Klimaschutz und Schifffahrt

von Karl-Heinz Hochhaus

 

 

Der folgende Text wurde in dem Organ der Hamburger, Bremer, Bremerhavener und Rostocker  Schiffsingenieurvereine "Schiffsingenieur-Journal"  in der Ausgabe Juli/August 2016 (62. Jahrgang Nr. 365) veröffentlicht


 1.  Einführung, Klimaschutzplan für Deutschland bis 2050

 

Die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung hat 2013 wichtige Aspekte zum deutschen Klimaschutz beschlossen. „National sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand vom 1990 reduziert werden. Innerhalb der Europäischen Union soll eine Reduktion um mindestens 40 Prozent bis 2030 mit Treibhausgasreduktion, Ausbau der Erneuerbare Energien und Energieeffizienz erreicht werden. In Deutschland will die Koalition die weiteren Reduktionsschritte im Licht der europäischen Ziele und der Ergebnisse der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 bis zum Zielwert von 80 bis 95 Prozent im Jahr 2050 festschreiben und in einem breiten Dialogprozess mit Maßnahmen unterlegen“ [1].  Diese Ziele beinhalten eine grundlegende Änderung der in Abb. 1 für 2014 dargestellten   Primärenergieversorgung aus konventionellen zu regenerativen  Quellen.

 
Im Dezember 2015 erfolgte in Paris der seit langem überfällige Durchbruch in der internationalen Klimapolitik. 195 Staaten, die zuvor ihre CO2-Bilanz und zukünftigen Klimaschutzbeiträge einreichen mussten, beschlossen das „Pariser Abkommen“, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf  2 °C oder weniger zu begrenzen. Es sollen Anstrengungen unternommen werden, den Temperaturanstieg bereits bei 1,5 Grad zu stoppen. Es ist ein Gleichgewicht im von Menschen verursachten Ausstoß von CO2 und der CO2-Bindung von Pflanzen, Bäumen und den Algen im Meer zu erreichen. Damit würden die Netto-Emissionen auf Null gesenkt. Das „Pariser Abkommen“ tritt in Kraft, wenn mehr als 55 Staaten mit mindestens 55 % der weltweiten CO2-Emissionen es ratifiziert haben. Im April 2016 haben 175 Staaten, darunter auch Deutschland, das Abkommen in New-York unterschrieben.

 

Abbildung 1: 2014,  das vereinfachte Energieflußbild für Deutschland zeigt  521 Mio. t  SKE Energieaufkommen  (QuelleAGEB)

 

2. Land- und Seeverkehr

 

Obige Ziele lassen sich erreichen, da die Technologien zur regenerativen Stromerzeugung vorhanden sind und bereits im großem Maßstab angewendet werden. Schwieriger wird es bei der Mobilität, obwohl die weitgehend elektrifizierte Bahn hier der Konkurrenz weit voraus ist. Umso weniger ist zu verstehen, dass die Bahn-Gütersparte in Deutschland  215 von rund 1500 Verladestationen schließen will. Bei den LkW`s und Pkw`s auf der Straße wird es aufwendiger, da die Technologie von E-Fahrzeugen erst am Anfang steht. Der Kfz-Sparte sind die „Pariser Verträge“ noch nicht bewusst, sie beschäftigt sich intensiv mit Roboterautos. Auch der Schifffahrt mit Generationszyklen von 20 – 30 Jahren ist der Ernst der Lage nicht bewusst, denn hier beginnt gerade der zaghafte Wechsel vom Schweröl zum LNG. Nicht aus Einsicht, sondern aufgrund der Abgasvorschriften in der Ost- und Nordsee sowie den nordamerikanischen Küstengewässern.

 

Dadurch entstanden neben Schiffen mit Abgasreinigungsanlagen Dual-Fuel-Schiffe, die, wie in den 1960ger Jahren, zwischen Diesel-Kraftstoff und Schweröl umschalten. Alternativ wird auch LNG als schwefelfreier Kraftstoff eingesetzt. Schiffe die ausschließlich in den Küstengewässern fahren, wie der erste deutsche LNG-Neubau „Helgoland“, verwenden LNG und haben Dual-Fuel-Motoren für den Fall, dass die LNG-Versorgung stockt. Denn bisher gibt es in Deutschland noch keinen Hafen (oder Bunkerboote) mit LNG-Versorgung. LNG zur Schiffsbebunkerung wird daher mit Tanklastwagen aus holländischen oder belgischen Häfen gebracht.

