Kapitel 4

Krieg (1908 - 1917)

Die Würde, die in der Bewegung eines Eisberges liegt, beruht darauf, daß nur ein Achtel von ihm über dem Wasser ist.

Ernest Hemingway  (21.07.1899 - 02.07.1961) US-amerikanischer Schriftsteller

 

Abbildung 1: Der Imperator, 1913 von der Vulkanwerft Hamburg an HAL abgeliefert, war mit  52.000 BRT das größte Schiff der Welt und lief mit 61.000 PSi 23 Knoten (Quelle DSM)

 

Was sonst noch so in diesem Jahr 1908 geschah

 Weltgeschichte

Zwischen Deutschland, Rußland, Dänemark und Schweden wird das Ostsee-Abkommen geschlossen.

Österreich-Ungarn und Rußland vereinbaren, dass Österreich die Doppelmonarchie Bosnien die Herzegowina annektieren darf.  

 Der Kongostaat wird belgische Kolonie.

 

Deutsche Geschichte

Verabschiedung eines weiteren Flottengesetzes, mit dem der in England neu geschaffenen Dreadnought- Panzerkreuzerklasse begegnet werden soll.

 

Technikgeschichte

Deutsche Schiffbauausstellung in Berlin.

Das Luftschiff Zeppelin No 4 explodiert in einer Windbö.
Das erste deutsche Motorflugzeug wird von August Euler gebaut.

Wilhelm Busch und der Physiker Antoine Henri Becquerel sind gestorben.

 

4.1 Die Säle leeren sich (1908 - 1917)

Die Zahl der Schiffbau-Studierenden fällt von fast 400 auf unter 200

Der folgende Text wurde wörtlich aus [1] übernommen

Die Jahre flossen ohne besondere Ereignisse dahin, aber die Zahl der Lattenbrüder fiel natürlich mit der Zahl der Schiffbau-Studierenden, die von ihrem Höhepunkt mit rund 400 im Jahre 1900 auf weniger als die Hälfte im Jahre 1914 zusammenschrumpfte. Dann kam der Krieg. Die Säle leerten sich mit einem Schlage, das Ordenskapitel verschwand, ohne die Geschäfte ordnungsmäßig übergeben und für Ersatz gesorgt zu haben. Es ging alles drunter und drüber. Entliehenes Latteneigentum wurde nicht zurückgegeben, und anderes, wie der Ordensmantel, wurde gestohlen. An schriftlichen Belegen ist nur ein loses, von Ernst Kullmey unterzeichnetes Blatt mit der Niederschrift über den Verlauf einer am 16. Februar 1915 abgehaltenen Latten-Versammlung vorhanden, zu der 6 Lattenbrüder erschienen und 5 Prüflingsanwärter aufgenommen wurden. Beschlossen wurden einige Notmaßnahmen, die den Betrieb der Bücherei sicherstellen sollten.

 

Das war alles, was über diesen Zeitraum von 1908 - 1917 von den Studenten und der Latte in der Festschrift zum 50. Ordensfest der Schiffbauer Latte geschrieben wurde. Im zweiten Teil dieser Festschrift wird über den „Unterricht im Schiff-, Schiffsmaschinenbau und im Luftfahrzeugbau an der Technischen Hochschule zu Berlin“ berichtet. Daraus wurde das Kapitel 4.2 zusammengestellt.

 

 

 

 

 

 

 

  1912, Besuch der Kaiserwerft Danzig (Quelle Latte)

 

 

 

 

Lattenspritze am 4. Juli 1912 mit den Lehrern Gümbel, Flamm, Krainer und Rudloff (Quelle  Latte)

4.1.2  Studenten im Krieg [3, 12]

Die Zahl der Studenten und Hospitanten an der Technischen Hochschule Charlottenburg (TH) betrug 1907/08 rund 3160 Hörer, davon 268 in Schiff- und Schiffsmaschinenbau. Im Jahr 1914/15 hat sich die Gesamtzahl dann geringfügig auf 3.020 reduziert, im Schiff- und Schiffsmaschinenbau stärker auf 164. Viele Studenten hatten sich für den Kriegseinsatz beurlauben lassen, in [3] werden für das Jahr 1914/15 rund 1.700 und im Jahr 1918/19 rund 2.400 für den Kriegsdienst beurlaubte Studenten angegeben. Daher lief an der TH nur ein eingeschränkter Betrieb. Die Gebäude der TH wurden zum Teil für andere Zwecke genutzt, im Erweiterungsbau befand sich ein Lazarett. Der Anteil der Kriegsteilnehmer bei den deutschen Studenten betrug 78%, die Verlustrate im ersten Weltkrieg betrug etwa 15 %, für die Technische Hochschule wurden 12 % angegeben. Daher rechnete die Hochschulleitung mit einem starken Andrang nach Beendigung des Krieges und es wurden Vorkehrungen dafür getroffen. Der Bau einer Studentensiedlung wurde vom damaligen Rektor Brix entwickelt, sie sollte in der Nähe der Heerstrasse oder der Junfernheide mit Tennis-, Fußball- und Hockeyplätzen entstehen. Mehrere Gruppen von dreigeschossigen Reihen- oder Doppelhäusern sollten sich um zwei zentralen Blöcken mit je 50 – 100 Bewohnern scharen. Dabei wurden die Studentenwohnungen bestehend aus Wohn-, Schlaf- und kleinem Badezimmer geplant.

