Anemoi Marine mit Sitz in Großbritannien baut Rotorsegel-Antriebssysteme für Handelsschiffe

 

Veröffentlicht am 13. Juli 2022, 20:33 Uhr von the Maritime Executive

Bild Berge Bulk

 

Der in Singapur ansässige Schüttgutbesitzer Berge Bulk beschleunigt seinen Einsatz windunterstützter Antriebstechnologie, indem er Anemoi Marine Technologies einen Vertrag über die Lieferung von Rotorsegeln für zwei Schiffe seiner Flotte abschließt.

Nur wenige Tage nachdem Berge Bulk zugestimmt hatte, seinen Newcastlemax -Massengutfrachter Berge Olympus  mit BAR Tech WindWings von Yara Marine Technologies auszurüsten, gab das Unternehmen bekannt, dass Anemoi Marine windunterstützte Antriebstechnologie für zwei seiner Massengutfrachter liefern wird. 

Anemoi Marine mit Sitz in Großbritannien baut Rotorsegel-Antriebssysteme für Handelsschiffe, eine Technologie, die schnell an Zugkraft gewinnt, da die globale Schifffahrtsindustrie eine kohlenstoffärmere Zukunft anstrebt. Anemoi und der Konkurrent Norsepower haben eine wachsende Zahl von Schiffsreferenzen, da Reeder nach neuen Wegen suchen, um Kraftstoff zu sparen und Emissionen zu reduzieren.

Laut Berge Bulk wurde Berge Neblina –  ein 2012 gebauter Valemax-Erzfrachter mit 388.000 dwt – Anfang dieses Jahres mit der vor der Installation der Rotoren erforderlichen strukturellen Integration „windbereit“ gemacht. Die Arbeiten wurden während eines geplanten Trockendocks durchgeführt. 

Vier der großen Faltrotorsegel von Anemoi werden installiert, um die Schiffsleistung zu verbessern. Faltbare Rotorsegel können aus der Vertikalen abgesenkt werden, um die Auswirkungen auf den Luftzug und den Frachtumschlag zu mildern.

Der flexible „Wind-Ready“-Ansatz wurde gewählt, um die Schiffsverfügbarkeit und die Produktionsslots von Anemois in Einklang zu bringen. Der gleiche Ansatz wurde mit dem zweiten Schiff, Berge Mulhacen , verfolgt, einem 2017 gebauten Newcastlemax-Bulker mit 210.000 dwt, der ebenfalls vier faltbare Rotorsegel erhalten wird. Für beide Schiffe liegt die Plangenehmigung von DNV vor.

Anemoi prognostiziert, dass das Vier-Rotor-System Berge Bulk jährlich 1.200 bis 1.500 Tonnen Treibstoff pro Schiff einsparen wird.

„Windantrieb ist eine Option, die wir zuvor in anderen Formaten untersucht haben, und wir sind fest davon überzeugt, dass sie dazu beitragen kann, unsere Dekarbonisierungsverpflichtungen zu erfüllen“, sagte Paolo Tonon, Technischer Direktor von Berge Bulk.

Er fügte hinzu, dass die Partnerschaft mit Anemoi mit gründlichen technischen Simulationen begann, um die bestmögliche technische und kommerzielle Lösung zu finden, die in der Einführung der Rotorsegeltechnologie für die beiden Schiffe gipfelte.

Berge Bulk, das eine Flotte von über 80 Schiffen mit einer Kapazität von mehr als 14 Millionen dwt besitzt und verwaltet, ist der Ansicht, dass die Investition in windunterstützte Antriebstechnologie seine Position in der Schüttgutindustrie in Bezug auf effizientes Schiffsdesign und -betrieb festigen wird und einen Teil dazu beiträgt seiner Verpflichtung, bis 2030 kommerziell rentable Tiefseeschiffe ohne Emissionen zu entwickeln und einzusetzen. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, bis spätestens 2025 CO2-neutral zu sein.

