Kapitel 3

Die Familie der Latte wächst (1898 - 1907)

Ein Gelehrter in seinem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker; er steht auch vor den Naturgesetzen wie ein Kind vor der Märchenwelt.

 Marie Curie (7.11.1867 - 4.7.1934, Chemikerin, Physikerin und zweimalige Nobelpreisträgerin, Physik und Chemie)

Was sonst noch so in diesem Jahr 1898 geschah

 Weltgeschichte

 In China wird die Halbinsel Schantung mit dem Hafen Tsingtau von einem deutschen Geschwader besetzt und erwirbt es durch Pachtvertrag für 99 Jahre.

 Deutschland beginnt mit dem Bau der der Balkanbahn und zieht sich den Argwohn Rußlands und Großbritanniens zu.

 Die USA gewinnen von Spanien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen.

 

Deutsche Geschichte

 Der Reichstag nimmt mit großer Mehrheit das erste Flottengesetz zum Ausbau der Kriegsflotte unter Admiral von Tirpitz an.

 Otto von Bismarck stirbt in Friedrichsruh bei Hamburg.

 

 Technikgeschichte

 Ferdinand Braun entwickelt die nach ihm benannte Kathodenstrahlröhre und verbessert die drahtlose Telegraphie.

 

                                                       Bild zum Ordensfest der Latte im Jahr 1902

3.1 Eine Tochter, Graf-, Markgraf- und Ritterschaften vergrößern die Familie der Latte

 

Nach dem erfolgreichen Studium begannen viele Schiffbauingenieure der Latte ihren Berufsweg bei Werften, Reedereien, Zulieferfirmen und Klassifikationsgesellschaften in den Küstenstädten. Hier schlossen sich die Praktikanten und Komtures zu Gruppen zusammen, um die von den Schiffbauersälen gewohnte und beliebte Gemeinschaft auf den Werften, in Stammtischen von Kneipen oder Gaststätten zu pflegen. Denn wer die Gemeinschaft der Latte genossen hatte, mochte sie nicht mehr missen. Je nach Engagement und Größe der Gemeinschaft entstanden Ableger der Heiligen Frau Latte als Ritterschaften, Grafschaften, Mark- oder Churmarkgrafschaften. So wird in der Chronik der Latte zu Hannover /ad Hammaburg von der „Markgrafschaft Hamburg“ berichtet, die 1907 vom Komtur von Zydowitz gegründet wurde. Der Höhepunkt dieser Ableger war die Teilnahme am jährlichen Ordensfest in Berlin. Hier wurden die mit Papporden geschmückten Abordnungen aus der Provinz feierlich begrüßt und deren häufig doppelsinnige Geschenke gerne und mit viel Spaß und Ulk entgegengenommen.

 

Die heilige Frau Latte bekommt eine Tochter (1898 – 1907)

 Der folgende Text wurde bis auf die Überschriften wörtlich aus [1] übernommen

 Etwas wurde die Zahl der Lattenbrüder vermindert dadurch, daß an der 1904 eröffneten Danziger Hochschule von Weichhardt, Wiesinger und Mazner eine Tochter-Latte gegründet wurde. Außer in Berlin werden die schiffbaulichen Fächer an deutschen technischen Hochschulen nur noch in Danzig gelehrt. Aber Mutter und Tochter bildeten eine gemeinsame, in gutem Einvernehmen lebende Familie. Das Band, das die Schiffbauer zusammenhält, ist stärker als das der Vereine und der Korporationen; es reicht auch über Länder und Meere, und treu gedenken die Berliner ihrer Danziger Brüder, die fern im Osten eine kräftige Stütze deutschen Wesens bilden.