 

Regeln für Studenten beim Besuch von Vorlesungen [13]

1.) Komme auf jeden Fall eine Viertelstunde (mindestens) zu spät. Pünktlich sind nur Beamte mit pünktlichen Vorgesetzten und Maurer.

 2) Du erfreust den Professor, wenn Du betont langsam durch den Hörsaal schreitest, selbstverständlich mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Weitere Freude bereitest Du, wenn Du Dir einen Platz inmitten der Reihe aussuchst und Deine Kommilitonen reihenweise zum Aufstehen und zum Einziehen ihrer Schmerz erwartenden Füße zwingst.

 3.) Versorge Dich stets mit Proviant, man weiß nie, was passieren kann. Nimm Käseschnitten, dann tust Du ein gutes Werk, denn auch Deine Nachbarn werden an Deinen Genüssen teilhaben. Vergiss nicht, für's Einpacken Pergamentpapier zu verwenden, so gestaltet sich das Auspacken zu einer allseitig begrüßten Attraktion.

 4.) Lass Dein Papier ruhig auf den Boden fallen, wenn Du Dich gesättigt hast. Aber lass es nicht unter Deinen Sitz. Ein kleiner Fußtritt genügt, und es rollt unter den Sitz Deines Nachbarn, wo es am nächsten Morgen bei den Scheuerfrauen das schöne Gefühl erweckt, dass sie ihr Geld wenigstens redlich verdienen.

  5.) Falls Du so dumm warst, Deine Garderobe abzugeben, anstatt sie in den Hörsaal mitzunehmen, so benutze die letzten Minuten zu einem eiligen Rückzug. Der Professor sagt sowieso nichts Neues mehr, und überdies wartet die Mehrzahl der Kommilitonen nur auf den einen Mutigen, der den Anfang macht.

 6.) Solltest Du jedoch die Vorlesung bis zum Ende genossen haben, so drücke Deinen Beifall unter keinen Umständen durch Klopfen auf den Tisch aus. Es bewirkt bestenfalls eine Gemütsäußerung Deinerseits. Und schlimmstenfalls glaubt der Professor, seine Hörer hätten alles verstanden und seine Leistung Dich hingerissen, Dich wie ein albernes Kleinkind zu betragen und mit den Knöcheln auf den Tisch zu deppern.

 7.) Mache mit Beifallskundgebungen eine einzige Ausnahme: wenn der Professor einen Witz macht, dann darfst Du sogar mit den Füßen trampeln. Und je älter der Witz ist, desto lauter das Trampeln.

 8.) Auf jeden Fall pflege Konversation während der Vorlesung. Nirgends kann man so ungestört plaudern.  Und die Nachbarn werden Dir ob der Abwechslung dankbar sein.

 9.) Hin und wieder lass Dein Schlüsselbund oder Ähnliches fallen. Es gibt ein wunderbares Geräusch. Nur sorge für eine gute Versicherung, denn es kann sein, dass einem nickenden Kommilitonen vor Schreck das Herz stehen bleibt.

 10.) Ab und zu brülle lauthals "größer schreiben", der Vortragende wartet nur darauf.

 

Historische Entwicklungen der Schiffbau-Ausbildung und der Latte

1912 Neuausgabe der Diplom Prüfungsordnung für Schiff- und  Schiffmaschinenbauer.      

1916 Königliche Bergakademie wurde in die TH integriert.

 

 

 

 

 

 

 

 

  1915 Besuch der Kaiserwerft Danzig (Quelle Latte)

4.2 Schiffsmaschinenbau (1874 - 1917)

 Der folgende Text wurde wörtlich aus [1] übernommen

Bis zum Jahre 1874 beschränkte sich der Fachunterricht, entsprechend dem damaligen, im Wesentlichen auf Segeln angewiesenen Seeschiff, auf den reinen Schiffbau. Der Kampf zwischen Segel und Maschine war noch nicht endgültig zu Gunsten der Maschine entschieden.