„Vorausschauende Schiffseigner wenden sich windunterstützten Antrieben zu, um ihre Umweltziele zu erreichen – und es beweist einmal mehr, dass Rotorsegel eine realistische und praktikable Lösung sind, die zu erheblichen CO2-Einsparungen führt“, sagte Kim Diederichsen, Anemoi Marine VORSITZENDER.

Windunterstützte Antriebe haben sich zu einem starken Anwärter entwickelt, da die Schifffahrtsindustrie Möglichkeiten zur Dekarbonisierung untersucht, um die Ziele der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation zur Reduzierung von Treibhausgasen für 2030 und 2050 zu erreichen.  

Bis heute konzentrierten sich die meisten Installationen windunterstützter Antriebe in der Schifffahrtsindustrie auf die Flettner-Rotortechnologie, wobei mehrere Unternehmen erhebliche Kraftstoffeinsparungen und Emissionsminderungen erzielten.

 

Abbildung 1: Buckau, das 1. Rotorschiff (Foto: Max Dreblow / Archiv DSM )
Der 1920 gebaute Dreimast-Segelschoner „Buckau“ wurde 1924 in Kiel zu einem Rotorschiff mit zwei Rotoren umgebaut. Dabei wurden auf dem Deck des Schiffes stehende, in zwei Gleitlagern drehbare Zylinder aus Blech  auf freitragende verspannungslose Pivots montiert. Zum Antrieb der Rotoren wurden zwei Gleichstrom-Nebenschlussmotoren  für beide Drehrichtungen vorgesehen. Ein Krupp-Germania-Dieselmotor mit Generator (2 Zylinder, 45 PS Leistung) übernahm die Speisung der E-Motoren.

 

 Der folgende Beitrag erschien im September 2012 in der Zeitschrift der Flensburger Schiffsingenieure

Rotorschiffe – liegt die Zukunft in der Vergangenheit?

Karl-Heinz Hochhaus 

 

 1. Einführung

Die dezentrale Energieversorgung kehrt zurück, dadurch rücken auch die Vorteile der „Koppelung von Kraft und Wärme“ wieder in den Vordergrund. Bis Ende 2011 wurden als Windturbinen bezeichnete Windmühlen in Deutschland mit einer Leistung von 27 GW errichtet. Inzwischen folgte der 2. Schritt, und in Offshore-Windkraftanlagen soll je nach Quelle bis 2030 eine Leistung von rund 20 - 30 GW installiert werden. Auch in der Handelsschifffahrt wird der Wind als Zusatzantrieb wieder eingesetzt.

 

2. Erfindung der Rotorschiffe

Die Erfindung und Erprobung von Rotorschiffen (Abb. 1) in den 1920ger Jahren hätten zu deutlichen Einsparungen von Brennstoff führen können. Sinkende Ölpreise verhinderten JEDOCH seinerzeit die weitere Anwendung dieser interessanten Innovation. Heute ist es umgekehrt und steigende Ölpreise bewirken das Gegenteil. Ein Rotorschiff und hochfliegende Segel (Skysails) wurden auf verschiedenen Schiffen in der deutschen Handelsschifffahrt in den vergangenen Jahren realisiert. Die Technik wird kontrovers diskutiert, daher sollen die Rotorschiffe mit diesem Beitrag näher betrachtet werden.

 

 

2.1 Prinzip der Rotorschiffe

Rotorschiffe sind Segelschiffe, die den Magnus-Effekt mit Hilfe der auch als „Walzensegel“ bezeichneten Flettner-Rotoren nutzen. Der Magnus-Effekt, ein Phänomen der Strömungsmechanik, bewirkt eine Querkraft auf einen angeströmten drehenden Rotor (Abb. 2). Dieser Effekt wurde 1852 von Heinrich Gustav Magnus (1802-1870) untersucht und erklärt. Magnus lehrte ab 1834 Physik und Chemie in Berlin und beendete seine Lehrtätigkeit 1869.

