Die Abb. 1 zeigt die mit einer Mühle angedeuteten Windparks der Nordsee, die entsprechenden separaten Trafostationen und die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Letztere bestehen aus den riesigen bis 20.000 t schweren und bis zu einer Milliarde teuren künstlichen Inseln, die den hochgespannten Drehstrom in Gleichstrom wandeln, in armdicken Kabeln übertragen und an Land wieder zu Drehstrom gewandelt werden (Zeichnung von Dirk Hochhaus)

Offshore-Windkraft  von Siemens  in Cuxhaven

von Karl-Heinz Hochhaus

 

1. Einführung

Im Herbst 2015 beginnen in Cuxhaven die Bauarbeiten einer Fabrik für Windkraftanlagen, die Mitte 2017 mit der Produktion der neuen getriebelosen 7-Megawatt-Windturbine von Siemens beginnen soll. Der Siemenskonzern ist in der Windkraft an Land und besonders auf See seit über 10 Jahren umfassend engagiert .

In der Offshore Windkraft steht der in Hamburg beheimatete Bereich Siemens Windenergie (Siemens Wind Power) weltweit an erster Stelle. Neben dem Bau von Windturbinen spielt Siemens besonders in der Übertragungstechnik mit den bis zu einer Milliarde Euro teuren auf künstlichen Inseln installierten riesigen Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung-Anlagen (HGÜ) in der ersten Liga (Abb. 1). Diese Pioniertechnologie beinhaltete auch aufgrund der erst zu erstellenden Vorschriften und der extrem rauen Bedingungen der Nordsee enorme Schwierigkeiten. Mit ein Grund, dass diese Anlagen erst verspätet in Betrieb genommen werden konnten. Auch als Reeder für die speziellen sogenannten Errichterschiffe, die zum Aufbau der Windturbinen auf See dienen, spielt Siemens eine wichtige Rolle. An der dänisches Reederei A2SEA mit Sitz in Fredericia ist Siemens Wind Power  mit 49% beteiligt. Die restlichen 51 % befinden sich im Besitz des dänischen Energieversorgungsunternehmens Dong Energy.

 

2. Cuxhaven

Siemens hat europaweit nach einen Standort für eine neue Windkraftfabrik gesucht, urchgesetzt hat sich Cuxhaven. Logistisch von Vorteil entstehen die neuen Fertigungsanlagen dicht an der Hafenkante auf einer Fläche von rund 17 Hektar, um einen schnellen Umschlag auf die Errichterschiffe zu garantieren. Die neue Produktionsstätte für die innovativen Offshore-Windkraftanlagen wird ab Herbst 2015 gebaut. Mit Investitionen von rund 200 Millionen Euro sollen in dem Offshore-Windkraftgeschäft von Siemens tausend neue Jobs geschaffen werden. Hier wird die nächste Generation der Offshore Windkraft entstehen, eine getriebelose und auf Direktantrieb basierende 7-Megawatt-Windturbine. Die Cuxhavener Fertigung betrifft die Endmontage der Generatoren, Naben sowie Gondelelementen, die hier zu kompletten Maschinenhäusern integriert werden.

 

3. Hintergrund

Übernahme  Bonus

Strategisch weit vorausblickend wurde 2004 der 1980 gegründete dänische Windanlagenhersteller Bonus A/S, der 1980 als Danregn Vindkraft A/S gegründet wurde, übernommen. Das damit erworbene Know How mit Schwerpunkt im Offshorebereich diente Siemens als Keimzelle des schnell wachsenden Offshore- Windkraftgeschäftes. Denn schon im Jahr 1991 hatte Bonus mit elf 450 kW Windturbinen im dänischen Vindeby den ersten Offshore-Windpark der Welt  installiert.

 

4. Beteiligung an der Reederei A2SEA 

Das dänische Unternehmen A2SEA mit Sitz in Fredericia wurde im Jahr 2000 gegründet und ist auf technische Dienstleistungen im Bereich der Offshore-Windenergietechnik spezialisiert. 2001 und 2002 wurden die Frachtschiffe „Ocean Ady“ und „Ocean Hanne“ für den Bau von Offshore-Windparks zu sogenannten Errichterschiffen umgebaut. Es handelt sich dabei um sogenannte Hubschiffe (auch als Jack-up-schiffe bezeichnet), die sich mit Hilfe von vier oder seltener sechs hydraulisch oder elektrisch betriebenen Hubbeinen zu einer Insel im Meer aufstellen können. Die „Ocean Ady“ und „Ocean Hanne“ erhielten u. a.  vier Hubbeine sowie einen Bordkran mit 230 Tonnen Tragkraft. Damit wurde 2002 der Offshore Windpark „Horns Rev“ mit 80 Windkraftanlagen errichtet (Abb. 2). Als Reederei betreibt A2SEA inzwischen fünf Errichterschiffe.