 

 4.2.1 Unterricht in Land-Dampfmaschinen bei Ludewig

 Auch fehlten im Schiffsmaschinenbau ausgebildete Lehrer, und so blieb nur der Ausweg, die Schiffsmaschinenbauer auf den Unterricht in Land-Dampfmaschinen zu verweisen. Und auch 1874, als schon alle Kampfschiffe und die wichtigsten Handelsschiffe mit Dampfbetrieb versehen waren, stand keine bessere Kraft zur Verfügung, als die eines nur im praktischen Borddienste ausgebildeten Marine-Ingenieurs (Schwarz-Fleming), der zur Hauptsache nur eine Beschreibung der an Bord von Kriegsschiffen herrschenden Verhältnisse bringen konnte.

 

Von einer Trennung des Unterrichts in Schiff- und in Schiffsmaschinenbau war, abgesehen von dem Lehrplane für 1877, nirgends die Rede, und bis in die 90-iger Jahre hörten die Studierenden beider Fachrichtungen fast ausnahmslos dieselben Vorträge, und nur die Studienzeichnungen waren in Zahl und Umfang nach der Fachrichtung verschieden. Auch der Schiffbauer musste damals die für ihn viel zu weit ins Einzelne gehenden Vorträge über Land-Dampfmaschinen (Ludewig) hören, und beide Fachrichtungen waren ein Jahr lang mit acht Wochenstunden durch den Unterricht in Baukonstruktionslehre in unsinniger Weise belastet.

 

4.2.2 Trennung Schiffbau und Schiffsmaschinenbau, bis zur Vorprüfung die gleiche Ausbildung (1877/78)

 Der Zustand, Schiff- und Schiffsmaschinenbau ganz gleich auszubilden, sicher gut für das auf gegnseitiges Verständnis angewiesene Zusammenarbeiten, hat sich wegen des starken Anwachsens der Lehrfächer in der Neuzeit nicht mehr durchhalten lassen. Aber nach wie vor wird angestrebt, diese beiden Fachrichtungen, die gemeinsam erst brauchbare Schiffe schaffen können, bis zur Vorprüfung ganz, und dann wenigstens in ihren Grundlagen gleich auszubilden. In klarer Erkenntnis, dass Schiff und Maschine erst zusammen ein Ganzes ausmachen, haben sich deshalb alle Sachverständigen mit starkem Nachdruck gegen den, gelegentlich der Hochschulreform auftauchenden Plan gewehrt, den Schiffsmaschinenbau vom Schiffbau zu trennen und dem allgemeinen Maschinenbau anzugliedern.

 

 Görris  lehrte Schiffskessel und Schiffsmaschinen (1879 - 1901)

 Von sehr günstigem Einflusse auf die Ausbildung war ferner Görris, der in der Marine unter Dietrich verantwortlich für die Maschinenanlagen der Kriegsschiffe war und, seit 1882 nebenamtlich, den gesamten Unterricht im Schiffsmaschinenbau leitete. Während sein Vorgänger Schwarz-Flemming, zur Hauptsache nur beschreibend, seine reichen Erfahrungen aus dem Marine-Borddienste seinen Hörern näher brachte, übertrug Görris, ein zuverlässiger Konstrukteur, mehr als 20 Jahre lang, sein reiches, gediegenes, von bedeutenden außerhalb der Marine stehenden Fachleuten (Stodola) anerkanntes Wissen auf seine Schüler. Sein bescheidenes, etwas ängstliches, stets liebenswürdiges Wesen stach merklich gegen das kalte Wesen Dietrichs ab; seine Vorträge, etwas nüchtern aber reichhaltig, erstreckten sich auch auf die Berechnung der Gestänge, und unangenehm war es seinen Schülern nur, dass er ihnen die vielen wertvollen Unterlagen von ausgeführten Maschinenteilen nur leihweise zum Pausen und nicht zu endgültigem Besitze aushändigte.

 

Für Schiffskessel und Schiffsmaschinen wird eine Ordentliche Professur eingerichtet (1901)

 Wesentlich erweitert wurde der Unterricht im Schiffsmaschinenbau im Jahre 1901. Zunächst wurde den veränderten Verhältnissen entsprechend – Kriegs- und Handelsflotte waren mächtig angewachsen, und der Antrieb durch Segel fast allgemein durch den mit Dampfmaschinen ersetzt – eine ordentliche Professur, an Stelle der bisher mit dem hervorragend tüchtigen Görris besetzten Dozentur, geschaffen und an Dieckhoff übertragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Längsschnitt einer Verbundmaschine mit Stephensonscher Steuerung (Sammlung Taggesell)

 

 

 

 

 

 Bau von Rauchrohr- und Wasserrohrkesseln bei Schichau (Quelle STG)

Unterricht in Schiffsdampfturbinen und Ölmaschinen (1906)

 Auf Dieckhoff folgte 1906 Krainer, der nicht nur mit dem Bau von Handelsschiffs-, sondern durch seine Arbeiten bei der Firma Schichau in Elbing auch mit Kriegsschiffsmaschinen vertraut war. Krainer hat 1908 auch den Unterricht in Schiffs-Dampfturbinen aufgenommen, nachdem Dampfturbinen für Landanlagen schon seit 1903 vorgetragen wurden.