Der Lehrer, Ingenieur und Erfinder Anton Flettner (1885 – 1961) hat insgesamt rund 180 Patente angemeldet, u. a. auch für die Erfindung des deutschen Hubschraubers (1935). Seine frühen Erfindungen, einen lenkbaren Torpedo ebenso wie ein ferngesteuertes gepanzertes Fahrzeug hatte er im ersten Weltkrieg dem Reichsmarineamt angedient. Sie wurden jedoch aufgrund mangelnder Realisierungsmöglichkeit nicht angenommen. Seine weitere Beschäftigung mit der Schiffstechnik führte u. a. zur Entwicklung von Flettnerrudern (Abb. 3), deren prinzipielle Bauart heute noch angewendet wird. Seine Untersuchungen zur Personaleinsparung bei Segelschiffen führte in mehreren Schritten über feststehende metallische Segel mit Hilfsfläche (Abb. 4) zu den rotierenden Zylindern, die heute als Flettner-Rotoren ein fester Begriff geworden sind.

 

2.2 Flettner-Rotor

Flettner nutzte den Magnus-Effekt als Schiffsantrieb und stellte 1924 mit der „Buckau“ das erste Rotorschiff vor [1]. Zu dieser Zeit waren Segelschiffe durch Dampfer verdrängt worden und Dieselmotoren standen als Schiffsantrieb in Konkurrenz zu Dampfmaschinen und Dampfturbinen. Kohle war noch der Hauptbrennstoff der Schifffahrt. Öl war bei sinkender Preistendenz zwar teurer, verursachte jedoch deutlich geringere Personalkosten.

Abbildung 2: Magnus-Effekt, auf  einen drehenden Körper  (Quelle Bartosz Kosiorek, Wikipedia)
Abbildung 2: Magnus-Effekt, auf einen drehenden Körper (Quelle Bartosz Kosiorek, Wikipedia)
Abbildung 3: Flettner-Ruder (Quelle Patentanmeldung Flettner)
Abbildung 3: Flettner-Ruder (Quelle Patentanmeldung Flettner)

2.3 Versuche in der Aerodynamischen Versuchsanstalt

Viele Anregungen erhielt Flettner von der Aerodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen, hier führte er systematische vergleichende Untersuchungen zu Segeln aus Leinwand und Metall (mit verschiedenen Profilen) durch und erzielte erhebliche Fortschritte im Vergleich zu den bisher üblichen Segeln aus Leinwand (Abb. 4). Damit gab er sich jedoch nicht zufrieden, sondern wollte die Flächen und Gewichte verkleinern. Dies war wichtig, um den Ladungsumschlag der Schiffe im Hafen möglichst wenig zu behindern. Anderseits sollte auch die Gefährdung der Schiffe bei starken Stürmen vermindert werden. Bei diesen Arbeiten hatte Flettner auch versucht, Steuerkräfte durch eine gezielte künstliche Zirkulation um symmetrische Profilflächen auf das Schiff zu erzeugen. Diese Idee zur Schiffssteuerung ließ er 1922 patentieren.

B

 

 

 

 

Durch die Rotation wird der Wind vorne beschleunigt und ergibt dadurch einen Unterdruck und Kraft.nach vorne . Hinten  strömt der Wind mit etwa gleicher Geschwindigkeit. 

 

Dieser Effekt, dem Ball eine Rotation  oder besser Drall zu geben, bewirkt beim Tischtennis oder Fußball eine gekrümmte Flugbahn. Man spricht vom angeschnittenen Ball.

 

