Versenkung der KZ-Häftlingsflotte in der Lübecker Bucht

 

Eine der schwersten Schiffskatastrophen der deutschen Geschichte verwandelte die Lübecker Bucht am 3. Mai 1945 in ein Katastrophengebiet, über 7000 Menschen starben, darunter 6600 Häftlinge aus Neuengamme. Viele Tote wurden auf dem „Ehrenfriedhof Cap Arcona“ bei Neustadt bestattet

Cap Arcona nach dem Angriff (Quelle Arcona Museum Neustadt)

 

 

Aktualisiert im Mai 2021

 

Kurzfilm: Hamburg Süd mit Cap Polonio und Cap Arcona

https://www.youtube.com/watch?v=fBTcdIse88U

 

Kurzfilm: Schülerprojekt Gedenkstein Cap Arcona

https://www.youtube.com/watch?v=1CXIg_bI5h0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zeitliche Abfolge der Ereignisse in der Lübecker Bucht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wichtiges 

Dokument der Rückgabe der Cap Arcona an die Reederei, Vorderseite

 

(Quelle

KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

 

 

 

 

 

 Am frühen Morgen des 20. Aprils 1945 begann die SS, das KZ Neuengamme aufzulösen und auf Auffanglager und Endlager zu verteilen [1].  Viele wurden zum KZ-Bergen-Belsen geschickt, ein Endlager für „nicht mehr arbeitsfähige“ Gefangene. Rund 10.000 KZ-Häftlinge sollten über Lübeck auf Schiffe verladen werden. Rund 7.000 davon sollten mit dem Frachter ATHEN von Lübeck auf die CAP ARCONA gebracht werden [1, 3].

 

Die Cap Arcona lag ab dem 14. April 1945 wegen eines Maschinenschadens manövrierunfähig vor Neustadt. Sie wurde daher von der Kriegsmarine am 28. April ausgemustert, wie auch die Dokumente der Rückgabe an die Reederei belegen, und war erst ab diesem Datum dem „Reichskommissar für die Seeschiffahrt“, dem Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann unterstellt.  Die Mannschaft der Cap Arcona wurde von 250 auf 70 Seeleute reduziert.

 

Bereits am 20. April wurden die ATHEN mit KZ-Häftlingen beladen, um sie auf die CAP ARCONA  zu bringen, die vor Neustadt auf Reede lag. Der Kapitän der CAP ARCONA, Heinrich Bertram, übernahm die Häftlinge jedoch nicht wegen der noch bis zum 28. April llaufenden Marinecharter. Daher mußte die ATHEN unverrichteter Dinge wieder zurück nach Lübeck fahren.

 

Diese Diskrepanz verdeutlicht, unter welchem Druck die wichtigsten Akteure in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges standen:

 

Max Pauly, der Kommandant vom KZ Neuengamme sowie der für das KZ verantwortliche Hamburger Gauleiter Karl-Kaufmann standen unter Druck, um die KZ-Häftlinge aus Neuengamme vor dem Eintreffen der Engländer verschwinden zu lassen.

 

Max Pauly hatte  ab dem 20. Februar 1942 das Kommando über das KZ Stutthof,  wurde als SS-Sturmbannführer der Reserve mit Wirkung vom 30. Januar 1942 auch in die Waffen-SS übernommen. Anfang September 1942 wechselte er als Kommandant in das KZ Neuengamme, das er bis zum Kriegsende leitete.

 

In diese Zeit fallen zahlreiche Kriegsverbrechen, wie die Ermordung der Kinder vom Bullenhuser Damm und die Exekution von 58 Männern und 13 Frauen aus dem KZ Fuhlsbüttel. Mit zehn weiteren Angeklagten wurde Max Pauly am 3. Mai 1946 zum Tode verurteilt und am 8. Oktober 1946 im Zuchthaus Hameln durch den Henker Albert Pierrepoint gehängt.

  

 

 

 

 

 

 

 

Die Rückgabe Cap Arcona von der Marine an die Reederei erfolgte am 28. April 1945,

 

Rückseite 

(Quelle

KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

 

 

 

 

 

Am  24. April erhielt Bertram die Meldung, die „Schutzhäftlinge“ zu übernehmen

 

Am Dienstag den 24. April erhielt Bertram über einen Kurier die Meldung, dass jetzt die „Schutzhäftlinge“ zu übernehmen seien. Ein drittes Mal lief die ATHEN die CAP ARCONA zur Übergabe der KZ-Häftlinge an, Bertram weigerte sich jedoch auch diesmal.

 

Am 25. April lief die ATHEN zum 4. Mal zur CAP ARCONA. Erneut verweigerte Bertram die Aufnahme der Häftlinge. Die ATHEN blieb jedoch neben der CAP ARCONA liegen, auch um die Not der Häftlinge zu lindern, die am Verdursten waren. Von der CAP ARCONA erhielten sie notdürftig Verpflegung und Trinkwasser.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechnung für den Schlepper Travemünde

(Quelle

KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

 

 

 

 

THIELBEK

 

Das 105,00 m lange und 14,70 m breite Frachtschiff war Ende der 1930er Jahre von der Hamburger Reederei Knöhr & Burchard bei der Lübecker Maschinenbau Gesellschaft geordert worden. Es lief 1939 mit dem Namen Goldbek vom Stapel. Die Ablieferung des im Januar 1940 fertiggestellten Schiffs erfolgte mit dem Namen THIELBEK.