  

Markgrafschaften in den Küstenstädten

Weiter wurde die Latte gestärkt durch die „Markgrafschaften“, die sich in den Küstenstädten auftaten. Bei dem starken Andrang zum Studium des Schiffbaus ergab es sich von selbst, daß sich auf den großen Werften eine größere Zahl von Praktikanten zusammenfand, um die vorgeschriebene praktische Arbeitszeit zu erledigen. Was lag da näher, als dass sie sich zu Markgrafschaften zusammenschlossen, um die unangenehmen, langweiligen Stunden der Arbeit durch fröhliche, gemeinsam verbrachte Stunden zu verschönen oder gar zu verkürzen. Wer erinnert sich nicht der „Löwen“-Bude in Wilhelmshaven! Solche Markgrafschaften, die zur Hauptsache während der großen Hochschulferien blühten, taten sich auf in Kiel, Wilhelmshaven, Stettin, Hamburg und Bremen. Die alten Semester, die nur noch Monate abzuarbeiten hatten, weihten die jungen, die ein ganzes Jahr hintereinander arbeiten mussten, in die Geheimnisse der Latte ein, der sie beim Beziehen der Hochschule dann oft schon angehörten.

 

 

 

 

Der Erweiterungsbau wurde 1902 bezogen, dort befindet sich noch heute ein Schiffbauersaal (Quelle TUB)

Der Erweiterungsbau wird 1902 bezogen

 Als mit dem gewaltigen Aufschwunge Deutschlands um 1890 die Industrie und nicht am wenigsten der deutsche Schiffbau mit seinen Glanzleistungen sich außerordentlich schnell entwickelte, da konnte die Hochschule trotz ihrer Größe die Zahl der Studierenden nicht mehr fassen. Es musste ein „Erweiterungsbau“ hinzugefügt werden, der 1902 bezogen werden konnte.

 

Diese Vergrößerung brachte die für den Zusammenhalt in der Latte durchaus ungünstige Teilung in zwei Lager: Die alten Semester blieben in ihren gewohnten Sälen im Hauptgebäude, und die jungen wurden getrennt davon im Erweiterungsbau untergebracht. Dadurch wurde der, für die persönliche und für die wissenschaftliche Entwicklung so günstige Zusammenhang zwischen Alten und Jungen, wenn auch nicht ganz vernichtet, so doch sehr geschwächt. Die fast 400 Studierenden kamen nicht mehr in so enge Berührung miteinander wie früher; sie kannten sich nicht mehr persönlich, und das Bedürfnis nach einem gemeinsamen Bunde, der alle Schiffbauer vereinigte, wurde schwächer. Aber ein gewisses Band war doch vorhanden, vor allem durch die von 500 – 600 fröhlichen Menschen besuchten Lattenfeste, die durch ihre glänzenden Mimifen: „Die Fahrt nach dem Mars“, „Das Kabarett zum Luftschiffhafen“ usw., durch die oft wohlgelungenen Nachahmungen der Professoren, durch die Verteilung zahlreicher Orden außerordentlich anregend auf die Lattenbrüder einwirkten.

 

Acht Säle für 400 Schiffbaustudenten

 Die in den eigenartigen Verhältnissen des Schiffbau-Studiums wurzelnde innere einzigartige Kraft der Latte zeigte sich dann, als die auf 8 Säle verteilten Lattenbrüder sich entfremdet wurden, in dem Erstarken und Aufblühen der Saal-Gemeinschaften. Die von den Sälen gewählten Saaldirektoren sorgten für Ordnung und für „Ruhe im Reich“; Störenfriede wurden mit kleinen oder mit großen Weißen, in ganz schweren Fällen mit Saalbastonaden bestraft; die Kaffee-Direktoren waren verantwortlich für die Versorgung mit Kaffee und vieles mehr, während der „Mann vom Kaffeedienst“ für die rechtzeitige Fertigstellung des Getränks aufzukommen hatte. Saalfeste beim Abschiede der Diplomanden und zu Weihnachten wurden gefeiert, und aus dem Wettbewerb der Säle untereinander entwickelten sich die Kämpfe um die Wanderpreise (Saaluhr, Pokal, Bilder und andere), die auf der Lattenspritze ausgetragen wurden.