Bei seinen Überlegungen bezog Flettner daher auch den Magnus-Effekt ein und experimentierte mit festen und rotierenden Zylindern. Bei den feststehenden Zylindern hatte er auch die teilweise Absaugung der Grenzschicht untersucht, die später auf der „Alcyone“ von J. Causteau realisiert wurde. Da die Kraft bei rotierenden Zylindern, die bei der Windströmung um den Zylinder aus den Sog- und Druckkräften entstehen, deutlich größer war, setzte er die Arbeiten in diese Richtung fort. Mit einem kleinen Modellschiff führte er Versuche auf dem Wannsee durch, die 1923 zur Patentanmeldung führte. Um Aussagen über die Abmessungen und der Drehgeschwindigkeit der Rotoren zu treffen, wurden in Göttingen ausführliche Versuche im Windkanal (Abb. 5, 6) durchgeführt. Versuche zur Wirksamkeit des Rotors im Vergleich zum Gaffelsegel ergaben den erstaunlichen Faktor 8 – 9, um den der Rotor besser war. Das ideale Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeit der Rotoren zur Windgeschwindigkeit lag bei 3 bis 4 (Abb. 5). Je nach Rotordurchmesser resultiert daraus eine Rotordrehzahl um 100 U/min. Auch die Durchmesser der Endscheiben wurden optimiert und ergaben Verbesserungen um den Faktor 2 im Vergleich zum Rotor ohne Endscheiben (Abb. 5). Damit hatte Flettner die wichtigsten Erkenntnisse gewonnen und es folgte der Schritt vom Modell zur Großausführung. Die Friedrich Krupp Germania Werft in Kiel hatte schon 1922 Interesse an Großversuchen bekundet und dafür 1924 die „Buckau“ gechartert.

3. Rotorschiffe

3.1 Großversuche mit der „Buckau“ (Umbau )

1924 wurde der 1920 gebaute Dreimast-Segelschoner „Buckau“ (Abb. 1, 7) in Kiel zu einem Rotorschiff mit zwei Rotoren umgebaut [1, 2]. Dabei wurden auf dem Deck des Schiffes stehende, in zwei Gleitlagern drehbare Zylinder aus Blech mit versteiften Längs- und Querverbänden auf freitragende verspannungslose Pivots montiert. Das obere Lager sollte vorwiegend den Seitendruck aufnehmen, war jedoch auch als Drucklager ausgebildet. Die Gleitlager wurden später durch Wälzlager ersetzt. Jeder der Rotoren hatte ein Gewicht von 3,5 t, einen Durchmesser von 2,8 m und eine Höhe von 15,6 m (später 18,3 m) über Deck. Zum Antrieb der Rotoren wurden zwei Gleichstrom-Nebenschlussmotoren (11 kW, 220 V, 750 U/min, Übersetzung 1:6) für beide Drehrichtungen vorgesehen. Ein Krupp-Germania-Dieselmotor mit Generator (2 Zylinder, 45 PS Leistung) übernahm die Speisung der E-Motoren [1].

Die folgende Versuche während der Probefahrten können technisch gesehen als erfolgreich bezeichnet werden, denn fast alle Modellversuche wurden von der Großausführung bestätigt. Ein wichtiges Ergebnis war, dass die Flettner-Rotoren nur ein Zusatzantrieb sind, mit dem 20 bis 40 % Treibstoff gespart werden kann.

Die „Buckau“ machte einige Frachtreisen und im Sommer 1925 wurden Vorführungs- und Vergnügungsfahrten in der Ostsee durchgeführt. 1926 erwarb die „Flettner-Rotorschiffahrt GmbH“ das Schiff und nannte es um in „Baden-Baden“. Es folgte eine Reise nach Amerika, um Erfahrungswerte zu sammeln, aber auch um eine Vermarktung in Amerika anzustoßen. Hier wurde das Schiff bei der Ankunft in New-York begeistert begrüßt. Die „Baden-Baden“ bewährte sich auf der Strecke von rund 6.200 Seemeilen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,8 Knoten. Die Rotoren erzeugten den Vortrieb vorwiegend gemeinsam mit dem Hilfsmotor. Mit den Rotoren allein wurden etwa 5 Knoten erreicht. Optimale Antriebsverhältnisse lagen vor, wenn die Umfangsgeschwindigkeit der Rotoren bei seitlichem Wind etwa der 3,5-fachen Windgeschwindigkeit entsprach. Beim Wind von hinten muss das Rotorschiff kreuzen, da die Vortriebskraft der Rotoren 90° zur Windrichtung wirkt. 1931 wurde die „Buckau“ in der Karibik, allerdings schon ohne Rotoren, in einem Sturm zerstört.