 

Neben Kapitän Jacobsen waren noch 18 zivile Seeleute an Bord, die Besatzung wurde von der SS zum Stillschweigen verpflichtet. Am 21. April kamen weitere Häftlinge an und wurden auf die THIELBEK gebracht, so dass die Gesamtzahl auf etwa 3.500 stieg [1].

 

In den Laderäumen herrschte eine katastrophale Enge, es gab keine Verpflegung und zu wenig Trinkwasser. Während sich die anderen Schiffe der Häftlingsflotte bereits in der Lübecker Bucht befanden, lag die THIELBEK wegen ihres Ruderschadens immer noch im Lübecker Hafen fest.

 

Am 1. Mai befahl der Lübecker Polizeichef dem Kapitän, sofort auszulaufen. Am 2. Mai wurde die THIELBEK vom Schlepper TRAVEMÜNDE für 362 RM und einem weiteren Schlepper auf die Ostsee zur Reede Neustadt geschleppt [1]. Täglich starben viele Häftlinge, die einfach von der SS-Bewachung über Bord geworfen wurden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1947, Schreiben der Lübecker Hafengesellschaft an die Reederei der Thielbek (Quelle

KZ-Gedenkstätte Neuengamme)

 

 

Auch RAF Commander John Robert Baldwin mit dem  Jagdbomber vom Typ Hawker Typhoon" griff Schiffe in der Lübecker Bucht an

 

 

 

Am Nachmittag des 3. Mai verwandelte sich die Lübecker Bucht in ein Katastrophengebiet

 

Eine Luftaufklärung der Royal Air Force fand am 2. Mai 1945 in der Lübecker Bucht eine große Schiffsansammlung von Marine- und Transportschiffen und plante am nächsten Tag einen Angriff. Die Royal Air Force wurde vom schwedischen Roten Kreuz (nach anderer Quelle über das Schweizer Rote Kreuz) über die Häftlingsschiffe informiert, anscheined zu spät.

 

 Die grau angestrichene "Cap Arcona" war mit Flugabwehrkanonen bestückt. Neben den Häftlingen waren 15 - 20 Bewacher der SS, 400 Flakmatrosen und 70 Seeleute der restlichen Besatzung  an Bord. Es wirkte wie ein gewöhnliches Marineschiff.

 

Die anderen Marineschiffe hatten beim Angriff  Fahrt aufgenommen und verließen die Lübecker Bucht, nur die Deutschland, die Cap Arcona und die Thielbek blieben vor Anker und verteidigten sich mit ihrer Flak.

 

  Der Großeinsatz der britischen Jagdbomber in der Kieler und Lübecker Bucht am 3. Mai wurde im Hauptquartier der 2. Taktischen Luftflotte geleitet. Das war ein militärischer Verband der Royal Air Force (RAF), der 1943 während des Zweiten Weltkrieges aufgestellt wurde und bis 1959, zeitweise als British Air Forces of Occupation, bestand. Er war einer von drei solchen Verbänden in der Geschichte der RAF. Als erster Oberbefehlshaber wurde Air Marshal John D'Albiac ausgewählt, der zuvor die No. 2 Bomber Group befehligt hatte. Im Januar 1944 übernahm dann Air Marshal Arthur Coningham diesen Posten, der frühere Befehlshaber der Desert Air Force, der danach die alliierten taktischen Luftstreitkräfte im Italienfeldzug geführt hatte.

 

Von der Gruppe 83 mit 14 Staffeln und Gruppe 84 mit 6 Staffeln wurden insgesamt 117 Einsätze geflogen, dabei gingen 13 Maschinen durch Flaktreffer verloren. Das Küstenkommando führte 71 Einsätze aus.

 

 

 

 

 

 

Air Marshall Arthur Coningham (Mitte) während einer Besprechung mit Bernard Montgomery und Miles Dempsey über die Operation Varsity, 22. März 1945 (QuelleWikipedia)

 

 

 

 

Die Angriffe in der Lübecker Bucht wurden von 3 Staffeln der Gruppe 84 am 3. Mai  in 3 Wellen durchgeführt und verzeichnete insgesamt 198 Einsätze. Die Welle 1 startete um 14:00 von Plantlünne bei Nordhorn mit der Staffel 198 mit neun einmotorigen Jagdbomber vom Typ Typhoon IB. Sie waren mit Raketenbomben als Hauptbewaffnung bestückt und landeten wieder gegen 15:20.

 

Laut „General Order“ griffen sie die sich bietende Ziele an und 5 Maschinen lösten im Tiefflug ihre Raketenwaffen aus und viele Volltreffer verursachten auf der Cap Arcona ein riesiges Feuermeer. Die übrigen 4 Maschinen bekämpften gleichzeitig die sich mit Flakfeuer heftig wehrende Thielbek, die rund 800 Meter neben der Cap Arcona lag.

