Es fehlen noch die Hubbeine
Es fehlen noch die Hubbeine

„Aeolus“, ein Offshore-Windanlagen-Errichterschiff von der Sietas Werft

Karl-Heinz Hochhaus

Der nachfolgende Text wurde von mir in der Hansa Nr. 4/2012 veröffentlicht und an dieser Stelle leicht aktualisiert wiedergegeben.

 

 

1. Einführung

Als erste deutsche Werft wird die Sietas-Werft ein innovatives "Jack-Up Vessel" abliefern, so die international gebräuchliche Bezeichnung für Errichterschiffe von Offshore Windenergieanlagen (WEA). Der niederländischen Wasserbaukonzern „Van Oord Dredging and Marine Contractors“ erteilte Sietas den Auftrag erstmals im Dezember 2010. Aufgrund der Insolvenz des Werftunternehmens wurde der Auftrag im Februar 2012 erneut abgeschlossen.

Van Oord ist eines der weltweit führenden Unternehmen, die sich auf den Gebieten Nassbaggerei, Landgewinnung, Wasserbau und Küsteningenieurwesen spezialisiert haben. Außerdem ist das Unternehmen bei der Installation von Offshore-Bauwerken für die Öl- und Gasindustrie und bei der Planung sowie dem Bau von Offshore-Windparks engagiert. Im Rahmen dieser Aktivitäten werden im eigenen Betrieb rund 100 Arbeitsschiffe, darunter etwa 70 Schwimmbagger bereedert.

 

2. Schiffsbeschreibung der „Aeolus“

Die „Aeolus“ wurde (Abb. 1) auf der STG-Hauptversammlung 2012 der Öffentlichkeit [1, 2] vorgestellt, daher werden die wichtigsten technischen maschinenbaulichen und schiffbaulichen Daten weitgehend in den Tabellen 1, 2, 3, 4, 5 aufgeführt.

2.1 Schiffbau (Tab. 1, 2)

Die „Aeolus“ wurde als Schiff mit einer hydrodynamisch optimierten Rumpfform entworfen und kann bis 3,6 Meter signifikante Wellenhöhe arbeiten. Sie verfügt über eine vollständige Integration des Kranes mit 900 t Tragkraft und über eine große flexibel nutzbare Decksfläche von 3.200 qm (Abb. 2). Die jahrelange Erfahrung der Sietas Werft im Bau von Schwergutschiffen hat zu der Besonderheit geführt, dass bei der“Aeolus“ im Hafen voller Kranbetrieb ohne „Aufjacken“ möglich ist. Dies wird durch die entsprechenden Operationen des Ballastsystems ermöglicht und führt zu Zeit- und Energieeinsparungen.

2.2 Antriebssystem und Dynamische Positionierung (Tab. 3)

Das dieselelektrische Antriebssystem besteht aus den vier Dieselgeneratoren, den vier elektrischen Fahrmotoren mit Verstellpropellern und dahinter angeordneten hocheffizienten Flossenrudern sowie je zwei Bug- und Heckstrahlern. Die Anlage wurde nach der Klassifikationsforderung „Dynamische Positionierung“ DP 2 projektiert und ausgelegt.

2.3 Schiffshilfssysteme

Da Dieselöl als Treibstoff verwendet wird, wurde kein Abgaskessel mit Heizdampf- oder Thermoölsystem installiert. Die Dieselölseparatoren werden mit Warmwasser und die Schmierölseparatoren elektrisch beheizt. Das Kühlwassersystem ist unterteilt in Seewasser- und Frischwassersystem. Beim Jacken und im aufgejackten Zustand dient ein ins Wasser abgesenkter Versorgungsmast mit 3 Tauchpumpen zur Seewasserförderung für das Seekühlwasser- und Feuerlöschsystem. Das Ballastwassersystem (2 Pumpen a 500 cbm/h) ist mit einer Ballastwasseraufbereitungsanlage von Alfa Laval ausgestattet. Das Lenzsystem arbeitet mit Zentrifugalpumpen, zum Restlenzen sind Membranpumpen installiert. Druckluft dient zum Anlassen der Dieselmotoren (30 bar), zur Versorgung der Arbeits- (8 bar) und der Steuerluftsysteme. Die Trinkwasserversorgung besteht aus dem Kalt- und Warmwassersystem, die jeweils mit getrennten Drucktanks ausgestattet sind. Zur Warmwasserbeheizung wird Motorkühlwasser aus dem HT-Kühlkreislauf genutzt, außerdem ist ein Heizkessel vorhanden. Zur Frischwasserzeugung dient eine Anlage nach dem Prinzip der Umkehrosmose.