Tabelle 1: Technische Daten der Rotorschiffe

 

Buckau

Barbara

Alcyone

E-Ship 1

Bauwerft

AG   Weser,
Bremen

AG   Weser,
Bremen

 

Lindenau,
Kiel

Fertig-
stellung

1920

1926

1985

2010

Länge [m]

54

89,7

31,4

130

Breite   [m]

9

13,2

8,8

22,5

Tiefgang [m]

3,8

5,8 (5,4)

2,2

9,3

Vermessung [BRT]

 455

2077

455

12970

Tragfähigkeit [tdw]

625

3050/2800

76

9700

Antrieb
Antriebsleistung [PS]

Dieselmotor
220 

2 Dieselmotoren
zu je 550  

Dieselmotor

4   Dieselmotoren
13.000

Rotoren/Drehzahl [U/min]

2/125

3/160

2/-

4

Antrieb Rotor [kW]

10

30

fest

elektrisch

Höhe Rotor [m]

15,6

17

10,2

27

Durchmesser [m]

2,8

4

1,35

4,3

Segelfläche [m²]

88

214

 

464,4

    Geschwindigkeit [kn]    

6 bis 11

6 bis 13

10,5

17,5

Besatzung

10

 

12

15

Verbleib

1931 gesunken

1978 gesunken 

in Fahrt

in Fahrt

Bemerkungen

Umbau

umbenannt in
Baden-Baden

Neubau

Vulcangetriebe
Flettner-Ruder

feststehende
Walzen
mit Absaugung

Diesel-
elektrisch
Verstell-
propeller

 

Abbildung 5: Modell der Buckau im Windkanal zur Ermittlung der Kennlinien in Abb. 5 (aus [1])
Abbildung 5: Modell der Buckau im Windkanal zur Ermittlung der Kennlinien in Abb. 5 (aus [1])
Abbildung 7: Rotorschiff Buckau (Quelle George Grantham Bain Collection, Wikipedia)
Abbildung 7: Rotorschiff Buckau (Quelle George Grantham Bain Collection, Wikipedia)

3.2 „Barbara“ (Reichsmarine; Reederei Rob. M. Sloman)

Die „Barbara“, ebenfalls ein Frachtschiff (Abb. 8, 9), entstand als Neubau bei der Actien-Gesellschaft Weser in Bremen. Das auch als Reichsschiff bezeichnete Rotorschiff „Barbara“ wurde von der Reederei Rob. M. Sloman als Charterer im Auftrag der Reichsmarine als Versuchsschiff in Auftrag gegeben und 1926 in Dienst gestellt. Sie erhielt drei aus einer Leichtmetalllegierung gefertigte Rotoren, die oben und unten eine Endscheibe erhielten. Sie waren wie bei der „Buckau“ auf je einem freitragenden Pivot gelagert und erhielten einen 30kW-Antrieb bis 160 U/min [3]. Als Hauptantrieb des Schiffes dienten zwei 6-Zylinder Viertakt Dieselmotoren, die gemeinsam über das Vulcangetriebe auf einen Verstellpropeller wirkten. Zur Stromerzeugung wurden zwei Dieselgenerator-Aggregate installiert, von denen einer im Seebetrieb benötigt wurde (Daten s. Tabelle 1).

Abbildung 8: Rotorschiff "Barbara" am 12.05.1927 auslaufend bei Blankenese (Foto Erich Sidow, Wikipedia)
Abbildung 8: Rotorschiff "Barbara" am 12.05.1927 auslaufend bei Blankenese (Foto Erich Sidow, Wikipedia)

Abb. 8: Rotorschiff Barbara

 

Auf ausgedehnten Erprobungsfahrten der Reederei im Mittelmeerdienst wurden mit diesem ersten Rotorschiff-Neubau die Eignung als Schiffsantrieb ermittelt, da der Wert von Flettners Erfindung inzwischen sehr umstritten war. Der Kapitän Walter Lohmann und der Inspektor der Reederei, Bruno Richter, fanden heraus, dass die Rotoren bei Windstärken um 5 Beaufort einen Leistungszuwachs von 500 bis 600 PS erzeugten. Bei der 1. Versuchsfahrt mit Windstärken von 4 bis 6 ergaben sich bei voll laufenden Antriebsmotoren Geschwindigkeiten bis zu 13 kn. Einige Daten der ersten Reise sind aus der Tabelle 2 ersichtlich.

