernahme, dem 54 Kubikmeter Vorratstank, dem eigentlichen Aufbereitungssystem zur Verdampfung des Flüssiggases und dem Sicherheitssystem. Es wurde nach den Vorschriften der Klassifikationsgesellschaft DNV GL konstruiert und gebaut.

5. LNG-Hybrid-Barge „Hummel“ versorgt die „Aidasol“ mit Strom

Das Kreuzfahrtunternehmen Aida Cruises und der Hamburger Schiffszulieferer Becker Marine Systems haben 2012 ein Projekt zur Stromversorgung für Aida-Schiffe im Kreuzfahrtterminal der Hamburger Hafencity beschlossen. Dazu wurde das Unternehmen Hybrid Port Energy in Hamburg, ein Tochterunternehmen der Becker Marine Systems, gegründet. Mit Unterstützung des Flensburger Ingenieurbüros Schlüter Marine Solutions wurde ein als Barge bezeichneter antriebsloser Leichter entworfen, konstruiert und der Bau bei der slowakischen Werft SAM (Shipbuilding and Machinery) in Komárno in Auftrag gegeben.

Die Barge zur  Stromerzeugung wurde im Herbst 2014 abgeliefert und erprobt. Einmal in der Woche wird sie zum Kreuzfahrtterminal in der Hafencity geschleppt und über eine Kabelbrücke werden die armdicken Kabel mit riesigen Steckern an dem landseitigen Schaltkasten angeschlossen. Von hier führt eine unterirdisch verlegte Kabelverbindung zum Schaltkasten beim Liegeplatz der Kreuzfahrtschiffe. Über Stecker und eine speziell dafür konstruierte mobile kranähnliche Vorrichtung zum Tidenausgleich erfolgt die Kabelverbindung zum  Landanschluss auf der Backbordseite des Kreuzfahrtschiffes. Der erste Betrieb zur Stromversorgung der "Aidasol" wurde am 29. Mai 2015 aufgenommen .

 

5.1 Beschreibung der „Hummel“

In der 76,7 Meter langen und 11,4 Meter breiten Barge mit 1,7 Meter Tiefgang befinden sich im unteren Deck die Maschinenräume mit den Generatoraggregaten, der Hilfsmaschinenraum für die Luft- und Kühlwasserversorgung, den Feuerlöschpumpen  und  Schmierölaufbereitung sowie der Raum für die E-Zentrale. Auf dem Hauptdeck im hinteren Bereich stehen die Tankcontainer und die Anlagen zur Gasaufbereitung. Zur Gasversorgung dienen zwei Vacuum isolierte 40 Fuß Tankcontainer, die regelmäßig im belgischen Hafen Zeebrügge gefüllt werden.

Der Maschinenraum besteht aus einem Mittelgang, an dem sich zu beiden Seiten je drei  einzelne schallisolierte Motorenräume mit derzeit insgesamt fünf Gasmotoren mit den Generatoren  befinden. Jeder Generator hat eine Nennleistung von 1.500 kW, also insgesamt können rund 7.500 kW an elektrischer Leistung erzeugt werden. Der elektrische Strom wird in der E-Zentrale über die Generatorschalter in den einzelnen Schaltfeldern auf die gemeinsamen Sammelschienen geführt. Hier befindet sich auch die Einrichtung zum Synchronisieren der einzelnen Generatoren auf die Bordnetzfrequenz.

Im Sommerbetrieb wird als Kraftstoff das in den Tankcontainern befindliche LNG verwendet. Die erzeugte elektrische Leistung mit der Frequenz von 60 Hertz und 11.000 Volt dient dann zur Versorgung der Kreuzfahrtschiffe. Im Winterbetrieb arbeitet die Barge wie ein Blockheizkraftwerk und wird über die städtische Erdgasleitung versorgt. Die Abgas- und Kühlwasserwärme wird nach dem Prinzip der Koppelung von Kraft und Wärme genutzt. Mit dem Strom (jetzt 50 Hertz) und die Wärme werden landseitige Industriekunden versorgt. Im Nennbetrieb mit 7.500 kW elektrischer Leistung können insgesamt etwa 8.800 kW an thermischer Leistung in das Fernwärmenetz  abgegeben werden.