2.4 Jack-Up System und Kräne (Tab. 4)

Das Jack-Up System wurde gemeinsam mit der IMS Ingenieurgesellschaft entwickelt und konstruiert. Es besteht aus insgesamt vier doppeltwirkenden hydraulischen Hubsystemen (Muns Techniek, NL), die über ein zentrales elektrohydraulisches (690 Volt) System versorgt und gesteuert werden. Sie wirken auf die vier Hubbeine und tragen das Gesamtgewicht der „Aeolus“. Die Spülsysteme sind in den Hubbeinen integriert.

Die Kräne werden von der 1970 gegründeten Neuenfelder Maschinenfabrik (NMF) geliefert, bis 2012 eine Sietastochter. Sie wurde an die norwegische TTS Group ASA verkauft. Der über die 690 Volt Schiene versorgte elektro-hydraulische Offshore-Spezialkran für 900 Tonnen Last bei der Auslage von 30 Meter kann bis zu einer Höhe von 120 Metern über dem Wasserspiegel arbeiten. Er ist mit einem zusätzlichem Hilfshub (100 t auf 86 m) ausgestattet. Weitere 2 Kräne (2 x 20 t auf 24 m) ergänzen die Decksausstattung, um ein flexibles Arbeiten zu ermöglichen.

 

3. Errichterschiffe, Entwicklung eines neuen Schiffstyps

Fachleute leiten die Entstehung der Errichterschiffe aus der Kombination von Hubinseln und Kranschiffen ab. Dies wird auch sichtbar, wenn man auf die Anfänge der Offshore Windkraft zurückblickt. Neben den Hubinseln (1. Generation) wurden für den speziellen küstennahen dänischen Markt Frachtschiffe zu Errichterschiffen umgebaut (2. Generation, Reederei A2Sea). Die Kombination von Kranschiffen mit zusätzlichen Hubbeinen entwickelte sich zum neuen Typ „Errichterschiff“ (3. Generation, Tab. 5). Je nach Definition sind derzeit davon etwa 20 – 35 im Markt oder kurz vor der Ablieferung [3, 4].

 

4. Zusammenfassung und Ausblick

Das zur Zeit im Bau befindliche Errichterschiff der Sietas Werft (Abb. 4) wird im 1. Quartal 2014 die Sietas-Werft verlassen, danach werden die Hubbeine zusammen mit dem Hubsystem montiert. Die Nachbau-Option wurde nicht eingelöst, da der damit zu errichtende EnBW-Windpark „Hohe See“ mit 80 WEA wegen fehlender Garantien (Netzanbindung statt 2015 erst 2017) vorerst auf Eis gelegt wurde [5]. Die „Aeolus“ wird beschrieben und tabellarisch mit anderen Errichterschiffen verglichen. Bei der Betrachtung von vielen modernen Errichterschiffen ist die Verwandtschaft mit Hubinseln nicht zu übersehen. Die „Aeolus“ dagegen stammt von Schwergutschiffen ab, eine starke Domäne der Sietas Werft. Daraus resultiert der riesige Vorteil, dass die „Aeolus“ im Ladehafen nicht aufgejackt werden muss. Daher ergeben sich neben der Zeitersparnis weitere Vorteile, denn die Ladehäfen für übliche Errichterschiffe müssen besonders standfeste Böden aufweisen. Diese werden in der Regel erst durch spezielle Fundamente oder Auskofferung vor den Offshorekajen geschaffen.

 

Die Sietas Ingenieure haben Entwürfe erarbeitet, wie sich die Probleme beim Umschlagen der Gründungskörper, Turmsegmente und Windturbinen von Zubringerschiffen (Abb. 5) auf See lösen lassen. Die Errichterschiffe werden dann von dem zeitraubenden Transport der WEA-Komponenten entlastet und können sich auf die Arbeit vor Ort konzentrieren.