A

Tabelle 2: Versuchsergebnisse der 1. Reise

 

Versuch 1

2 Rotoren

Kein Motor

Versuch 2

Kein Rotor

1 Motor

  Versuch 3

1 Rotor

1 Motor

Versuch 4

Kein Rotor

2 Motoren

Versuch 5

2 Rotoren

2 Motoren

Windstärke [Bft]

3 bis 4

3 bis 4

3 bis 4

3 bis 4

3 bis 4

Rotoren in Betrieb

               2  

               -    

               1  

               -    

             2  

Rotorendrehzahl [U/min]

             140  

aus

            140    

aus

         140  

Dieselmotoren in Betrieb

               -    

               1  

               1  

               2  

             2  

Dieselmotoren [PS]

               -    

           500  

           500  

         1.000  

       1.000    

Geschwindigkeit [kn]

             5,5  

             7,0  

             9,5  

             9,0  

         10,5  

E-Bedarf Rotoren [PS]

             75  

               -    

             45  

               -    

            75    

Während dieser Reise wurden die Rotoren zu 30 bis 40 % der Fahrtzeit benutzt und erhöhten die durchschnittliche Geschwindigkeit um 2 bis 3 Knoten. Wie schon bei der „Buckau“ gab es bei Sturm bis 12 Beaufort keine Probleme mit den Rotoren. Das Manövrieren im Rotorbetrieb war im Vergleich zu Segeln sehr einfach und die Anordnung der Rotoren führte auch beim Lösch- und Ladebetrieb zu keinen Störungen.

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise (1929) sank der Welthandel und Seeverkehr dramatisch und viele Schiffe wurden aufgelegt. Die Reederei Rob. M. Sloman gab die „Barbara“ 1931 an ihren Eigner, die Reichsmarine, zurück. 1933 erfolgte der Verkauf der „Barbara“ an W. Schuchmann und die Umbenennung in "Birkenau". Die Rotoren wurden demontiert und die "Birkenau" fuhr als reines Motorschiff. Nach mehreren Umbenennungen und Eignerwechseln (1947 „Else Sko“, 1963 „Fotis“, 1967 „Star of Riyad“) wurde das Schiff im August 1978 vor Jeddah versenkt.

Abbildung 6:  Kennlinien des Rotors mit und ohne Endscheiben, dargestellt über dem Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeit zur Windgeschwindigkeit (aus [1])
Abbildung 6: Kennlinien des Rotors mit und ohne Endscheiben, dargestellt über dem Verhältnis der Umfangsgeschwindigkeit zur Windgeschwindigkeit (aus [1])
Abbildung 10: Seitenansicht von Cousteaus „Alcyone“ (Foto Massecot, Wikipedia)
Abbildung 10: Seitenansicht von Cousteaus „Alcyone“ (Foto Massecot, Wikipedia)

3.3 „Alcyone“ von Jacques-Yves Cousteau

Anfang der 1980er Jahre wurde die „Alcyone“ (Abb. 10) als zweites Forschungsschiff für Jacques-Yves Cousteau als abgewandeltes „Rotorschiff“ gebaut. Als Antrieb dienten zwei „Zylinder“ und Dieselmotoren. Statt drehender Flettner-Rotoren wird der Magnus-Effekt bei diesem Schiff mit zwei feststehenden Zylindern durch Luftabsaugung bewirkt [4]. Cousteau wählte dieses vom Strömungsspezialisten L. Malavard weiterentwickelte Prinzip und vermied damit die technisch aufwendigere Konstruktion für die Drehvorrichtung der Rotoren. Das Verfahren der Luftabsaugung hatte Flettner seinerzeit untersucht, aber wegen des geringeren Wirkungsgrades zugunsten der drehenden Zylinder verworfen. 1985 erfolgte die Jungfernfahrt der „Alcyone“ und das Schiff ist nach wie vor im Dienst.