 

Die Welle 2 startete 15:16 von Flugplatz Ahlhorn bei Oldenburg  mit 9 Flugzeugen der Staffel 263 der Gruppe 84 und landete um 16:29. Sie hatte schon am Vormittag einen Angriff auf die Deutschland geflogen:

 

 Die Welle 3 startete um 15:15 mit 8 Flugzeugen fast zeitgleich mit der Staffel 263 und landete wieder um 16:35 Uhr.

Fast 200 angreifende Flugzeuge warfen an jenem Tag ihre tödliche Fracht über der Kieler und Lübecker Bucht ab, dabei wurden insgesamt 23 Schiffe versenkt und 115 Schiffe beschädigt.

Die Hauptverantwortlichkeit für eine der schwersten Schiffskatastrophen der Geschichte liegt allem Anschein nach auf deutscher Seite", schreibt Wilhelm Lange, Stadtarchivar aus Neustadt, denn sie haben "den Alliierten eine hinterhältige Falle gestellt". Andererseits unterliefen den Briten folgenschwere Pannen bei der Weiterleitung der Informationen. Noch hat kein Gericht die Verantwortung deutscher und britischer Beteiligter an der Tragödie bei Neustadt aufgearbeitet.

 

Die „Thielbek“ wurde gehoben

1950 war ein besonderes Jahr. Die „Thielbek“ wurde gehoben. Die gefundenen Leichenreste von 189 Menschen wurden im Zeitraum von Januar bis Mai 1950 auf dem Ehrenfriedhof bestattet. Eine Gedenkfeier mit etwa 1000 Teilnehmern für die Opfer der „Thielbek“ fand am 4. März 1950 statt.

 

Für die Landesregierung sprach damals Innenminister Käber. Unter der Überschrift „Gedenkstunde am Neustädter Strand“ berichtete die „Kreis Rundschau“ am 5.5.1950: „Aus Anlaß der 5. Wiederkehr des Untergangstages der „Cap Arcona“ am Mittwoch, legten Landrat Dr. Rohwedder und weitere Abordnungen in einer Gedenkstunde Kränze am Cap Arcona-Ehrenmal nieder.“

Cap Arcona“-Gedenken in Westdeutschland

 

Die Wracks der „Cap Arcona“ und der „Thielbek“ stellten für die Kommunen ein Problem dar, für das sie pragmatische Lösungen suchten.

Schild auf dem Wrack der „Cap Arcona“, um 1946 (Foto: unbekannt. (ANg, 1987-8286)

 

„Ehrenfriedhof Cap Arcona“.

 

Die Anlage ist rechteckig, ca. 100 Meter breit, ca. 15 Meter breit und etwa in West-Ost-Richtung angelegt. Sie wurde aus  behauenem Naturstein errichtet und ist von einer halbhohen Mauer umschlossen. Das Tor selbst trägt die Inschrift „Ehrenfriedhof Cap Arcona“. Am linken Torpfeiler befindet sich eine Bronzetafel, auf der die Geschehnisse des Unterganges der Cap Arcona und Thielbek geschildert werden.

 Bestattung der aus dem Wrack der „Thielbek” geborgene Leichen 

 

Aus dem Wrack der „Thielbek” geborgene Leichen werden in Särge gelegt. Links neben dem Kreuz ist Paul Stassek, Überlebender der „Thielbek”, zu sehen, der im Auftrag der Häftlingsverbände der Beisetzung beiwohnte. Das Foto wurde im Februar 1950 in Neustadt-Pelzerhaken aufgenommen.Foto: unbekannt. (ANg, 1995-1257)

 

1948  Enthüllung des  „Cap Arcona“-Ehrenmal

Im Mai 1948 wurde das „Cap Arcona“-Ehrenmal in Neustadt-Pelzerhaken enthüllt. In den folgenden Jahren entwickelte es sich zum zentralen Ort des „Cap Arcona“-Gedenkens in Westdeutschland.

 

 

 

Dann sah er die Fischerboote, die ihn kurz zuvor noch auf das Schiff gebracht hatten. Die Besatzungen retteten jeden, der eine Uniform trug, jeden, der nach SS-Wachmann oder Crew aussah. Auf die normalen Insassen hingegen, die verzweifelt gegen das Ertrinken kämpften, soll geschossen worden sein. Pivnik: "Sie retteten keinen einzigen Gefangenen." Er bemerkte, dass an Land kommende Überlebende ermordet wurden. Mit anderen Häftlingen quälte sich Pivnik deshalb bis zum Einbruch der Dunkelheit im Wasser. Er verlor das Bewusstsein, wurde an Land geschwemmt. Und überlebte.

Pivnik erwachte am 4. Mai - es sollte der Tag sein, an dem ihn britische Truppen befreiten. Er war durchnässt und halberfroren. "Ich realisierte, dass dies der erste Morgen seit meiner Zeit in Auschwitz-Birkenau war, an dem es keinen Morgenappell gab. Keine gebellten Befehle, keine Prügel, keine Stiefel." Pivnik nahm keinerlei Geräusche wahr. Außer dem Zwitschern der Vögel.