 

Gerade der Unterricht in Schiffsmaschinenbau gibt ein gutes Bild von dem gewaltig angewachsenen Umfang der Lehrgebiete, welche die Studierenden heute (1928) zu bewältigen haben. Noch in den 80-iger Jahren handelte es sich nur um Kolbenmaschinen in ihren verschiedenen Ausführungen. Jetzt muß der Schiffsmaschinenbauer auch die Dampfturbinen, die Ölmaschinen und ihre Grundlagen, sowie die hoch entwickelte Wärmelehre kennen. Das ganze Gebiet ist so groß geworden, daß die, auch durch das Anwachsen anderer Fächer übermäßig belasteten Studierenden zwar das Grundsätzliche von allen Fächern aufnehmen, sich aber im Einzelnen nur mit wenigen, frei gewählten Gebieten gründlich befassen können.

 

Im Jahre 1908 hat Romberg die Vorlesungen über Schiffs-Gas-, später Schiffs-Ölmaschinen und 1910 die über Luftschiffsmotoren neu aufgenommen. 1910 hat er die Einleitung in den Schiffsmaschinenbau an die für Schiffskessel und Schiffshilfsmaschinen neu gegründete mit Gümbel besetzte Professur abgegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erst Diesels  3. Versuchsmotor lief erfolgreich (Foto MAN)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Umsteuerbare Ölmaschine von der Reiherstiegwerft (Quelle STG)

4.3 Lehrer ab 1908 bis 1917 [1, 4, 6]

1910 - 23            Gümbel, L. (Dr.-Ing., o. Prof. bis 1910 stellvertret. Direktor der Atlas-Werke in Bremen, 1914 silberne Denkmünze der STG) Einleitung in den Maschinenbau, Schiffskessel, Schiffshilfsmaschinen

1913 - 26              Hüllmann, H. (Geh. Oberbaurat, Dr.-Ing. e. h., o. Prof., Ehrenbürger der

Technischen Hochschule)  Kriegsschiffbau (1896 - 97 s. Kap. 2)

 

Gümbel,  Maschinenbau (1874 - 1923) [4]

Nach seinem Abitur und seiner Wehrpflicht arbeitete Gümbel auf der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven, fuhr bei der Hapag als Maschinenassistent zur See und studierte von 1894 - 98 an der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin Schiffsmaschinenbau. Beide Hochschulprüfungen, die Vor- und Hauptprüfung, bestand er mit Auszeichnung, so daß ihm beim Verlassen der Technischen Hochschule die silberne Preismedaille verliehen wurde. Den praktischen Schiffsmaschinenbau erlernte er in den Semesterferien u. a. in Belfast bei Harland & Wolf und nach seinem Diplom bei der Firma F. Schichau in Elbing, die seinerzeit im Schiffsmaschinenbau Spitzenleistungen auf dem europäischen Kontinent erbrachten. Weitere Stationen in seinem wechselhaften Leben war wieder die Hapag in Hamburg , wo er für ein Jahr als Bürochef der Maschinenbauabteilung des technischen Büros arbeitete und ab 1906 die vom NDL gegründete Norddeutsche Maschinen und Armaturenfabrik in Bremen leitete, die später als Atlas-Werke firmierten.

 

Seine wissenschaftlichen Leistungen in theoretischer und praktischer Anwendung bewies er mit seiner Dissertation (1909) und mehreren Vorträgen. Daher erhielt Gümbel 1914 die Silberne Denkmünze der Schiffbautechnischen Gesellschaft. 1910 erhielt er einen Ruf als Professor von seiner früheren Hochschule, wo er erfolgreich in den Lehrgebieten "Einleitung in den Maschinenbau", "Schiffskessel" und "Schiffshilfsmaschinen“ lehrte. Seine Forschungen erfolgten auf den Gebieten Dampfkessel und Wärmewirtschaft, physikalische Untersuchungen über Flüssigkeiten, Schraubenpropeller, Schwingungsprobleme, Festigkeitsfragen, Reibung und Schmierung. Er starb 1923  in Charlottenburg.