  Platzverteilung in Eigenregie

 Es wird auch von Gefechten auf den Sälen und von „Schlachten“ Saal gegen Saal gemunkelt, und bei der Neigung der Schiffbauer zu viel Klimbim und viel Trara ist anzunehmen, daß es dabei nicht immer ganz leise zugegangen ist. Zwar wurde die Höhe des Lärms in der Klosterstraße, wo gelegentlich ein Dozent den nur durch eine leichte Tür von seinem Vortragssaal getrennten Schiffbauersaal um Ruhe bitten lassen musste – dort wurde gerade mit Lattengewichten nach der Scheibe geworfen, - nicht oft erreicht.  Als eines Tages auf dem Saale 214 ein Abschiedsball mit jungen Damen aus der Gesellschaft gefeiert wurde, und die Hausverwaltung wutschnaubend dagegen beim Rektor Einspruch erhob, hatte Seine Magnifizenz (der Rektor), selbst ein Lattenbruder, doch einige Mühe, die erregten Gemüter wieder zu beruhigen. Hierbei ist zu erwähnen, daß außer den Festen, den Versammlungen und den Wettkämpfen noch ein Umstand die auseinander strebenden Säle zusammenhielt, die Platzverteilung. Ein von der Latte gewählter Schlüsselwart, ausgestattet mit diktatorischer Gewalt, verteilte die Plätze, die überall sonst von der Hausverwaltung verwaltet wurden. Jeder musste sich fügen, einen Einspruch dagegen gab es nicht.

 

 

 

 

 

 

Die ordensgeschmückten Lattenjünger beim Ausflug mit Damen am 10. Juni 1898

Planimeter, Integratoren,  Lineale, Kurvenkasten und Bücher sind Latteneigentum

 Die Latte sorgte aber nicht nur für geselligen Zusammenschluss, sondern sie suchte ihren Mitgliedern auch das schwierige wissenschaftliche Arbeiten zu erleichtern. Die Latte hat Lehrmittel für die umfangreichen und zeitraubenden Arbeiten beschafft: Planimeter, Integratoren, genau abgerichtete eiserne Lineale, Kurvenkasten, die der Einzelne oft nicht selbst beschaffen konnte, und dergl. mehr sind ihr Eigentum. Die erforderlichen Geldmittel sind zusammengebracht aus regelmäßigen Beiträgen, aus wiederholten Zuwendungen des Lehrkörpers und von Freunden der Latte. So hat der Geheimrat Ziese der Latte im Jahre 1898 eine Summe von 3000 Mark überwiesen. Der Ordensmeister Petzhold hat 1907 mit einem Bestande von 150 Handbüchern, Zeitschriften und anderen Schriften die Lattenbücherei gegründet, die in der dunklen Ecke des Saales 211 untergebracht ist und heute 1000 Nummern allerdings meist veraltete Bücher und Zeitschriften umfasst.


 Historische Entwicklung der Ausbildung und der Latte

 1898 Ziese (Schichau Werke) spendet der Latte 3.000 Mark

 1899 Technische Hochschule Charlottenburg begeht die 100-Jahr-Feier

 1899 Verleihung Titel Dipl.-Ing. und Promotionsrecht durch den Kaiser

 1902 Umzug in den Erweiterungsbau

 1904 Diplomordnung für den neuen Verwaltungsingenieur verabschiedet

 1904 Rund 400 Studenten studieren Schiff- und Schiffmaschinenbau

 1907 Ordensmeister Betzold gründet die Lattenbücherei

                                               14. Juni 1901, Ausflug der Latte mit Damen

3.2 Technische Hochschulen werden aufgewertet [2, 3, 6]

 K.-H. Hochhaus

 Die historische akademische Entwicklung in den Naturwissenschaften lief einerseits über die philosophischen Fakultäten der Universitäten und andererseits über die polytechnischen Schulen, Gewerbeschulen und -akademien zu den Technischen Hochschulen, die dann häufig später zu Technischen Universitäten wurden. Dabei spricht man bei den Universitäten von den Naturwissenschaften und den technischen Universitäten von den Ingenieurwissenschaften. Die Absolventen der Technischen Hochschulen durften ab 1899 den Titel Diplomingenieur zu führen und erhielten außerdem das Recht zur Durchführung des Promotionsverfahren, das bisher nur den Universitäten vorbehalten war.