 

 

 

 

 

 

 

Wrack der Cap Arcona“ – Gedenkfeier auf dem Wrack der „Cap Arcona“, 1946. (Quelle media.offenes-archiv)

 

 

 

 

 

Friedhof bei Neustadt (Quelle:Genet at de.wikipedia)

 

 

Vor 75 Jahren -Versenkung der KZ-Häftlingsflotte in der Lübecker Bucht

von Karl-Heinz Hochhaus

(überarbeitet am 13. Mai 2020)

Abb. 1: Heutiger Eingang in in das ehemaliege KZ Neuengamme  (Foto Dr. Hochhaus)

 

1. Einführung

Eine der größten Schiffkatastrophen war die Versenkung des Luxusdampfers CAP ARCONA, Flaggschiff der Hamburg Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft (HSDG), durch englische Bomber vor 70 Jahren. Dabei sind fast alle der 4.600 KZ-Häftlinge, die überwiegend aus dem KZ Neuengamme (Abb. 1) stammten, umgekommen. Darüber wurde vielfach berichtet, mehrere Bücher geschrieben und das CAP ARCONA Museum in Neustadt informiert darüber. Außer der CAP ARCONA wurden bei diesem Angriff die DEUTSCHLAND und die THIELBEK versenkt. Das 4. Häftlingsschiff, das Motorschiff ATHEN war gerade im Neustädter Marinehafen, um weitere Häftlinge aus dem KZ Stutthof zu übernehmen. Insgesamt forderte dieses Drama in den letzten Kriegstagen über 7.000 Menschenleben [1].

 

Abb. 2: CAP ARCONA, (Foto Dr. Hochhaus, im Cap Arcona Museum Neustadt)

 

2. Die Schiffe

Das Dampfturbinenschiff CAP ARCONA (Abb. 2) wurde 1927 von Blohm & Voss (B&V) für die HSDG gebaut. Mit einer Länge von 206 m, 25,8 m Breite und 12,8 m Seitenhöhe war sie mit 27.560 BRT vermessen. Sie hatte 8 Wasserrohrkessel, die 2 Satz Getriebeturbinen mit Dampf versorgten und dem Schiff mit 24.000 PS eine Geschwindigkeit von 20 kn verliehen. Die CAP ARCONA war eingerichtet für 575 Passagiere der I., 275 Passagiere der II. und 465 Passagiere der III. Klasse [2]. Für den Schiffsbetrieb im Südamerika-Liniendienst wurden 630 Besatzungsmitglieder benötigt. Im Mai 1945 lag die CAP ARCONA fahruntüchtig vor Neustadt. Es waren nur 70 Mann zivile Besatzung und rund 4.600 Häftlinge an Bord,  außerdem 15-20 SS-Führer und 20 SS-Frauen für die KZ-Verwaltungsarbeiten. Zur Flugabwehr befanden sich außerdem rund 400 Mann der Marineartillerie an Bord [1].

Abb. 3: Das Dampfturbinenschiff DEUTSCHLAND, ein Schiff der Ballin-Klasse der  Hapag,

(Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

Das Dampfschiff DEUTSCHLAND (Abb. 3), 1923/24 ebenfalls von B&V gebaut, gehörte der Hapag und wurde für den Linienverkehr über den Atlantik gebaut. Sie wurde 1930 verlängert, erhielt neue Wasserrohrkessel und lief mit den beiden neuen rund doppelt so starken 23.000 PS-Dampfturbinensätzen eine Geschwindigkeit von 19,2 kn. Die DEUTSCHLAND hatte 415 Mann Besatzung und war eingerichtet für 230 Passagiere der I., 400 Passagiere der Touristen- und 400 Passagieren der III. Klasse [2]. Im Mai 1945 lag sie ohne Häftlinge in der Lübecker Bucht vor Neustadt und wurde zu einem Lazarettschiff umgerüstet.

 

 

Abb. 4: Karte mit dem KZ Stutthof bei Danzig (Dr. Hochhaus, erstellt mit Open Street Map)

 

 

Die THIELBEK war ein 2.815 BRT großer Frachtdampfer, der 1939 bei der Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft (LMG) für die Hamburger Reederei Knöhr & Burchard gebaut wurde. Sie lag mit Ruderschaden in Lübeck in der Werft und wurde anfangs wie die ELMENHORST als „Auffanglager“ für KZ-Häftlinge aus Neuengamme eingesetzt.

 

Die ATHEN war ein 1936 von der Hamburger Reiherstiegwerft abgelieferter 4.450 BRT Motorfrachter für die Reederei Deutsche Levante-Linie (DLL). Sie wurde als Stückgutschiff mit Heimathafen Hamburg in der  Mittelmeerfahrt eingesetzt. Das Schiff wurde im September 1936 in Fahrt gesetzt und bis 1940 von der Deutschen Levante-Linie betrieben. 1940 von der Kriegsmarine  übernommen und zum SPERRBRECHER 2 umgebaut, sank das Schiff durch Minentreffer in der Nähe von Boulogne. Es wurde im November 1942 gehoben,  instandgesetzt und wieder von der Reederei als  ATHEN eingesetzt. Sie lag im April 1945 in Lübeck in der Werft und wurde von der SS als Häftlingsschiff eingesetzt.