 

 

 

 

 

 

 

Gümbel unterrichtete Maschinenbau (Quelle STG)

 

4.4 Das Maritime Umfeld

 4.4.1 Hermann Blohm (1848 - 1930) [4, 14]

 Blohm wurde 1848  in Lübeck geboren, absolvierte eine Schiffbaulehre in Lübeck und Bremen und studierte anschließend in Hannover, Zürich und an der Königlichen Gewerbeakademie in Berlin. Anschließend arbeitete er als Ingenieur in Rostock auf der Tischbein Werft (spätere Neptun-Werft), in Hamburg auf der Reiherstiegwerft und ab 1873 für drei Jahre auf englischen Werften. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland gründete er 1877 mit Ernst Voss in Hamburg eine Werft. Nach schwierigen Anfängen, deutsche Reedereien bestellten ihre Hochsee-Schiffe in England, kam um 1885 der Durchbruch. Nach dem Bau von Handelsschiffen brachte der Flottenplan zum schnellen Ausbau der Kaiserlichen Marine Aufträge für Blohm & Voss zum Bau von anspruchsvollen Marineschiffen. Mit dem Vierschrauben-Turbinendampfer  VATERLAND (Bau Nr. 212) für die Hapag baute die Werft und Maschinenfabrik 1913 das größte Schiff der Welt.

 

Blohm wurde 1910 von der Technischen Hochschule Charlottenburg, an der Vorgängereinrichtung, der Gewerbeakademie hatte Blohm studiert, zum Dr.-Ing. ehrenhalber ernannt.  Auch seine Söhne, Rudolf und Walter Blohm verbrachten einen Teil ihres Studiums  an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Rudolf Blohm erhielt hier 1912 sein Diplom. Etwa zu dieser Zeit wurde für die Latte die „Dr.-Ing. Hermann Blohm“ -Stiftung eingerichtet.

 

4.4.2 Gründungsjahre von Reedereien 1908 - 1917

 1914 Karl Grammerstorf, Kiel-Holtenau

 1917 Eugen Friederich, Bremen

 

 4.4.3 Gründungsjahre von Werften  1908 - 1917

 1911 Gustav Behrens, Hamburg

 1912 Daniel Bergsiek, Rinteln

 1912 Böbs-Werft, Travemünde

 1913 Rolandwerft GmbH, Bremen

 1916 Elsflether Werft AG, Elflleth

 1917 Lübecker Flender- Werke Aktiengesellschaft, Lübeck

 1917 Schulte & Bruns, Emden

 

4.4.4 Dieselmotor- Wettlauf unter den  Reedereien und unter den Werften [4, 9, 15]

 Der Erfinder des Dieselmotors, Rudolf Diesel (1858 - 1913) hatte am Polytechnikum in München 1880 sein Ingenieursexamen mit Auszeichnung bestanden. Seine Arbeiten am Ölmotor (später Dieselmotor) meldete er zum Patent an, es wurde 1893 erteilt. 1897 konnte er der Fachwelt seinen Motor vorstellen, die Entwicklung wurde von MAN und Krupp finanziert. Schon damals hatte Diesel seine Visionen für den Schiffsantrieb, die im Vergleich zur Dampfmaschine rasend schnell umgesetzt wurden. Heute wird fast ausschließlich der Dieselmotor als Schiffsantrieb genutzt.

 

Als weltweit erstes dieselgetriebenes Seeschiff befuhr die in Holland gebaute VULCANOS die Meere, schauen wir jedoch in das Lexikon, dann gilt die in Dänemark gebaute SELANDIA als das erste Dieselmotorschiff. Das erste Schiff unter deutscher Flagge, das von einem Dieselmotor angetrieben wird, ist die CHRISTIAN X ex FIONIA, ein Schwesterschiff der SEELANDIA. Albert Ballin, Direktor der Hamburg Amerika Linie hatte sie einer dänischen Reederei abgekauft und unter dem Namen des dänischen Königs im Mittelamerika-Dienst eingesetzt.

 

Nicht einmal 20 Jahre nach der Erfindung des Dieselmotors  fand in Deutschland ein spannender Wettlauf zwischen verschiedenen Reedereien und Werften statt, um der Fachwelt und Öffentlichkeit das erste Überseeschiff mit Dieselantrieb zu präsentieren. Die Hamburg-Amerika-Linie (Hapag) war zu dieser Zeit die größte Reederei der Welt, sie hatte bei der Werft AG-Weser in Bremen einen Frachter mit Diesel-Motor-Antrieb bestellt, der 1909 auf Kiel gelegt wurde. Als Name war PRIMUS (der Erste) geplant und als Antrieb wurden zwei Junkers-Gegenkolben-Dieselmotoren mit je 800 PS eingebaut. Erhebliche technische Schwierigkeiten führten 1914 zur extrem späten Auslieferung. Da die Dieselmotoren nicht zufrieden stellend arbeiteten, wurden sie durch zwei Dampfmaschinen ersetzt und der Name des Frachters daraufhin in KRIBI geändert. Jeder Zylinder hatte 4 Kolben, und bei der Betrachtung dieser Konstruktion verwundert es nicht, daß dieser Motor kein Erfolg wurde. Abgespeckt auf 2 Kolben pro Zylinder wurde Junkers Folgemotor später in der Schiffahrt als Doxford Motor weltbekannt. Auch als Junkers Flugzeugmotor wurde  dies Prinzip erfolgreich angewendet.