 

Nach dem Apell des Kaisers zum 100jährigen Geburtstag der Technischen Hochschule Charlottenburg im Jahr 1899, daß die Ingenieure auch an der Lösung sozialer Probleme mitarbeiten sollten, wurde 1904 die Diplomprüfungsordnung für den Verwaltungsingenieur verabschiedet. Die Abteilung für Maschinenbau-Ingenieurwesen hatte diesen Studiengang konzipiert, er konnte nach dem Vordiplom gewählt werden. Dazu gehörten wirtschaftliche und juristische Vorlesungen, um den Verwaltungsdienst mit technischem Hintergrund beim Staat, der Städte und der Industrie zu bewältigen.

 

 Diplomingenieur und Promotionsrecht (1899)

 In den Jahren 1899 und 1900 wurden an der damaligen "Königlichen Technischen Hochschule Berlin“ in kurzer Folge drei Feste mit starker Beteiligung der Studentenschaft der Hochschule gefeiert. Neben der Jahrhundertwende am 9. Januar und dem kaiserliche Geburtstag am 26. Januar 1900 wurde die Hundertjahrfeier der Technischen Hochschule Charlottenburg in Erinnerung an die 1799 erfolgte Gründung der Bauakademie in Berlin begangen.

 

 Die Studentenschaft war durch eine Vielzahl hochschulnaher Zirkel, studentischer Verbindungen und Vereine und durch einen studentischen Festausschuss schon an den Vorbereitungen beteiligt. Außerdem engagierten sie sich natürlich an den seinerzeit üblichen Fackelzügen und studentischen Festkommersen. Die Wichtigkeit der Technik in Wissenschaft und Praxis, die Bedeutung und Notwendigkeit ihrer Förderung und die soziale Anerkennung besonders im akademischen Umfeld sollten der Bevölkerung durch dieses Fest verdeutlicht werden.

 

Zur Hundertjahrfeier erschien der Kaiser mit seiner Familie, und überbrachte ein Geschenk der besonderen Art, einen für die Ingenieure wichtigen Erlass. Alle technischen Hochschulen erhielten durch diesen Erlass das Recht, den damals noch neuen akademischen Grad des "Diplom-Ingenieurs" zu verleihen. Außerdem wurden unterschiedliche Ehrentitel und Orden verliehen, so erhielt der Rektor den Titel "Magnifizenz“. Den Technischen Hochschulen wurde das Recht verliehen, Promotionen zum "Doktor-Ingenieur" und Ehrenpromotionen  zum Dr.-Ing. E. h. vorzunehmen. Damit wurde endlich die lange bestehende Ungleichheit zwischen den Universitäten und Technischen Hochschulen beseitigt, für das die Vertreter aller Technischen Hochschulen der deutschsprachigen Länder seit 1880 gekämpft haben.  Hierbei hatte die Technische Hochschule eine Führungsrolle und so war es angemessen, dass die Verkündung in Berlin erfolgte. Dieses Recht wurde noch im gleichen Jahr von den übrigen deutschen Staaten übernommen. Es gilt seither an den Technischen Hochschulen als zentrales Datum der Geschichte des Hochschulwesens.

 

 Da alle Universitäten und technischen Hochschulen des damaligen deutschen Reiches, der deutschsprachigen Hochschulen der Habsburger Monarchie und der Schweiz mit Delegationen ihrer Lehrkörper und Studentenschaften vertreten waren, erzielte der Kaiser den gewünschten Effekt. Eine Stärkung der technischen Wissenschaften und des Ingenieurs in der Gesellschaft. Dies wurde mit Befriedigung von den vielen anwesenden Vertretern der Industrieverbände, den Berufsverbänden der Ingenieure und Architekten, den Förderereinrichtungen für Technik und Wissenschaft wahrgenommen. Und auch den Repräsentanten des Berliner Wirtschaftslebens, der Berliner Industriebetriebe und des Handels, der Stadtverwaltungen von Berlin und Charlottenburg, den Ministern und Staatssekretären der preußischen Staatsverwaltung für die Hochschulressorts wurde die zukünftige Bedeutung der Ingenieure und der Technischen Bildungseinrichtungen bewusst. Den Vertretern des Militärs, vor allem der Truppenteile, die damals in besonderem Maße mit Technik zu tun hatten, wie Marine und Ingenieurtruppen, kannten die Bedeutung der technischen Ausbildung. Von Ihnen kamen nicht nur die hohen technischen Anforderungen, sondern von ihnen kamen im schiffstechnischen Bereich auch viele Lehrer und Professoren