 

Die ELMENHORST war ein Frachtdampfer der Reederei Bock, Godefroy & Co. und wurde 1945 von der Lübecker Maschinenbaugesellschaft (LMG) abgeliefert. Sie war mit 1.925 BRT vermessen und lag als Neubau im Lübecker Hafen.

 

 Die 1919 gebaute OTTERBERG der Reederei A. Bolten wurde wie die ELMENHORST als vorläufiges Häftlingsquartier genutzt und blieben im Lübecker Hafen.

Abb. 5: Belegung eines der Kähne getrennt nach Männer und Frauen (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

 

Am Rande beteiligt waren noch zwei Schleppverbände mit Häftlingen aus dem KZ Stutthof bei Danzig (Abb. 4). Es handelte sich um den Schlepper ADLER mit dem Kahn VATERLAND und den Schlepper BUSSARD mit dem Kahn WOLFGANG. Sie sind am 28. 4. 1945 in Nickelswalde bei Elbing mit rund 2.000 Häftlingen an Bord (Abb. 5) abgefahren und erreichten Lübeck am 2. Mai. Da Lübeck gerade von den Briten eingenommen wurde, drehten sie um und fuhren nach Neustadt [1].

 

 

Abb. 6: Weißen Busse beim KZ Neuengamme (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

3. KZ Neuengamme

Von den bis 1945 im KZ Neuengamme bei Hamburg gefangen gehaltenen ca. 100.000 Häftlingen, 9 % aus Deutschland und 91 % aus den besetzten Ländern, starben etwa 50.000 in Folge der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, durch Morde und als Opfer der Gewaltmärsche bei den Lagerräumungen. KZ-Kommandant Max Pauly teilte den SS-Wachmannschaften den am 19. April erhaltenen Befehl zur endgültigen Räumung mit, 500 Gefangene sollten zum Schluss die Spuren verwischen  [3, 4].

 

Abb. 7: Das schwedische Lazarettschiff Lillie Matthiesen beladen mit den weißen Bussen (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

3.1 Räumung vom KZ Neuengamme

Im Herbst 1944 fanden Gespräche statt, in denen der Höhere SS- und Polizeiführer Georg-Henning Graf von Bassewitz-Behr, der KZ Kommandant von Neuengamme SS-Sturmbannführer Max Pauly und der Reichskommissar für die Seeschifffahrt („Reiko See“) NSDAP-Gauleiter und SS-Obergruppenführer Karl Kaufmann die Lage erörterten [1]. Aufgrund der näher rückenden Front sprachen  sie darüber, wie das KZ Neuengamme und die Außenlager geräumt werden können. Sowohl die Transportmöglichkeiten als auch der endgültige Verbleib der Häftlinge waren die wichtigsten Fragen. Heinrich Himmlers Befehl bezüglich der KZs: "kein Häftling darf in die Hände des Feindes fallen" [1, 3] führte ab März 1945 dazu, dass die Häftlinge der vielen Außenlager ins Stammlager Neuengamme zurückgeführt wurden. Die meisten Häftlinge wurden auf Endlager wie Bergen-Belsen, Auffanglager Wöbbelin bei Ludwigslust oder Sandborstel bei Bremervörde verteilt [1, 3, 4]. Es verblieb ein Rest von 10.000 Häftlinge im Stammlager. Im April erhielt Pauly einen Anruf von Bassewitz-Behr, in dem er ihm mitteilte, dass auch dafür eine Lösung gefunden sei. Sämtliche im KZ Neuengamme verbleibende Häftlinge sollten auf Schiffe verladen werden, die Bassewitz-Behr in seiner Funktion als Reichskommissar für die Seeschifffahrt zur Verfügung stellte [3].

 

 

 

 

 

 

Abb. 8: Graf Folke Bernadotte, Neffe des regierenden König Gustafs V. Adolf traf sich im Februar 1945 mit Heinrich Himmler zu heimlichen Verhandlungen nahe dem  Frauen-KZ Ravensbrück.

 

 

 

3.2 Aktion der weißen Busse

Der norwegische Diplomat Niels Christian Ditleff engagierte sich Ende 1944, um für die Norweger und Dänen in deutschen Konzentrationslagern eine Rettungsaktion durch das schwedische Rote Kreuz zu veranlassen [3]. Graf Folke Bernadotte (Abb. 8),  Neffe des regierenden König Gustafs V. Adolf und Vizevorsitzender des schwedischen Roten Kreuzes, wurde mit den Verhandlungen und der Durchführung beauftragt. Er traf sich im Februar 1945 mit Heinrich Himmler zu heimlichen Verhandlungen in der Uckermark nahe dem  Frauen-KZ Ravensbrück. Er erreichte, dass die skandinavischen Gefangenen in allen deutschen KZ unter Geheimhaltung im KZ Neuengamme konzentriert werden durften. Damit nahm eine beispiellose Hilfsaktion seinen Anfang. Die Sammlungstransporte wurden von Bernadotte organisiert, begannen im März 1945 und holten rund 6.000-7000 Häftlinge mit weiß angemalten schwedischen und dänischen Bussen (Abb. 6) in das sogenannte „skandinavische Lager“ (Abb. 1) im KZ Neuengamme. Um Platz zu schaffen, wurde der vordere große steinerne Unterkunftsblock vorher geräumt. Dazu sind rund 4.000 Häftlinge mit „weißen Bussen“ in Lager nach Salzgitter, Hannover und Bergen-Belsen verbracht worden  [3, 4].