 

Die Probleme mit diesen komplizierten Motoren zeigten sich sehr früh und daher hatte die Hapag bei Blohm & Voss das zweite Motorschiff, die SECUNDUS, in Auftrag gegeben. Der Stapellauf erfolgte im Januar 1913 und die Ablieferung im März 1914. Dieses Schiff erhielt einen einfach wirkenden Zweitakt-Dieselmotor mit einer Leistung von 1.350 PS bei 120 U/min. Etwa zur gleichen Zeit haben die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft (Hamburg-Süd) bei den Howaldtswerken in Kiel und die Deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft Hansa (DDG Hansa) bei der Tecklenborg Werft in Geestemünde ebenfalls ein Motorschiff in Auftrag gegeben. Die MONTE PENEDO wurde am 12.08.1912 als Bau Nr. 546 an die

 

Hamburg-Süd abgeliefert und wurde von zwei 800 PS Zweitakt-Dieselmotoren angetrieben, die von Sulzer (Schweiz) geliefert wurden. Die ROLANDSECK der DDG Hansa erhielt einen einfach wirkenden Zweitaktmotor mit 1.600 PS, lief im August 1912 vom Stapel und auf der Probefahrt am 16. 11. 1912 war Rudolf Diesel persönlich an Bord. Blohm & Voss hat 1910 in Arbeitsgemeinschaft mit MAN auf eigene Rechnung den ersten doppelt wirkenden Zweitakt-Dieselmotor mit 830 PS entwickelt und gebaut. Zwei davon wurden in das Doppelschrauben-Frachtschiff FRITZ eingebaut, die Fertigstellung und Ablieferung dieses Schiffes erfolgte im Mai 1915.

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 10: In diesem Gebäude der Urwerft wurden Pionierarbeiten beim Bau von Maschinenanlagen für  42 Neubauten erbracht (Foto B&V)

4.4.5  Die Marine von 1848 bis 1918

J. Wessel [14]

Die Marine spielte in der Anfangszeit des deutschen Schiffbaus  und auch in der Lehre eine große Rolle. Die Schiffbau-Ausbildung wurde 1861 daher von Stettin-Grabow nach Berlin verlagert. Von 1861 – 1914 waren es vorwiegend hohe Marineoffiziere, die die Schiff- und Schiffsmaschinenbauer unterrichteten. Marineingenieure wurden zum Studium auch zur TH Charlottenburg abgeordnet.

 

Die Flotte des Deutschen Bundes (1848 - 1852)

Mit der Gründung des Deutschen Bundes (1848) wurde auch eine bundesdeutsche Flotte, die Bundesmarine geschaffen. Für die Planung des Flottenbauprogramms wurde ein Marineausschuß unter General von Radowitz und später die Technische Marinekommission mit Prinz Adalbert von Preußen an der Spitze gebildet. Es entstand eine mittelgroße Marine zur Verhinderung einer Blockade deutscher Küsten, zum Schutz der Seeflanken des deutschen Heeres und der Handelsschiffahrt. Die Schiffe  wurden nicht streng nach Plan, sondern nach den gegebenen Möglichkeiten beschafft und so entstand ein bunt zusammen gewürfeltes Geschwader mit Heimathafen Bremerhaven, das schon 1852 wieder aufgelöst wurde.

 

Die preußische und deutsche Marine von 1867 - 1890

In einer Zeit eminenter technischer Neuerungen und militärischer Unsicherheit bezüglich einer sinnvollen Taktik fiel der erste Aufbau der preußisch-deutschen Marine. Die kleine bestehende preußische Marine wurde 1867 zur Marine des Norddeutschen Bundes, den Bismarck als Vorläufer eines Deutschen Reiches zusammengebracht hatte. Nach der Reichsgründung von 1871 war diese Streitmacht dann die Kaiserliche Marine mit den Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven.