 

 

 

 

                                             Schütte als Student mit Panzerbolzen

 

 

 

 

 

 

 

Carl Ziese (1848 - 1917) begann 1871 sein Studium an der Gewerbeakademie in Berlin, dem Vorläufer der TU-Berlin.

 

Carl Ziese, Schichau–Werke in Elbing, Danzig und Pillau studierte 1871 in Berlin an der Gewerbeakademie [4]

 Am 2.7.1848 in Moskau geboren, absolvierte Ziese nach der Schulausbildung eine Lehre bei Schweffel & Howaldt in Kiel. In Schottland bei John Elder & Co. wurde er in den Entwicklungsprozess der Compound-Dampfmaschine einbezogen, diese Konstruktion hat ihn auch später intensiv beschäftigt. Seine Wehrpflicht leistete er bei der Marine ab und  begann 1871 sein Studium an der Gewerbeakademie in Berlin, dem Vorläufer der TU-Berlin. Er gehörte damit zu der Studentengeneration, die zwischen den Jahren 1861 (Übersiedlung der Schiffbauschule von Stettin nach Berlin) und 1879 (Vereinigung der Gewerbe- mit der Bauakademie zur Technische Hochschule Charlottenburg) studierte. Die nächste Schiffbau-Studentengeneration dieser berühmten Ausbildungsstätte gründete 1878 die Latte.

 

Nach dem Studium ging er als Konstrukteur nach Ferdinand Schichau (geb. 1814, 1832 -37 Studium an dem Gewerbeinstitut in Berlin), der mit seiner 1837 in Elbing gegründeten Maschinenwerkstatt inzwischen eine Eisengiesserei, Kesselschmiede, Lokomotivfabrik und Schiffswerft betrieb und rund 1.250 Personen beschäftigte. 1876 heiratete Ziese Schichaus Tochter Elisabeth. Er wurde in das Unternehmen aufgenommen und entfaltete eine starke Expansion dieser Firma, die zu vielen Aufträgen, sogar aus China, führte. Weltweit führend im Bau von Torpedobooten wurde Elbing zu klein, das Fahrwasser zur Ostsee zu flach, daher baute Ziese eine Großwerft in Danzig. 1885 wurden rund 2.000 Personen beschäftigt, 1891 waren es fast doppelt so viel. Das Areal hatte sich von 6 auf 54 Hektar vergrößert und bis 1914 wurden beide Zahlen noch mal verdoppelt. 1898 hat Carl Ziese der Latte 300 Mark gespendet. Auf der Danziger Werft konnten große Fracht-, besonders große Fahrgastschiffe (die COLUMBUS, ex HINDENBURG erhielt eine der größten jemals gebauten Dampfmaschinen) und natürlich Marineschiffe gebaut werden. Neben Pionierarbeiten und Verbesserungen an den Verbund-Dampfmaschinen wurden ab 1907 Dampfturbinen gebaut, denn die innige Verbindung von Maschinenbau und Schiffbau, gut ausgebildeten Facharbeiter und Ingenieuren  waren wesentliche Faktoren dieser bis 1945 unter dem Namen existierende Firma. 