3.4 Rotorschiff „E-Ship 1“ von Enercon

Die „E-Ship 1“ wurde 2006 von der Firma Enercon aus Aurich bei der Lindenau-Werft in Kiel in Auftrag gegeben. Durch die Insolvenz der Lindenau-Werft (2008) konnte sie dort nicht fertig gestellt werden, sondern wurde nach Emden überführt und hier bei der Cassens Werft 2010 zu Ende gebaut und erprobt. Die „E-Ship 1“ (s. Abb. 11, 12, 13) ist ein innovativer Frachter mit Heckrampe und zwei an Backbord stehenden Kränen mit langem Ausleger für je 90 t Nutzlast. Mit einer Länge von 130,4 m, Breite von 22,5 m und einem Tiefgang bis max. 9,3 m ergab sich eine Vermessung von 12.970 BRZ (s. a. Tab. 1) Neben dem dieselelektrischen Antrieb ist ein Zusatzantrieb mit vier Flettner-Rotoren vorgesehen.

Die Energieversorgung erfolgt durch 5 Dieselmotorengeneratoren mit einer elektrischen Gesamtleistung von rund 10.500 kW. Bei der Geschwindigkeit von 16 Knoten wurde eine Kraftstoffreduzierung von 30 – 40 % ermittelt.

 

3.5 Weitere Rotorschiffe [2]

1983 wurde von einer US-Firma eine kleine Motorjacht mit einem Flettner-Rotor ausgerüstet. In Schweden wurde im gleichen Jahr im Rahmen einer Studie ein Prototyp mit Flettner Rotor auf einem 6-m-Boot getestet. 1984 wurde von einer britischen Firma ein 11 m hoher Flettner-Rotor als Zusatzantrieb zu normalen Segeln und Motor auf das 445 Tonnen Segelschiff „Clipper Patricia“ eingebaut. Von Blohm & Voss wurde 1984 ein Projekt zur Umrüstung eines Tankers (6.700 Tonnen) bekannt. Die Aufstellung der Rotoren war wegen der Tankerbrücke außermittig geplant. Durch den Rotorbetrieb sollten im Jahresmittel 15 bis 20 % Treibstoff eingespart werden, wodurch eine Amortisation nach zwei Jahren errechnet wurde.

4. Leistungsersparnis

Zur Ermittlung der Leistungsersparnis sind neben den Schiffsdaten auch Angaben zum Fahrtgebiet zu berücksichtigen. Hier spielen natürlich die Windrichtung und Windstärke abhängig von der Jahreszeit eine wichtige Rolle. Anhand dieser Daten lassen sich die notwendigen Werte mit geeigneten Simulationsmodellen ermitteln. Einfacher und mit deutlich weniger Aufwand können vergleichende Betrachtungen mit zwei Variablen (konstante Schiffsgeschwindigkeit, mittlere Windgeschwindigkeit) erfolgen. Diese Methode (Abb. 14) wurde von Schenzle 2010 [5] im Rahmen des STG-Sprechtages „Innovative Schiffe“ [6] vorgestellt. Am Beispiel eines Panamax-Bulkers (74.000 tdw, 7.200 kW, 14 kn) wurde mit dieser Methode die durchschnittliche Leistungsersparnis am Beispiel von zwei Geschwindigkeiten (14 und 10 Knoten) für vier Segelsysteme in verschiedene Fahrtgebieten verglichen. Interessant ist der Vergleich des hier als „Magnus Rotor“ bezeichneten Flettner Rotors (rund 1.000m2 Segelfläche) mit den anderen modernen Segelsystemen wie Dyna Rigg (6.000 m2), Wing Sail (3.000 m2) und dem Dynamischen Kite Sail (640 m2 Sky Sails).