 

Sie hatte in den Kriegen von 1866 und 1870, von ein paar Einzelhandlungen abgesehen, keine Rolle gespielt. Ein Kampf mit der dreifach überlegenen französischen Flotte wäre sinnlos und unverantwortlich gewesen. Gleichwohl hing ihr diese Passivität im Gegensatz zu den gewaltigen Erfolgen der Armee noch lange an. Sie wurde auch noch nicht für reif gehalten, von einem der Ihren geführt zu werden.

 

Als Nachfolger des Prinzen Adalbert traten bis 1888 nacheinander zwei Generale an ihre Spitze. General v. Stosch (Chef der Admiralität 1871 bis 1883) sah eine seiner Hauptaufgaben in der Entfaltung deutscher See-Interessen. Daraus erklärten sich die vielfältige Auslandstätigkeit der deutschen Flotte und der Bau zahlreicher hierfür geeigneter Schiffe. Der von ihm vorgelegte Flottenbauplan wurde 1873 vom Reichstag gebilligt. Aber erst der auf Stosch folgende Marinechef General Caprivi (später Bismarcks Nachfolger als Reichskanzler) förderte auch den Ausbau neuer Waffentechnologien energisch.

 

Die Kaiserliche Marine von 1890 - 1918

Die Großmacht Deutschland bedurfte wie alle übrigen Großmächte, einer Seemacht, um als politischer Faktor voll gewürdigt zu werden. Die lang gestreckten Küsten, der Außenhandel und die eigenen Handelsschiffe mußten durch eine Marine geschützt werden. Die deutsche Marine hat durch Kaiser Wilhelm den II, der 1888 an die Regierung kam, eine starke Förderung erfahren. Die strategischen Konzepte beruhten seinerzeit auf zwei Flottenansätzen und Aufgaben. Die Aufstellung einer Schlachtflotte zur Bekämpfung feindlicher Seestreitkräfte oder die Schaffung zahlreicher Kriegsschiffe zur Vernichtung der gegnerischen Handelsflotte (Kreuzerkrieg). Mit dem gerade geschaffenen  Panzerkreuzer standen dafür geeignete Schiffstypen zur Verfügung und daher fand dieses zweite Konzept in Deutschland viele Anhänger. Da Frankreich und Russland damit jedoch nicht getroffen werden konnten und England nicht als zukünftiger Feind betrachtet wurde, fiel die Entscheidung gegen den Kreuzerkrieg. Dafür fehlten auch leistungsfähige global verteilte Stützpunkte, denn einen Kreuzerkrieg  nur von deutschen Häfen aus zu führen war strategisch nicht möglich.

 

Aufbau der einer modernen Flotte (1900)

Mit Tirpitz als Staatssekretär des Reichsmarineamtes wurde nach Verabschiedung der  Flottengesetze (1898, 1900) durch den Reichstag die Marine zügig ausgebaut. Die Marine erhielt moderne Schiffe von deutschen zum Teil sogar von eigenen Marine-Werften. Dabei konnten mit den gut ausgebildeten Marineingenieuren in  der Schiffs-, Waffen- und Antriebstechnik große Fortschritte erzielt werden.  Innerhalb von nicht mal 20 Jahren liefen 36 moderne Schlachtschiffe vom Stapel und wurden 17 innovative Schlachtkreuzer gebaut, je zwei wurden wegen Kriegsbeginn nicht fertig. Lange vor der Handelschiffahrt erhielten diese Schiffe von Marconi entwickelte funktelegraphische Einrichtungen und den gerade von Anschütz entwickelten Kreiselkompass. Bereits 7 Jahre nach Parsons Vorführung  des Turbinenantriebs  in England 1897 wurden unter R. Veiths Leitung bei der deutschen Marine die ersten Dampfturbinen bei den Torpedobooten und Kleinen Kreuzern eingesetzt. Ab 1908 wurde die Ölfeuerung schrittweise eingeführt, zuerst auf den Torpedobooten, 1911 bei den Kleinen Kreuzern und 1913 bei den Schlachtkreuzern.

 

 

 

 

 

Mit Dieselmotoren angetriebene U-Boote im ersten Weltkrieg (Quelle Latte)

 