 

Die rein elektrischen Schiffsantriebe sind selten, obwohl es sie bereits vor rund 100 Jahren für Vergnügungsboote, Barkassen, Oberleitungsschlepper bzw. als Lastkähne in der Binnenschifffahrt gab [2, 3]. In Berlin wurden von der Reederei Ziegel Transport AG eine Flotte von über 100 Frachtkähnen für Ziegelladungen von je rund 150 t betrieben. Die Stromversorgung erfolgte aus Bleiakkus mit 80 Zellen, die rund 10 t wogen. Mit der Antriebsleistung von 7 kW (Abb. 2) ergab sich eine Reichweite von rund 80 km. Die  Kähne  wurden von den Zehdenicker Ziegelwerken über die  Havel,  die  Spree,  den  Landwehrkanal,  den Spandauer Schifffahrtskanal und den heute nicht mehr existierenden Luisenstädtischen Kanal in die unmittelbare Nähe der Berliner Bauplätze transportiert. Daher auch der treffende Spruch, “Berlin wurde aus dem Kahn erbaut“.

 

3. Elektrische Fjordfähre „Ampere“

 

Die aus Aluminium gebaute Katamaranfähre „Ampere“ mit zwei schmalen Rümpfen wurde von der norwegischen Werft Fjellstrand entworfen, in Polen gebaut und bei Fjellstrand ausgerüstet. Sie ist 80 m lang, 20,8 m breit, hat Platz für 120 Fahrzeuge und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie wurde 2014 an die norwegische Reederei Norled abgeliefert.

 

Die Firma Siemens in Norwegen war maßgeblich an der Entwicklung und der Realisierung des Zukunft trächtigen Konzepts der elektrischen Antriebsanlage beteiligt. Eine Lithium-Polymer-Akku-Anlage von Corvus Energy mit einem Gewicht von 11 Tonnen und einer Kapazität von rund 1000 Kilowattstunden dient zur Stromversorgung. Zwei auf die Propeller wirkenden Elektromotoren mit insgesamt 800 kW sorgen für den Antrieb und benötigen bei der Nenngeschwindigkeit von zehn Knoten etwa 400 kW Leistung. Je nach Fahrtbedingungen werden etwa 150 bis 200 kWh für eine Fahrt über den Fjord benötigt. In den beiden Häfen wurden Hochleistungsakkus zum Aufladen der bordseitigen Akkus vorgesehen, da nur eine 10-minütige Liegezeit zur Verfügung steht. Sie werden während der Fahrtzeit der „Ampere“ anschließend über das relativ schwache Landnetz wieder aufgeladen.

 

4. Hybridschiffe

 

Als Hybridschiffe werden Schiffe bezeichnet, die mit verschiedenen Antriebskonzepten fahren. Hier sollten Rotorschiffe wie z. B. die „E-Ship 1“ genannt werden, die seit 2010 mit Wind- und Motorkraft fährt. Auch die Fähren von Scandlines zählen dazu, sie fahren mit elektrischem Strom, der von eigenen Dieselgeneratoren erzeugt und in Akkus gespeichert wird. Auch die kleinen Berliner Fähren werden als Hybridschiffe bezeichnet

 

4.1  Berliner Hybridschiffe mit Solarantrieb

 

Eine Serie von elektrisch überwiegend mit Solarstrom betriebenen kleinen Katamaranfähren, gebaut von der Stralsunder Firma Formstaal, werden von der Weiße Flotte (Stralsund)  seit 2014 in Berlin eingesetzt (Abb. 4). Sie verkehren im Auftrag der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) auf vier Fährlinien und sind für die Beförderung von 49 Personen sowie Stellplätzen für zwei Rollstühle und zehn Fahrräder ausgelegt. Vorher wurde dieser Dienst von Fähren mit Dieselmotorantrieb erledigt.