Abb. 9: Motorschiff Athen (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

4. Beladung der Schiffe mit  KZ-Häftlingen

Am frühen Morgen des 20. Aprils 1945 begann die SS, das KZ Neuengamme aufzulösen und auf Auffanglager und Endlager zu verteilen [1]. Dabei herrschte ein wildes Durcheinander, die Befehle widersprachen sich, auch weil erste SS-Chargen begannen, sich abzusetzen. Die Gefangenen wurden in eiligst herbeigeschafften Bahnwaggons sowie Lastwagen gepfercht oder zu Fuß in Marsch gesetzt. Bei diesen Todesmärschen der hungrigen, geschwächten Häftlinge mit unzureichender Kleidung und Schuhwerk starben viele von ihnen. An den Seiten der  Marschwege blieben die Toten zurück, die wegen Erschöpfung von den SS-Bewachern erschossen wurden. Viele wurden zum KZ-Bergen-Belsen geschickt, ein Endlager für „nicht mehr arbeitsfähige“ Gefangene. Rund 10.000 KZ-Häftlinge sollten über Lübeck auf Schiffe verladen werden. Rund 7.000 davon sollten mit der ATHEN (Abb. 9) von Lübeck auf die CAP ARCONA gebracht werden [1, 3].

 Abb. 10: Dampfschiff Thielbek  (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

 

4.1 Thielbek Einschiffung der Häftlinge

Von der SS wurde angeordnet, dass der mit einem Ruderschaden in Lübeck in der Werft liegende Frachter THIELBEK  2.000 KZ-Häftlinge aus Neuengamme übernehmen sollte [1]. Die Weigerung von Kapitän John Jacobsen wurde von der SS mit der Androhung von Waffengewalt beantwortet. Ein Arbeitskommando hatte eine provisorische Toilettenanlage an Deck gebaut und am 19. April 1945 verholte die THIELBEK von der Werft in den Lübecker Industriehafen. Am darauffolgenden Tag wurden insgesamt 2.300 KZ-Häftlinge auf die THIELBEK (Abb. 10, 11) gebracht, außerdem 280 Wachleute [1]. Sie waren vom KZ Neuengamme nach Lübeck zum Teil in Viehwaggons (je nach Quelle [1, 5]) mit je 50 bis 120 Häftlingen pro Waggon transportiert worden. Der Transport wurde jedoch aufgrund von Tieffliegerangriffen mehrfach unterbrochen. Da die Reichsbahn nicht genug Zugmaterial zur Verfügung hatte, waren einige Häftlingsgruppen in Fußmärschen, in sogenannten Todesmärschen, nach Lübeck gelangt.

 

Neben Kapitän Jacobsen waren noch 18 zivile Seeleute an Bord, die Besatzung wurde von der SS zum Stillschweigen verpflichtet. Am 21. April kamen weitere Häftlinge an und wurden auf die THIELBEK gebracht, so dass die Gesamtzahl auf etwa 3.500 stieg [1]. In den Laderäumen herrschte eine katastrophale Enge, es gab keine Verpflegung und zu wenig Trinkwasser. Während sich die anderen Schiffe der Häftlingsflotte bereits in der Lübecker Bucht befanden, lag die THIELBEK wegen ihres Ruderschadens immer noch im Lübecker Hafen fest. Am 1. Mai befahl der Lübecker Polizeichef dem Kapitän, sofort auszulaufen. Am 2. Mai wurde die THIELBEK vom Schlepper TRAVEMÜNDE und einem weiteren Schlepper auf die Ostsee zur Reede Neustadt geschleppt [1]. Täglich starben viele Häftlinge, die einfach von der SS-Bewachung über Bord geworfen wurden.

Abb. 11: Der Dampfer „Reinbek“, vormals „Thielbek“, Ende 1958 im Hafen von Grenada. Bis 1974 fuhr das Schiff, dann wurde es in Jugoslawien verschrottet. (Quelle: Günter Elsässer/hfr)

 

4.2 ATHEN, Zubringerschiff  für die CAP ARCONA

Am 20. April wurden auch die ATHEN (Abb. 9) mit KZ-Häftlingen beladen, um sie auf die CAP ARCONA  zu bringen, die vor Neustadt auf Reede lag. Da der Kapitän der CAP ARCONA, Heinrich Bertram, die Häftlinge nicht übernahm, lief die ATHEN zurück nach Lübeck. Am Samstag, den 21. April befanden sich auf der ATHEN unter Deck bereits rund 4.300 Häftlinge. Die Bewachung erfolgt vom 450 SS-Mannschaften, die teils an Deck und teils in den Besatzungsunterkünften wohnten [1]. Die aufgrund der extrem schlechten Ernährung und Unterbringung an Bord verstorbenen Häftlinge wurden von der SS einfach über Bord geworfen, auch um die Landbürokratie bei dem Begräbnis in Massengräbern zu umgehen.

