Schiffsingenieur-Patent seit 40 Jahren

Dieser Beitrag wurde von mir im  Schiffsingenieur Journal  Dezember 2012 veröffentlicht und 2022 aktualisiert

Karl-Heinz Hochhaus

1. Einführung

Wir trafen uns im Sommer 2012 bei herrlichen Wetter um 10:30 Uhr in Bremerhaven hinter dem Auswanderermuseum vor dem Liegeplatz der Kogge "Ubena von Bremen" . Herbert Franke und Manfred Müller hatten das Treffen organisiert und Jürgen Meyer sorgte in seiner Funktion als "Chief" für eine vierstündige Weserfahrt mit dem Bremer Koggenachbau., Auch ohne Wind und Wellen aber mit dem Hilfsmotor wurde dieses Klassentreffen ein schönes und einmaliges Erlebnis.

 

An Bord der Kogge feierten 17 (Abb. 1). von ehemals 26 Absolventen der ersten Bremerhavener C6/CI Schiffsingenieurklasse, die ohne Zwischenfahrtzeit durchgehend studierten, den 40. Jahrestag der Zeugnisübergabe und Patentverleihung. Viele waren mit ihren Frauen erschienen. Als Ehrengast konnten wir Prof Alfred Harms begrüßen, der uns in Motorenkunde unterrichtet hatte.

Abbildung 1: Die Kogge "Ubena von Bremen"  mit einer Antriebsmaschine von 370 PS und Dieselgeneratoraggregat mit 20 kW  wurde im Rahmen Ihres 40jährigen Jubiläums  von 17 Schiffsingenieuren mit dem höchsten Patent betreut (Foto: Olaf Adebahr)
Abbildung 1: Die Kogge "Ubena von Bremen" mit einer Antriebsmaschine von 370 PS und Dieselgeneratoraggregat mit 20 kW wurde im Rahmen Ihres 40jährigen Jubiläums von 17 Schiffsingenieuren mit dem höchsten Patent betreut (Foto: Olaf Adebahr)

2. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Schiffsingenieurs

Abends saßen wir dann im Weser Yacht Club in der Borriesstraße beim gemeinsamen Essen. Anschließend hielt der Autor dieses Artikels einen Vortrag zu „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Schiffsingenieurs“ mit Betonung der Ausbildung ab 1966 und des Bremerhavener Umfeldes (Abb. 2 und 3). Manfred Müller verlas anschließend einen thematisch passenden Text, den er für die örtliche Zeitung verfasst hatte. Danach genossen wir drei kurze Filme, die Gerhard Mühlnickel bei zwei Fußballspielen der Klasse während des Studiums und 1972 auf der Exkursion nach Süddeutschland gedreht hatte.

 

Nur sehr wenige von uns sind durchgängig zur See gefahren – aber alle sind der Technik treu geblieben. Sicherlich auch, weil die Ausbildung seinerzeit sehr praxisbezogen war und Schiffsingenieure als Betriebsingenieure sehr universell einsetzbar waren. Auf den Schiffen auf hoher See mußten sie selbst anpacken, auf Hilfe der Werft oder des Motorherstellers konnte man nicht warten. Die breite Ausbildung einer maschinenbaulichen Lehre und zweijährige Fahrtzeit waren seinerzeit die Voraussetzung, um zum Studium zugelassen zu werden.

 

Abb. 4: Stapellauf der Otto Hahn

2.1 Reaktortechnik

Kurios erschien uns im Rückblick, dass zur Ausbildung an der Ingenieurschule seinerzeit auch das Fach Reaktortechnik mit einem Laborversuch am Versuchsreaktor in der Hochschule Bremen gehörte. Da träumte man noch von einer Handelsflotte, deren größeren  Schiffe mit Kernenergieantrieb fahren. Inzwischen (2022) hat Japan Fukushima überstanden und der durchgegangene Reaktor in der Ukraine  hat zur  Reduzierung der Strahlung einen Sarkophag erhalten, schaltet Deutschland die letzten Kernreaktoren ab. Andererseits fuhr Wolfgang Milde als 1. Ingenieur auf der „Otto Hahn“, die unter deutscher Flagge eines der wenigen zivilen Atomschiffe war, die Fracht transportierten. Allerdings mit geringem Erfolg, da nur wenige Länder ihre Häfen für diesen Schiffstyp geöffnet haben.

Abbildung 2: Schiffsingenieurausbildung 1910 und 1966  (Grafik Dr. Hochhaus).
Abbildung 2: Schiffsingenieurausbildung 1910 und 1966 (Grafik Dr. Hochhaus).