 

Es sind  Katamarane mit einer Länge von 18,5 m, Breite von 5,3 m und einem Tiefgang von 0,6 m mit einer Dienstgeschwindigkeit von 7 km/h und maximaler Geschwindigkeit von 12 km/h. Strom aus Akkumulatoren, die von Solarpanelen mit einer Nennleistung von 10,6 kW gespeist werden, treiben die auf Propeller wirkenden Fahrmotoren an. Die auf dem Dach montierten 52 Solarmodule haben eine Gesamtfläche von rund 66 m². Über Nacht kann über Ladestationen eine weitere Aufladung mit Landstrom erfolgen. Die Nennleistung der Fahrmotoren beträgt je 10 kW und die Nennleistung des Bugstrahlers beträgt 7 kW. Eine Person bedient die Fähre und erledigt auch den Fahrkartenverkauf. Zum einfachen Anlegen und „Festmachen“ dienen an der Fähre zwei seitliche Magnethalter, an den Anlegestellen befinden sich entsprechende Eisenplatten.

 

Abbildung 6: Hybridschiff „E-Ship 1“, Einfluß der Rotoren auf die Gescwindigkeit (Quelle STG)

 

Abbildung 7: Modell des Hybrid-Fährschiffes „Texelstroom“ (Foto Dr. Hochhaus)

Abbildung 9: Offshore Windkraft, Prinzip der Methanisierung aus Strom-Überangeboten  [5]

Abildung 10: Ausbau der Offshore Windenergie, Neubau und Ersatz bis 2050 (Quelle Fraunhofer)

 

 

 

 

4.2 „E-Ship 1“, Hybridschiff mit Windantrieb

 

Die „E-Ship 1“ ist 2008 bei der Kieler Lindenau-Werft vom Stapel gelaufen, wurde nach deren Insolvenz bei der Emder Cassens-Werft fertig gebaut und 2010 an Enercon abgeliefert [4]. Seit 2010 transportiert der Frachter, der mit einer Heckklappe auch als RORO-Schiff genutzt werden kann, Windkraftanlagen für Enercon aus dem ostfriesischen Aurich in die ganze Welt.

 

Mit einer Länge von 130 m, Breite von 22,5 m und Tiefgang von 7,8 m ist die „E-Ship 1“ mit rund 13.000 BRZ vermessen, verfügt über eine Tragfähigkeit von 12.750 tdw und über Stellplätze von 440 TEU unter und 450 TEU an Deck. Zum Ladungsumschlag dienen zwei an Backbord stehende Kräne mit je 90 t Nutzlast.

 

Die vier von Enercon entwickelten Flettner-Rotoren mit einer Höhe von 27 m und einem Durchmesser von 4 m unterstützen die dieselelektrische Antriebsanlage beim Vortrieb. Damit werden 15 – 25 % Brennstoff gespart Die Abgase der Dieselmotoren werden in einem Abgaskessel zur Dampferzeugung und zur Stromerzeugung in einem Dampfturbogenerator genutzt. Zur Kälteversorgung für die Klimaanlage wurde erstmals eine Absorptionsanlage auf einem Frachtschiff installiert, die mit Hilfe der vorhandenen Abwärme Kälte erzeugt.

 

4.3. Hybridschiff „Texelstroom“

 

Der Neubau „Texelstroom“ ist kürzlich in Bilbao bei der spanischen Werft Construcciones Navales del Norte (LaNaval) vom Stapel (Abb. 7) gelaufen. Die 135,40 m lange und 27,90 m breite Fähre mit einer Tragfähigkeit von 1.685 Tonnen ist seit Mitte 2016 zwischen dem nordholländischen Hafen Den Helder und der Insel Texel im Einsatz. Hier werden von der Reederei Teso (Texels Eigen Stoomboot Onderneming) Fähren für Passagiere und Kraftfahrzeuge betrieben.

 

Die„Texelstroom“ wird von einem Hybridsystem von Dual Fuel-Motoren mit schwefelarmem Biodiesel und Gas als Brennstoff sowie je nach Ladezustand von Akkus angetrieben. Solarmodule mit einer Fläche von rund 700 qm wurden auf dem Oberdeck installiert. Der Strom wird in 252 Lithium-Ionen-Modulen für 48 V mit einer Kapazität von 1,6 MWh von Corvus Energy gespeichert (Abb. 8). Die Akkureserve im Energiespeichersystem (ESS) reicht, um den Fährbetriebe im Notfall auch allein mit Batteriestrom zu betreiben. Die Doppelendfähre mit identische Maschinenraum- und Brückenanlagen an beiden Seiten kann auf den zwei Decks 350 Fahrzeuge und in den  Aufbauten 1.750 Personen befördern. Die Nenngeschwindigkeit beträgt 15,5 Knoten und die Überfahrt dauert ca. 20 Minuten.