 

 

 

Abb. 12: Gauleiter Karl-Kaufmann (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

 

Ein erneuter Versuch, Häftlinge auf die CAP ARCONA zu bringen, blieb ohne Erfolg, da die Schiffsleitung sich auf Anordnung des Kapitäns weigerte. Auch der mit der Schiffsleitung verhandelnde SS-Hauptsturmführer Otto Thümmel war dagegen machtlos. Der Kapitän Bertram befand sich zu Verhandlungen an Land. Um dem steigenden Druck der SS standzuhalten, baten die Schiffsoffiziere Bertram, auf sein Schiff zu kommen [1].

 

Am 23. April erhielt das Vorstandsmitglied der HSDG, Georg Dittmer vom persönlichen Referenten SS-Sturmbannführer Horn des Gauleiters Karl Kaufmann (Abb. 10) den Befehl zur Aufnahme der Häftlinge. Dittmer rief Bertram an und riet ihm, sich an Konteradmiral Conrad Engelhardt zu wenden. Engelhardt und sein Stab befanden sich im Flensburger Hafen auf der MALAGA und hatten als Seetransportverantwortlicher für die Hilfsbeischiffe der Marine bisher die Befehlsgewalt über die CAP ARCONA. Da die CAP ARCONA aufgrund der defekten Antriebsanlage und leeren Treibstofftanks nicht mehr seeklar war, hatte die Marine das Schiff an den „Reiko See“ überstellt  [1, 7].

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 12: Kapitän Heinrich Bertram (Foto Dr. Hochhaus, Ausstellung Neuengamme)

 

 

Horn entsandte am 23. April den beim „Reiko See“ dienstverpflichteten Kapitän zur See Lewinski zur Lageüberprüfung nach Lübeck. Er sollte die Schiffsführung der CAP ARCONA zum Einlenken bringen. Lewinski inspizierte am 24. April die Schiffe und beschwerte sich bei der SS mit wenig Erfolg über die unerträglichen Zustände der Häftlingsunterbringung auf den Schiffen. Lewinski hatte festgestellt, dass eine Übergabe der Häftlinge auf die CAP ARCONA nicht erfolgen konnte, da hier keine ausreichenden Lebensmittel- und Trinkwasservorräte für die vielen geplanten KZ-Häftlinge verfügbar waren Die SS beruhigte Lewinski und die inzwischen eingeschalteten zivilen und militärischen Dienststellen mit Zweckparolen z. B. mit der Behauptung, dass die Schiffe zur Rettung der KZ-Häftlinge nach Schweden auslaufen sollten.

 

Am Dienstag den 24. April erhielt Bertram (Abb. 11) über einen Kurier die Meldung, dass jetzt die „Schutzhäftlinge“ zu übernehmen seien. Ein drittes Mal lief die ATHEN die CAP ARCONA zur Übergabe der KZ-Häftlinge an, Bertram weigerte sich jedoch auch diesmal. Am 25. April lief die ATHEN zum 4. Mal zur CAP ARCONA. Erneut verweigerte Bertram die Aufnahme der Häftlinge. Die ATHEN blieb jedoch neben der CAP ARCONA liegen, auch um die Not der Häftlinge zu lindern, die am Verdursten waren. Von der CAP ARCONA erhielten sie notdürftig Verpflegung und Trinkwasser [1].

 

Abb. 13: Situation am 3.Mai 1945 in der Neustädter Bucht (Foto Dr. Hochhaus, im Cap Arcona Museum Neustadt)

 

4.4 Kapitän Bertram weicht der Gewalt

Am 26. April hatten Lewinski, Horn, der SS-Sturmbannführers Christoph-Heinz Gehring und zwei weitere SS-Männer eine heftige Unterredung mit Bertram. Mit einem Verhaftungsbefehl übten sie auf Bertram extrem starken Druck aus, damit dieser den SS-Befehlen zur Einschiffung der Häftlinge nachkam. Bertram wich der Gewalt, lehnte jedoch jede Verantwortung ab, da das Schiff für diese hohe Konzentration von Menschen nicht geeignet sei [1, 7].

Damit konnte die ATHEN am 26. April die ersten 2.500 Häftlinge an die CAP ARCONA übergeben. Jetzt konnten auch die zwischenzeitlich auf der ELMENHORST und OTTERBERG verladenen Häftlinge von der ATHEN zur CAP ARCONA gebracht werden. Nach [1] ging an diesem Tag von Neuengamme auch der letzte KZ-Häftlingstransport mit der Bahn ab. Bis zum 29. April wurden insgesamt 7.500 Häftlinge auf die CAP ARCONA gebracht, die damit heillos überfüllt war [1, 3, 7]. Eine Häftlingsdelegation und die Schiffsleitung warnten vor einer drohenden Seuchengefahr, woraufhin die SS am 30. April 2.000 vorwiegend französische, aber auch belgische und niederländische Häftlinge mit der ATHEN nach Lübeck zurückbringen ließ. Mehrere 100 dieser Häftlinge kamen daraufhin mit den Weißen Bussen des schwedischen Roten Kreuzes auf die in Lübeck liegenden schwedischen Lazarettschiffe. Die LILLIE MATTHIESSEN lief am 30. April nach Malmö aus, das Schwesterschiff MAGDALENA, die auch 380 Frauen aus dem KZ Ravensbrück an Bord nahm, folgte ihr am 1. Mai  [1, 7].