 ***

 Bei der Betrachtung der Studentenzahlen ist zu unterscheiden zwischen:

 Studenten,        reguläre Studenten, die Abitur haben und für bestimmte Fachrichtungen eingeschrieben sind

 Hörer,                 die bestimmten Fachrichtung zugeordnet sind, aber vom Erwerb akademischer Zeugnisse ausgeschlossen   sind, da da ihnen das Abitur als vorgeschriebene Vorbildung fehlt

 Gasthörer,         Studenten anderer Hochschulen, junge Absolventen nach dem Examen,   ältere Leute, die als Hobby Vorlesungen hören

 


 

 

 

 

Werft-Maschinenbau-Büro bei Schichau um 1900 [11]

 

3.3 Lehrer ab 1898 bis 1907 [1, 2, 6]

 1899-02         Brinkmann; G. (Wirkl. Geh. Oberbaurat) Konstruktion der Kriegsschiffe

 1901-36         Romberg, F. (o. Prof., Geh. Reg.-Rat, 1913-14 Rektor) Maschinen Zeichnen und Maschinenelemente, Schiffsgasmaschinen, Flugmotoren

 1901-06         Dieckhoff, H. (o. Prof.,  1906 Vorstand der Woermann-Linie und der Deutschen-Ostafrika-Linie) Schiffskessel und Schiffsmaschinen

 1902-13         Rudloff; I. (Wirkl. Geh. Oberbaurat, Dr.-Ing. e.h. Honorar-Prof., 1933 goldene Denkmünze der STG) Entwerfen von Kriegsschiffen

 1902-03         Pagel, K. (o. Prof., Dr.-Ing. e. h.1903 Direktor des Germanischen Lloyds)  Praktischer Schiffbau

 1903-27         Laas, W. (o. Prof., Honorar-Prof., 1923-25 Rektor, 1926 Direktor  vom Germanischen Lloyd, 1928-30 Vorsitz der STG) Schiffselemente, Werftbetrieb

 1906-35         Krainer, P. (o. Prof.) Schiffsdampfmaschinen

 

Friedrich Romberg, Schiffsmaschinenbau (1871 - 1956)

 Friedrich Romberg  wurde am 18. September 1871 geboren, studierte an der Technischen Hochschule Berlin und arbeitete anschließend in der Dortmunder Maschinenfabrik Schüchtermann & Kremer. Danach ging er 1900 als junger Konstruktionsingenieur zurück zu seiner Hochschule nach Berlin. Hier hat er fast die nächsten 50 Jahre gewirkt, bis er am 5. November 1956 als ältestes Mitglied des Lehrkörpers starb. Mit seinen Vorlesungen über Maschinenelemente und später auch über Verbrennungskraftmaschinen für Schiffe, Fahrzeuge und Luftschiffe hat er viele Studentengenerationen begleitet. Eine besonderes Interesse galt den Schiffsmotoren und der deutschen Seefischerei. Mit Hilfe der Marine, der Werften und der Seefischerei hat er in langjähriger Arbeit eine Normung der Fischkutter und ihrer Motoren durchgeführt.

 

Viele Ehrungen sind Friedrich Romberg zuteil geworden, die Technische Hochschule Hannover hat ihm die Würde eines Dr.- Ing. E. h. verliehen. Er hat der Schiffbautechnischen Gesellschaft 50 Jahre angehört und in dieser langen Zeit hat er sich um die STG viele Verdienste erworben. Im Jahre 1928 wurde in den Vorstand der Gesellschaft berufen und später zum Ehrenmitglied ernannt.

  

Paul Krainer, Schiffsmaschinenbau (1869 - 1935)

 Paul Krainer wurde am 21. Februar 1869 als Sohn des Chefkonstrukteurs der österreichischen Marine geboren. An den Technischen Hochschulen in Wien und Darmstadt studierte Krainer Maschinenbau, blieb ein Jahr als Assistent an der Technischen Hochschule und trat 1892 in die Firma Schichau in Elbing ein. Bis zu seiner Berufung zum Professor des Schiffsmaschinenbaus der Technischen Hochschule Charlottenburg 1906 war er hier  als Konstrukteur tätig und hat  maßgeblich an der Einführung der Dampfturbinen in den Schiffbau beigetragen.