 

Abbildung 8: Tabelle mit einigen Daten von aktuellen Hybrid- und E-Schiffen in Deutschland und Holland

 

5. Deutschland,  Alternative Stromerzeugung bis 2050

In Deutschland wurde 2014 Primärenergie von rund 521 Mio. t Steinkohleeinheiten (SKE), bzw. 15.000 Petajoule (PJ) bzw. 4.240 Terrawattstunden (TWh) verbraucht oder besser gesagt, mit Verlusten in andere Energieformen gewandelt (s. a. Abb. 1).  Davon wurden in Deutschland rund 136 Mrd. t SKE Primärenergie gewonnen, 2 Mio. t SKE aus dem Bestand entnommen und 383 Mrd. t SKE importiert. Die Exporte, Bunkerung von Schiffen und der nichtenergetische Verbrauch betrugen rund 106 Mio. t. SKE. Die Umwandlungsverluste (101 Mio. t SKE) und Eigenverbrauch (17 Mio. t SKE) in den Energiesektoren betrugen in Summe 118 Mio t SKE. Als Endenergieverbrauch verblieben 295 Mio. t SKE bzw. 2.400 TWh. Der Anteil des Stromverbrauchs betrug daran rund 25% oder 600 TWh.

 

Zur Reduzierung der Abgasemissionen bis 2050 (210 Mio. t CO2) auf unter 20 % von 1990 (1050 Mio. t CO2) wird sich eine angebotsorientierte Stromverbrauchskultur durchsetzen. Strom ist zu verbrauchen, wenn er von der Sonne oder dem Wind angeboten wird. Aus überschüssigem Strom wird Wasserstoff und Methan erzeugt (Langzeitspeicher Abb. 9 aus [5]). Akkumulatoren und andere Energiespeicher müssen ausgebaut werden. Besonders die regenrative Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Wasser wird erheblich stärker als heute zur Lösung beitragen. Damit lassen sich auch die heutigen Umwandlungsverluste der Primärenergie von rund 35 % drastisch reduzieren.

 

6. Zusammenfassung

195 Staaten haben in Paris Ende 2015 das Abkommen zum globalen Klimaschutz geschlossen. Darin hat sich Deutschland verpflichtet, die Abgasemissionen bis 2050 auf unter 20 % von 1990 zu senken. Die Energiewende ist eine große Herausforderung obwohl die notwendigen Technologien vorhanden sind und schon jetzt angewendet werden. Schwierig wird es bei der Mobilität. Die weitgehend elektrifizierte Bahn ist der Konkurrenz weit voraus. Auf der Straße bei den LkW`s und Pkw`s steht die Technologie von Wasserstoff- und E-Fahrzeugen erst am Anfang. Bei der Schifffahrt beginnt gerade der zaghafte Wechsel vom Schweröl zum LNG. Rein elektrische Antriebe, es gab sie bereits vor rund 100 Jahren, sind sehr selten. Erste Hybridschiffe wie Rotorschiffe oder Fähren fahren neben dem direkten oder indirektem Dieselantrieb mit Wind- oder Solarkraft oder elektrischem in Akkus gespeichert Strom.

 

Literatur

 

[1] https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf

 

[2] Schulthes, C.: Elektrisch angetriebene Propeller,  STG Jahrbuch 9. Band, 1908

 

[3] Holbach, G. u. a.: Batterieelektrische Antriebe für Binnenfrachtschiffe; STG Jahrbuch 107. Band, 2013

 

[4] N. N.: Innovatives Spezialschiff mit kombiniertem Antriebssystem, S+H 2011, Heft Nr. 1

 

[5] Jansen, D.: Anforderungen an eine Power  to Gas Anlage für den Offshore Einsatz mit einer Anschlußleistung von 240 MW; STG-Studentensprechtag 2014 in Leer