 

 

 

 

 

Abb. 14: Die brennende Cap Arcona und Thielbek (Foto Dr. Hochhaus, im Cap Arcona Museum Neustadt)

 

 

 

 

5. Der Angriff der englischen Bomber am 3. Mai

Regelmäßig überflogen englische Aufklärer die Lübecker Bucht, in der sich immer mehr Schiffe und U-Boote sammelten. Hier lag auch die DEUTSCHLAND, jedoch ohne Häftlinge an Bord. Von der Häftlingsflotte lagen am 3. Mai 1945 die CAP ARCONA mit rund 5.0000 und die THIELBEK mit rund 2.800 Häftlingen etwa 5 km vor Neustadt (Abb. 12). Die antriebslosen Lastkähne VATERLAND und WOLFGANG mit inzwischen rund  1.600 Häftlingen lagen bei der CAP ARCONA und waren mit den Schleppern von den SS-Bewachern verlassen worden. Daher hatten die Kähne am 3. Mai morgens um 02:00 Uhr losgemacht, um sich mit günstigem Wind an Land treiben zu lassen. Die ATHEN war um 12:00 kurzfristig in den Marinehafen Neustadt geordert worden, um die inzwischen vor Pelzerhaken gestrandeten Häftlinge der beiden Kähne aufzunehmen [1].

 

Gegen 14:30 Uhr begann der Angriff der ersten Welle der britischen Jagdbomber (Jabos) vom Typ Thyphoon I B. Neun Jabos griffen die Schiffe, denen die weiße Flagge verboten war, in der Neustädter Bucht mit Raketenbomben an (Abb. 13). Die CAP ARCONA und THIELBEK erhielten schwere Treffer. Auch die inzwischen im Marinehafen Neustadt liegende ATHEN wurde angegriffen, sie wehrte sich mit der Flak. Die ATHEN erhielt unbedeutende Treffer und einige Häftlinge kamen bei diesem Angriff zu Tode. Auch Einheiten der Flugsicherungsflotille und vier Boote der Küstenwachboote vor Pelzerhaken beteiligten sich an der Abwehr [1].

Abb. 15: Das Wrack der Cap Arcona (Quelle: http://media.offenes-archiv.de/ha7_4_6_3_thm_2460.pdf)

 

 Britische Panzerspitzen hatten von Süsel und Wintershagen kommend den Stadtrand von Neustadt erreicht und griffen in den Kampf ein, beschossen die Flakstellungen der ATHEN und die Rettungsschiffe, die aus Neustadt den sinkenden Schiffen zur Hilfe kommen wollten. Die zweite Welle mit einer Staffel von neun Jabos griff die DEUTSCHLAND und einige U-Boote an und die dritte Welle mit acht Jabos suchte sich andere Ziele in der Neustädter Bucht. Die Marinesoldaten am Geschütz der ATHEN gaben auf und hissten die „Weiße Fahne“. Die CAP ARCONA kenterte im 18 m tiefen Wasser und die meisten der Schiffbrüchigen fanden den Tod. Die THIELBEK sank mit 2.800 Personen, nur wenige der Häftlinge überlebten. Auch die DEUTSCHLAND sank, hier waren jedoch keine Gefangenen an Bord. Das Wasser hatte eine Temperatur von 7 bis 8°C und da die Rettungseinrichtungen weitgehend zerstört waren gab es unter den Häftlingen mit über 7.000 Opfern nur wenige Überlebende [1, 7].

 

 

Abb. 16: Bericht von Kapitän Bertram (Quelle http://media.offenes-archiv.de/ha7_4_6_3_thm_2460.pdf)

 

 

6. Literatur

[1] Wilhelm Lange: Cap Arcona. Neustadt in Holstein 2014; ISBN 978-3-942943-08-6

[2] Arnold Kludas: Die Geschichte der deutschen Passagierschiffahrt. 1994 Hamburg, ISBN 3-89350-821-X

[3] Katharina Hertz-Eichenrode (Hg.): Ein KZ wird geräumt; Edition Temmen; (2 Bände) ISBN 3-86108-764-2

[4] Hermann Kaienburg: Das Konzentrationslager Neuengamme 1938-1945; 1997 KZ Gedenkstätte Neuengamme ISBN 3-8012-3076-7

[5]  Bernhard Strebel: Das KZ Ravensbrück; 2003, Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-10123-1

[6] Christoph Ernst; Ulrike Jensen: Als letztes starb die Hoffnung, 1989 Hamburg ISBN 3-89136-267-6

[7] Hans Rothfels, Theodor Eschenburg (Hrsg.): Studien zu Geschichte der Konzentrationslager, 1970 Dt. Verl.-Anst. Stuttgart

[8] Margarete Buber-Neumann: Als Gefangene bei Stalin und Hitler; 1978 Stuttgart; ISBN 3-512-00440-7