Schiffstypen der Kaiserlichen Marine

 In den führenden Marinen hatten sich charakteristische Merkmale der einzelnen Schiffsarten entwickelt, die in den folgenden 4 - 5 Jahrzehnten beibehalten wurden. Die  Schlachtschiffe oder Linienschiffe hatten die stärksten Panzer, eine mittlere Geschwindigkeit und die schwerste Bewaffnung (28-38 cm Kaliber).  Die Großen Kreuzer, auch als Panzer- oder Schlachtkreuzer bezeichnet, waren den Schlachtschiffen in der Bewaffnung ähnlich, hatten eine geringere Panzerung aber fuhren schneller. Als sehr modern galt die VON DER TANN (1909) mit vier Antriebswellen, die neben anderen Neuerungen als erstes deutsches Großkampfschiff einen Turbinenantrieb erhielt. Die Ausführung von Schwesterschiffen mit bisher üblichen Dampfkolbenmaschinen erlaubte den direkten Vergleich und war ein breites Experimentierfeld der Marineingenieure. Die Kleinen Kreuzer, 34 wurden bis 1915 in Dienst gestellt, waren die Aufklärer des Flottenverbandes oder Führungsschiffe für die Verbände der Torpedoboote, sie waren erheblich kleiner und wendiger. Die Torpedoboote (Deplacement 400 – 1.000 Tonnen) waren mit 25 – 35 Knoten sehr schnell und erhielten daher schon seit 1903 Turbinen. Ab 1908 erhielten einzelne Boote Ölfeuerung, um im Vergleich mit Schwesterbooten systematisch die Vor- und Nachteile zu untersuchen und Fehler auszumerzen. Dadurch entstanden ausgereifte  Feuerungssysteme auch in schwierigen Umgebungsbedingungen, die auf größere Schiffe übertragen wurden.  Minensuchboote wurden für die deutsche Marine erst nach 1914 entwickelt und gebaut. Die ersten deutschen Unterseeboote wurden 1906 fertig, und waren mit 250 Tonnen Verdrängung noch relativ klein. Nachdem die U-Boote statt der Petroleummotoren ab U 19 sparsame und sichere Dieselmotoren  erhielten,  wurden sie zu einer schlagkräftigen Waffe. Die rasante Entwicklung der Schiffs- und Waffentechnik besonders aber der deutschen Motorentechnologie führte dann sehr schnell zu im Vergleich zu anderen Marinen mit bis zu 2.000 Tonnen Verdrängung relativ großen Booten. Die sparsamen und zuverlässigen Dieselmotoren ermöglichten enorme Reichweiten und bis Ende des 1. Weltkrieges wurden 374 U-Boote in Dienst gestellt, die die Hauptlast des Seekrieges zu tragen hatten. Sie versenkten rund 12 Millionen BRT alliierten Schiffsraum, durch Feindeinwirkung  gingen 178 Boote verloren.

 

  Aufbau des doppeltwirkenden2-Takt-Dieselmotors SN 1200/6 um 1913 von MAN Nürnberg mit 12.000 PS für die Marine im 1. Weltkrieg, vorgesehen für das Linienschiff  Prinzregent Luitpold (Quelle MAN)   

4.5.3 Der IMPERATOR, das größte Schiff der Welt (1913)

 K.-H. Hochhaus, J. Wessel

 Die Dampfturbinen hatten im Gegensatz zu den Dampfmaschinen keine Schwingungen und Vibrationen verursachenden hin- und hergehenden Massen und waren lange Zeit für große Leistungen ein idealer Schiffsantrieb, nachdem das Turbinenproblem gelöst wurde.

 

Nach Versuchen von Parsons und ersten Einsätzen in der Marine wurden 1907 in England die MAURETANIA und in Deutschland der IMPERATOR (1913) gebaut. Der 40 Mio. Mark teure IMPERATOR war mit 52.117 BRT seinerzeit das größte Schiff der Welt, bot Platz für 4.594 Passagiere und hatte eine Ladefähigkeit von 12.000 Tonnen. Auf diesem Schiff der Superlative wurde erstmalig ein unmagnetischer Kreiselkompass installiert. Vier Turbinen trieben vier Propeller an, insgesamt waren es 61.000 PS, die diesem Giganten der Meere eine Geschwindigkeit von 23 Knoten verliehen. Die Propeller wurden direkt, also ohne zwischengeschaltete Getriebe, angetrieben. Die Vorteile der Dampfturbinen, hohe Drehzahlen, wurden damit nur zum Teil genutzt. Untersetzungsgetriebe konnte man inzwischen bauen, aber sie kamen für den Bau dieser Schiffe zu spät. Sie verhalfen den Dampfturbinen in den folgenden Jahren zum Durchbruch und für einige Schiffstypen und –größen beherrschten die Dampfturbinen fast 80 Jahre das Feld der Antriebsanlagen. Die Brennstoffausnutzung, also das Verhältnis von zugeführter Leistung zur Propellerleistung lag bei der IMPERATOR bei rund 12%. Dieser Wert wurde von den Schiffsmaschinenbauern schrittweise in Konkurrenz zum Dieselmotor bis 1970 auf den dreifachen Wert gesteigert. Der Diesel erreichte den vierfachen Wert, mit ein Grund, daß Turbinen später auf Handelsschiffen von Dieselmotoren verdrängt wurden.