2.2 1910 Studium 4 Semester, 1966 Studium 6 Semester

Inzwischen hat sich die Ausbildung der Schiffsingenieure in mehrfacher Hinsicht verändert. Einerseits wurde die praktische Ausbildung verkürzt und andererseits sind zum Erwerb des höchsten Schiffsingenieurpatentes CI nur noch 4 Semester notwendig, die von Fachschulen angeboten werden. Das Studium mit 6 Semestern führte 1965 zum akademische Titel „Ing. grad.“ . Es iwird inzwischen an Fachhochschulen asolviert und es wird der Titel „Dipl.-Ing.“ verliehen. Seit 2010 wird nur noch der „ Bachelor of Engineering “ (B.Eng.) verliehen, der in der Regel ein Studium von 8 Semestern voraussetzt. Davon wird ein Semester als Praxissemester und ein Semester als Prüfungssemester absolviert. All dies hörten die Schiffsingenieure im Abendvortrag.

 

Dabei wurde in rund 30 Minuten die über 100-jährige Geschichte der Schiffsingenieure (ab 1910) verfolgt. Einige der Anwesenden haben mit rund 50 Jahren die Hälfte der Zeit in diesem Beruf verbracht, wenn die notwendigen Studienvoraussetzungen (Lehre und Ing.-Assi-Fahrtzeit) berücksichtigt werden. In diesen 100 Jahren ist die Theorie immer mehr in den Vordergrund und die Praxis fast immer weiter in den Hintergrund gerückt (Abb. 2). Abhängig von den Jahr der praktischen Ausbildung dauerte es bis zur Erteilung des höchsten technischen Patentes 10 bis 6 Jahre.

 

1910 = 4 Semester Theorie 8,0 Jahre Praxis (Ingenieur, Schiffsingenieur))

 

1924 = 5 Semester Theorie 10,0 Jahre Praxis (Ingenieur, Schiffsingenieur))

 

1965 = 6 Semester Theorie 7,5 Jahre Praxis (Ingenieur grad.,Schiffsingenieur) )

 

1977 = 6 Semester Theorie 3,5 Jahre Praxis (Dipl.-Ing., Schiffsingenieur))

 

2010 = 7 Semester Theorie 3,0 Jahr Praxis (Bachelor, Schiffsingenieur))

 

2010 = 4 Semester Theorie 4,0 Jahr Praxis (Techniker, Schiffsingenieur)

 

Der ursprünglich gerade Berufsweg bietet heute mehrere Nebenwege (Abb. 3) und erschien uns recht unübersichtlich. Wie 1910 reichen heute sogar wieder 4 Semester Fachschule, um Leiter der Maschinenanlage mit unbegrenzter Leistung zu werden.

 

Seit 1995 ist eine Ingenieurausbildung für die Erlangung des höchsten technischen Patentes (CI) nicht mehr notwendig, denn das 1978 durch die International Maritime Organization (IMO) entstandene STCW-Übereinkommen (engl. International Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers) ist eine gültige UN-Konvention. Sie gilt seit 1995 auch in Deutschland und der erfolgreiche Abschluss an einer viersemestrigen Fachschule reicht zum Erwerb des höchsten Patents aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 3: Heutige Ausbildung zum Schiffsingenieur (Leiter der Maschinenanlage) mit Abitur oder Fachabitur die zum Abschluß Bachelor of Science (B. Sc.) führt (Grafik Dr. Hochhaus).

3. Zusammenfassung

 Im Sommer 2012 feierten wir unser Klassentreffen auf der Kogge "Ubena von Bremen", dass Herbert Franke, Manfred Müller und Jürgen Meyer organisiert haben. Ein einmaliges unvergeßliches Klassentreffen.

 

 

Inzwischen liegt die Zeit der Zeugnisübergabe und Patentverleihung 50 Jahre zurück. Einige von uns haben sich vor zwei Jahren in Bremerhaven auf Einladung der Wieland getroffen und wurden vom Vorstand für 50 Jahre Mitgliedschaft im Verein der Schiffsingenieure Wieland geehrt. Der Vorstandsvorsitzende Klaus Ehlen, einer der wenigen Schiiffsingenieure, die bis zur Rente zur See gefahren sind, übergab uns die Urkunden.

Abbildung 5: Bordpersonal auf deutschen Seeschiffen, Stand 30.6.2010 (Quelle VDR)

 

 

 

Abbildung 6: Bordpersonal auf deutschen Seeschiffen, Stand 2020 (Quelle VDR)