 

Neben den zwei Umbauten „Sea Energy“ und „Sea Power“ für die im flachen Wasser erbauten dänischen und englischen Windparks drei weitere. Im Gegensatz zu den dänischen und englischen Windparks mussten die deutschen Nordsee-Offshore-Windparks weit vor der Küste im tiefen Wasser gebaut werden. Dafür reichten die Umbauten aufgrund der geringen Krankapazitäten nicht aus. Die mit rund 16.000 GT vermessene „Sea Installer“ wurde 2014 von der chinesischen Cosco Werft abgeliefert, das Schwesterschiff „Sea Challenger“ folgte 2014, deren Kräne können 900 Tonnen heben (Abb. 3).

Die Windturbinen in den Nordseewindparks benötigen aufwendige Gründungen. Die als Tripods (Abb. 4). bezeichneten Fundamente wiegen bis 800 Tonnen und werden mit langen Rohren in den Meeresgrund „genagelt“. Daher entstanden in den letzten 10 Jahren für die Offshore Windkraftindustrie etwa 15 Neubauten, deren Kräne bis 1.500 Tonnen tragen können und die sich 10 bis 20 Meter über den Wasserspiegel heben können.

 

 

 

 

 

5. Offshore HGÜ-Anlagen zur Stromübertragung von See an Land

Um die Blindleistung und damit die Verluste gering zu halten, ist bei der  Übertragung von Drehstrom die Kapazität zwischen den Leitungen und dem Erdpotential klein zu halten. Bei Freileitungen lässt sich das problemlos durch ausreichenden Abstand der Leitungen zur Erde erreichen. Bei Seekabeln sieht das anders aus. Ab 60 bis 80 Kilometer Länge erlaubt die kapazitive Belastung keinen wirtschaftlichen Betrieb mehr. Die Übertragungsverluste werden zu groß. Dann ergibt die Übertragung mit Gleichstrom Vorteile, weil es dabei keine Blindleistung gibt. Daher werden die deutschen Offshore Windparks mit Entfernungen > 70 Kilometer von der Küste als  Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ausgeführt. An der Küste wird der Gleichstrom wieder in Drehstrom gewandelt. Zu den größten Herstellern von Offshore-HGÜ-Anlagen zählen die Firmen Asea Brown Boveri (ABB), Alstom und Siemens, wobei die meisten der Offshore HGÜ-Anlagen zur Stromübertragung von Siemens abgeliefert wurden.

Inzwischen hat Siemens die vier Nordsee-Netzanbindungen Helwin 1, Helwin 2, Borwin 2 und Sylwin 1 nach Abschluss der erfolgreichen Testläufe an den Netzbetreiber „TenneT“ übergeben. So wird z. B. von der Sylwin1-Plattform der erzeugte Strom der drei Nordsee-Windparks Dan Tysk, Butendiek und Sandbank mit rund 865 MW Gesamtleistung an Land übertragen. Sie ist mit 83 m Länge x 56 m Breite x 26 m Höhe die bisher weltweit größte installierte HGÜ-Plattform, die inklusive der Unterkonstruktion rund 25.000 t wiegt. Der Netzanschluss über Sylwin Alpha kostet mehr als eine Milliarde Euro.

Damit befinden sich diese vier HGÜ Plattformen nun im kommerziellen Betrieb. Die fünfte Netzanbindung in der Nordsee, BorWin 3, mit der Siemens im Frühjahr 2014 beauftragt wurde, soll 2019 übergeben werden. Wenn der Wind mit ausreichender Stärke weht, könnten etwa vier Millionen Haushalte über diese bestehenden Offshoreverbindungen mit Windstrom von See versorgt werden. Die Verluste dieser mit einem Gleichstromzwischenkreis betriebenen HGÜ-Netze liegen nach Aussagen der Hersteller nur noch um vier bis fünf Prozent.

 

5. Service Logistik

Siemens hat nach eigenen Angaben den Service für rund 1400 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 4.800.000 kW Nennleistung übernommen. Dafür wurden u. a. 2015 zwei spezielle Neubauten, die „Esvagt Froude“ für den Ostseewindpark „Enbw Baltic 2“ und die „Esvagt Faraday“ für den Nordsee Windpark „Butendiek“ langfristig gechartert. Diese Schiffe mit dem sogenannten „Ampelmann-System“ zum gefahrlosen Übersteigen vom Schiff auf die Fundamentgalerie der Windkraftanlage sind als schwimmende Hotels mit Werkstatt und Ersatzteillager ausgestattet. Sie ermöglichen den Servicetechnikern deutlich längere Arbeitszeiten vor Ort. Die Schiffe bleiben zwei Wochen im Seegebiet, bevor sie zum  Wechsel der Techniker, zur Proviantübernahme und zum Bunkern in den Hafen kommen.

 

6. Zusammenfassung

Der Beitrag beschreibt das umfassende Engagement von Siemens in der Offshore Windkraft. Von Siemens kommen Offshore-Windturbinen, die verlustarme Technologie der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung von See an Land und an den Errichterschiffen ist Siemens über die  dänische Reederei A2SEA beteiligt. Auch der anspruchsvolle Service der Anlagen wird von Siemens durchgeführt, dafür wurden spezielle Schiffe entwickelt.