 

Fast dreißig Jahre lang hat Professor Krainer an der Hochschule erfolgreich gewirkt. Der Schiffsmaschinenbau wurde von ihm  fest etabliert, und die Hochschule ernannte ihn zum Ehrensenator. Mit dem Tode Professor Krainers am 20. September 1935 hat der deutsche Schiff -und Schiffsmaschinenbau und mit ihm die Schiffbautechnische Gesellschaft, deren Mitbegründer er war, einen herben Verlust zu beklagen.

 

Johannes Rudloff, Schiffbau (1848-1934)

 Rudloff, dessen Wiege in Erfurt stand, begann nach einem mehrjährigen Besuch der Königlichen Gewerbeschule in Erfurt sein Studium 1866 an der Königlichen Gewerbeakademie in Berlin, arbeitete praktisch auf der Königlichen Werft in Danzig, dem Marinedepot in Kiel und leistete seine einjährige Dienstpflicht im Garde-Pionier-Bataillon ab. Im Kriege 1870/71 nahm er an der Belagerung von Metz und an den Schlachten von Le Mans und Orleans teil, wo er vier französische Flußkanonenboote erbeutete und nach technischer Wiederinstandsetzung dem Prinzen Friedrich Karl vorführte. Nach dem Krieg wurde er von der preußischen Marine als Ingenieuraspirant auf der Kaiserlichen Werft angenommen und 1872 zum Unteringenieur ernannt. Er lehrte während seiner Werfttätigkeit zwei Jahre an der Marineschule und Deckoffizierschule, eine Tätigkeit, für die er eine besondere Fähigkeit zeigte. Daher lehrte er auch später an der Marineakademie von 1888 bis 1894 und als Honorar-Professor das Fach „Entwerfen von Schiffen“. Rudloff wurde zum  Nestor des deutschen Schiffbaus und war langjähriger Chefkonstrukteur der Kaiserlichen Marine.

 

Walter Laas, Schiffbau (1870 - 1951)

Laas, der bis 1894 an der Technischen Hochschule Charlottenburg studierte, wurde Assistent bei Flamm und arbeitete anschließend bei Jos. L. Meyer in Papenburg. 1897 wechselte er zur Kaiserlichen Werft und danach zur Germaniawerft in Kiel. Ab 1902 arbeitete er bei der Tecklenburg Werft.  1904  erhielt er von der Technischen Hochschule Charlottenburg einen Ruf als Professor, um Pagel nachzufolgen, der nach nur einem Jahr Lehrtätigkeit als Vorstand zum Germanischen Lloyd ging. 1923 wurde Laas Rektor an der Hochschule, ließ sich 1925 beurlauben und ist im Jahre 1927 ausgeschieden. Er hat 1926 den durch Pagels Tod frei gewordenen Posten als Direktors des Germanischen Lloyd übernommen. Seine Lehrfächer wurden von Schütte, der aus der Danziger Hochschule ausgeschieden war, in „Schiffselementen“ und von Marine-Baurat a. D. Wustrau in „Werftbetrieb und besonderen Bauteilen“ gelesen.

 

 Laas hat sich sehr mit den Segelschiffen beschäftigt, war von Beginn an Mitglied der STG und übernahm von 1928-1931 den Vorsitz dieser Gesellschaft. Seit 1936 pensioniert, gründete er 1936 den Fachausschuss „Geschichte des Deutschen Schiffbaus“, dessen Vorsitzender er mit Unterbrechung der Kriegszeit bis zu seinem Tod 1951 war.

 

3.4 Das maritime Umfeld – Reedereien und Werften

 Gründungsjahre von Reedereien 1898 - 1907 [5]

 1899 Ippen-Linie Reederei KG, Hamburg

 1899 Poseidon Schiffahrt GmbH, Hamburg

 1899 H. P. Vith, Flensburg

 1902 Blumenfeld & Co. Reederei, Hamburg

 1903 Carsten Rehder, Hamburg-Altona

 1903 Leonhardt & Blumberg, Hamburg

 1905 Fairplay Schleppdampfschiffs-Reederei Richard Borchard G.m.b.H., Hamburg

 1905 "Midgard" Deutsche Seeverkehrs-Aktiengesellschaft, Nordenham

 1906 Hedwigshütte Kohlen- und Kokswerke -Aktiengesellschaft, Hamburg

 