 

5. Literatur

[1] Voigt, Katharina; Gröne, Hendrik; Vorhölter, Hendrik: _Sietas Typ 187 - Entstehung eines innovativen Schiffes für die Offshore-Windindustrie, STG-Vortrag am 22.11.2012 in Hamburg, STG Jahrbuch 2012

[2] Hochhaus, Karl-Heinz: 107. Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft, Hansa Nr. 1/2013

[3] Hochhaus, Karl-Heinz: Errichterschiffe, ein neuer Schiffstyp für Offshore-Windparks im tiefen Wasser, Schiffsbetriebstechnik Flensburg Nr. 4 2012

[4] Wehrmann, Anne-Katrin: Benötigte Tonnage muss frühzeitig abgesichert werden. Hansa Nr. 2/2013

[5] N.N.: Offshore-Windpark in der Nordsee, EnBW stoppt Milliarden-Projekt, Spiegel Online 14.11.2012

 

   

Abmessungen der „Aeolus“ (Sietas Typ 187)

Länge üa [m]

139,40

Länge pp [m]

134,70

Breite [m]

38,00

Höhe Hauptdeck [m]

9,12

Tiefgang [m]

5,70

Vermessung [GT]

15000,00

Tragfähigkeit [tdw]

6.500

     Tabelle 1: Schiffbauliche Daten
     

Deck, Tanks, Aufbauten

Abmessungen Deck [m]

101x38

nutzbare Deckfläche [qm]

3.200

spez. Deckbelastung [t/qm]

10

Dieselöltank [cbm]

1.000

Frischwassertank [cbm]

900

Einzelkabinen

26

Doppelkabinen

24

Besatzung und Servicepersonal

74

Brückenausstattung
 

Siemens/
Interschalt

   
Tabelle 2: Abmessungen und Daten für  den Betrieb und das Personal               
     

 

 

Antriebsanlage und dynamische Positionierung

Hauptmaschinen [kW]

 4 x 4.500

MAK

Generatoren

4 x 4.320

Siemens AG

Notdiesel [kW]

690

 Caterpillar

Geschwindigkeit [kn]

12

 

Propellerantrieb  [kW]

 2 x 5.000

Berg Propulsion

Bugstrahler  [kW]

2 x 2.500

Berg Propulsion

Heckstrahler [kW]

2 x 2.500

Berg Propulsion

Flossen-Ruder

2 Stück

Becker Marine Systems

Dyn. Positionierung

DP 2

Kongsberg Maritime

 

   

     Tabelle 3: Elektrische Stromerzeugung, Antrieb und dynamische Positionierung   


 

 

     
     

Jack-Up System  und Kranausstattung

Anzahl Hubbeine

4

Länge [m]

86,50

Durchmesser [m]

4,50

Hauptkran (TTS NMF)

900 t bei 30 m

Hilfshub (TTS NMF)

100 t bei 86 m

Hilfskrane (TTS NMF)

2 x 20 t bei 24 m

   

Tabelle 4: Jack-Up System und

Kranausstattung            

          

Schiffsname

Sea

Thor

Victoria

Sea

Innovation

Vidar

Aeolus

 

Energy

 

Mathias

Installer

 

 

 

 

 

 

(Sea-

 

 

 

(Sietas

(Schiffstyp)

Umbau

Hubinsel

breeze)

Errichter

Errichter

Errichter

Type 187)

Eigner

A2Sea

Streif Baul.

RWE

A2Sea

HGO Infra

Hochtief

Van Oord

Reederei

A2Sea

Hochtief

NSB

A2Sea

 Sea Sol.

Hochtief

Van Oord

Bauwerft

Oerskov

Cristwerft

DSME

COSCO

Cristwerft

Cristwerft

Sietas

Land

Dänemark

Polen

Süd Korea

China

Polen

Polen

Deutschl.

Baujahr

1991/2001

2010

2011

2012

2012

2013

2013

Länge [m]

110

70

100

132,4

147,5

136,5

139,4

Breite [m]

20

40

40

39

42

41

38

Install. Leistg. ca. [kW]

3500

5000

12800

18000

27000

20000

17200

Antriebsleistg. ca. [kW]

2400

3000

9600

11400

14000

11000

10000

Geschwindigkeit [kn]

7,8

 

6

12

12

10

12

Wassertiefe  [m]

25

50

40

45

50

50

45

Kran [t]

110

500

1000

800

1500

1200

900

Ausleger [m]

20

20

25

24

31,5

27,5

30

Personen

40

48

60

60

100

90

74

Tragfähigkeit [t]

2200

1680

4500

6200

8000

6000

6500

Deckfläche ca. [qm]

1020

1850

2500

3200

3400

3400

3200

Jacking System

Seilzug

hydraul.

hydraul.

hydraul.

elektrisch

hydraul.

hydraul.

   

Tabelle 5: Einige Daten von Umbauten, Hubinseln und modernen Errichterschiffen (Quelle: div. Datenblätter  [1, 3])

   
     
Die Aeolus bei der Sietas-Werft im Baudock
Die Aeolus bei der Sietas-Werft im Baudock