 

6. Neue LNG-Kreuzfahrtschiffe aus Japan und Deutschland

Die Aida-Neubauten ab 2007 wurden für einen späteren nachrüstbaren elektrischen Landanschluss vorbereitet. Die „Aidasol“ wurde bereits mit der dafür notwendigen technischen Hardware ausgestattet. Sie war das erste Schiff der Flotte, das seit Juni 2015 in Hamburg von der „Hummel“ mit Strom aus LNG versorgt wird. Voraussichtlich ab Frühjahr 2016 wird mit der „Aidaprima“, das erste Schiff der neuen Hyperion-Klasse für 3.300 Passagiere, der nächste Schritt vollzogen. Das in Japan gebaute jedoch erheblich verspätet zur Ablieferung gelangende Schiff verfügt über einen Landanschluss. Das dieselelektrische Kreuzfahrtschiff ist mit vier 12-Zylinder Dieselmotoren mit je 10.800 kW Nennleistung ausgerüstet, einer davon wurde als Dual-Fuel Dieselmotor ausgeführt. Damit kann im Hafenbetrieb Erdgas als Treibstoff verwendet werden, wenn die landseitige Infrastruktur dafür vorhanden ist. Die „Aidaprima“ wird ab April 2016 am neuen mit dem notwendigen Erdgasanschluss ausgestatteten Hamburger Kreuzfahrtterminal im Kaiser-Wilhelm-Hafen abgefertigt.

Im Juni 2015 vergab Aida Cruises Neubauaufträge für zwei 180.000 BRT Kreuzfahrtschiffe an die Meyer Werft in Papenburg, die 2019 und 2020 abgeliefert werden sollen. Diese neue Schiffsgeneration soll sowohl auf See als auch im Hafen mit LNG betrieben werden [8]. Sie sind dann, wie schon die AG-Ems Schiffe, mit entsprechenden allerdings deutlich größeren LNG-Tanks auszustatten.

7. Zusammenfassung

In Nordeuropa, Nordamerika, der Karibik und in Teilen des pazifischen Seeraumes wurden große Küstenbereiche zu Emissionskontrollzonen (ECA Emission Control Area) erklärt. Besonders die 2015 in Europa in Kraft getretenen ECA-Vorschriften für die Ost- und Nordsee

haben sich auf die europäische Schifffahrt ausgewirkt. Die Schiffbauindustrie und die Reederschaft sieht mit der Verwendung von LNG als Kraftstoff eine geeignete Möglichkeit zur Einhaltung dieser die Umwelt schonenden Vorschriften. Die Borkumfähre „Ostfriesland“ der AG-Ems wurde daher im Rahmen eines Forschungsprogrammes umgebaut und hat die Erwartungen bestätigt. Seit Herbst 2015 ist der Neubau „Helgoland“ der Reederei Cassens Eils mit LNG als Kraftstoff im Probebetrieb und verbindet Hamburg und Cuxhaven mit der Hochseeinsel.

Die „Hummel“, eine Barge mit fünf gasbetriebenen Motoren zur Stromerzeugung, versorgt das Kreuzfahrtschiff „Aidasol“ einmal wöchentlich am Hamburger Kreuzfahrtterminal in der Hafencity. Die nächste Schiffsgeneration der Kreuzfahrtschiffe (Hyperion-Klasse) von Aida Cruises wird dieselelektrisch angetrieben und im Hafen mit LNG betrieben, da einer der Dieselgeneratoraggregate als Dual Fuel Motor ausgeführt wurde. Die 2019 folgenden Kreuzfahrtschiffe von der Meyer Werft sollen zu 100 Prozent, also auf See und im Hafen, mit LNG betrieben werden.

8. Literatur

[1] Köhler, H. W.: Beurteilung der NOx-Emission durch die weltweite Schifffahrt, in
Schiff und Hafen, Nr. 11/2002

[2]  Hochhaus, K.-H.: Umweltbetrachtungen zur Schifffahrt, Hansa Nr. 6, 2007

[3]  Hochhaus, K.-H.; Rachow, M.:    Umwelt; Kapitel 5.3 im Handbuch der Schiffsbetriebstechnik;  Seehafen-Verlag, 2006

[4]  Hochhaus, K.-H.: Entschwefelungsanlagen für neue Schiffe; in Hansa 9 2014

[5] Lausch, W.: Hat der Dieselmotor als Antrieb von Schiffen eine langfristige Zukunftsperspektive; in STG Jahrbuch, 2003

[6] Ofterdinger,; Schröder, F. W.: Seetransport von Kühlgütern, Flüssiggastransporte; ab S. 376 in Handbuch der Kältetechnik, 1962 Springerverlag

[7]  Hochhaus, K.-H.: „Ostfriesland“ von der AG Ems, das erste LNG-Schiff unter deutscher Flagge; in Schiffs-Ingenieur Journal Juli/August 2015

[8]  N.N.: Aida bestellt Kreuzfahrtschiffe mit LNG-Antrieb bei Meyer; in Schiffs-Ingenieur Journal Juli/August 2015