Abbildung 11: Der weitgehend ausgebaute Rumpf wurde nach Emden überführt (Foto: Christian Walther, Wikipedia)
Abbildung 11: Der weitgehend ausgebaute Rumpf wurde nach Emden überführt (Foto: Christian Walther, Wikipedia)
Abbildung 12: „E-Ship 1“ bei der Cassens Werft (Foto Dr. Wild)
Abbildung 12: „E-Ship 1“ bei der Cassens Werft (Foto Dr. Wild)

4. Zusammenfassung

Rotorschiffe sind Segelschiffe, die den Magnuseffekt ausnutzen. Sie wurden in den 1920ger Jahren von A. Flettner erdacht, im Modell untersucht und als Großausführung auf 2 Schiffen realisiert. Es zeigte sich, dass der Flettner-Rotor als Zusatzantrieb eine wichtige Rolle hätte spielen können. Die damaligen Entwicklungen – die Weltwirtschaftskrise lähmte den globalen Handel, der Dieselmotor begann die Dampfmaschinen zu verdrängen und das Öl wurde billiger – verhinderten die Anwendung dieser interessanten Innovation.

 

Nach den Ölpreissteigerungen der Ölkrisen in den 1970ger Jahren (Anstieg von 5 auf 35 $/barrel bis 1980) wurde eine Aktivierung dieser Erfindung angedacht. Doch bevor einige Reeder Aufträge zum Umbau erteilen konnten, war der Ölpreis schon wieder auf 10 $/barrel (1987) gefallen. 2012 liegt der Ölpreis über 100 $/barrel. Daher werden alternative Antriebe oder Zusatzantriebe wie Flettner-Rotor, Dyna Rigg oder Skysails wieder diskutiert. Da die Windkraft dabei ist, in Deutschland die Atomkraftwerke zu ersetzen, wurde mit dem Rotorschiff „E-Ship 1“ auch in der Schifffahrt ein Zeichen gesetzt, denn aufgrund der Umweltbelastungen rückt ein nachhaltiger Schiffsbetrieb immer mehr in den Vordergrund.

 

Da sich die Rohölvorräte erschöpfen, wird es spannend, wie die Schiffe der übernächsten Generation angetrieben werden. Eine sinkende Ölförderung, steigende Brennstoffpreise und ein zunehmender CO2-Gehalt in der Atmosphäre sind Gründe dafür, dass die Schiffe langsamer fahren. Je langsamer sie fahren, umso höher steigen die Chancen für Windzusatzantriebe.

 

 

Film 1 E-Ships

https://www.youtube.com/watch?v=iGeA_7WAjTU

 

Film 2 E-Ships

 

https://www.youtube.com/watch?v=JZxOemUR9tU

 Film 3 Prinzip

 

 

 

 

 

 

 

Film

über das Rotorschiff Afros mit 64000 tdw, abgeliefert 2018 von der Werft Jiangsu Haitong Offshore Engineering Equipment für die Blue Planet Shipping

(Quelle Marine Traffic, Aksana Barsukova)

 

 

 

6. Literatur

[1] Flettner, A.: Die Anwendung der Erkenntnisse der Aerodynamik zum Windantrieb von Schiffen. In: Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft Bd. 25, Berlin: Julius Springer, 1924, S. 222 – 251

[2] Reuß, H.-J.: Flettner-Rotorschiffe: Alte Technik für neue Schiffe; im Internet-Projekt vom Deutschen Schiffahrtsmuseum „Die technische Entwicklung der deutschen Handelsflotte in den 1920er und 1930er Jahren“

[3] Thiel, R.: Die Geschichte der Actien-Gesellschaft “Weser“ 1843 – 1983, 2006 Hausschild Bremen

[4] Schenzle, P.: Zurück zum Segeln? Vom empirischen „Gewusst-wie“ zum rationalen „Wissen-warum“, STG Jahrbuch 2010 (S. 33 – 44)

[5] Schenzle, P.: Windschiffe im 21. Jahrhundert? Aktuelle Ansätze im Windvortrieb von Schiffen, STG Jahrbuch 2010 (S. 55 – 65)

[6] Hochhaus K.-H.: STG-Sprechtag „Innovative Schiffe“ in Kiel; Hansa 4/2010, (S. 44 – 47) Schifffahrts-Verlag Hansa