 Gründungsjahre von Werften  1898 - 1907 [5]

 1898 Meidericher Schiffswerft vorm. Thomas & Co. GmbH, Duisburg

 1898 Schlichting-Werft, Schlichting & Co., Lübeck-Travemünde

 1900 Wilhelm Fleischhauer, Zons

 1900 Pohl & Jozwiak, Hamburg

 1901 J. Braun KG, Speyer

 1902 Atlas-Werke Aktiengesellschaft, Bremen

 1903 Arminiuswerft GmbH, Bodenwerder

 1903 Ernst Hatecke, Dornbusch

 1903 Arthur Poew, Hamburg

 1903 Rheinstahl Nordseewerke GmbH, Emden

 1903 Schiffbau-Gesellschaft Unterweser Aktiengesellschaft, Bremerhaven

 1904 Böttcher & Gröning, Hamburg

 1905 Büsching & Rosemeyer, Uffeln und Minden

 1905 Werft Nobiskrug GmbH, Rendsburg

 1906 Norderwerft Köser u. Meyer, Hamburg

 1906 Schiffswerft Neckermann & Hofmann, Würzburg

 1907 Abeking & Rasmussen, Lemwerder

 1907 Gebr. Kröger, Hamburg

 1907 Howaldtswerke Hamburg AG, Hamburg

  

 

 Gesamtansicht der Werke des Stettiner Vulcan in Bredow um 1905 (Quelle STG)

3.4.1 Die Deutsche Handelsmarine (1868 -1914) [5, 9, 10]

 Karl-Heinz Hochhaus

 In der  Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 heißt es in Kapitel 54: „Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine.“ Das war die Geburtsurkunde der ersten deutschen Handelsflotte. Dieser Kernsatz wird  auch in die Reichsverfassung von 1871 und 1918 ohne sachliche Änderungen in die Verfassung der Weimarer Republik übernommen und steht heute im Artikel 27 des Grundgesetzes: „Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.“  

 

 Der 1868 gegründete nautische Verein war ein Sammelbecken von etwa 30 lokalen Vereinen. Er erstellte eine Statistik anhand der 1869 vom Bundeskanzleramt für den Norddeutschen Bund heraus gegebenen Schiffsliste. Daraus ergab sich ein Gesamtbestand der Deutschen Handelsmarine von 5.110 Schiffen mit 1,3 Millionen Tonnen Tragfähigkeit. Es waren vorwiegend Segelschiffe und 146 Dampfer mit rund 100.000 Tonnen Tragfähigkeit. Die Besatzung dieser Schiffe wird mit rund 50.000 Mann  angenommen.

 
 Bald darauf zählte die Statistik nur noch Schiffe größer 50 cbm (entsprechen 17,65 Reg.-Tons), 1871 waren die 4.519 Schiffe der Deutschen Handelsmarine mit 982.355 Nettoregistertons (NRT) vermessen und 1878  waren es etwa 1,16  Millionen NRT. Um 1900 waren zählte die Reichsstatistik 3173 Schiffe mit 1,7 Millionen NRT oder 2,5 Millionen BRT mit rund 45.000 Mann Besatzung. Bis 1914 fand ein starker Zuwachs auf 3,3 Millionen NRT oder 5,1 Millionen  BRT statt mit 84.000 Mann Besatzung. Die Zahl der Schiffe hat sich auf 3.970 nur geringfügig erhöht, das bedeutet die Schiffe sind größer geworden. Die mittlere Schiffsgröße hat sich von 790 BRT/Schiff auf 1.285 BRT/Schiff und die mittlere Besatzung von 14 auf 21 Mann pro Schiff erhöht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um 1900 war die Hapag die größte Reederei der Welt

Hapag und NDL, die größten Reedereien der Welt

 

Zur Passage der Auswanderer, zur Ausfuhr der eigenen Erzeugnisse und Einfuhr der Rohstoffe war in Deutschland bis zur Jahrhundertwende in kurzer Zeit die zweitgrößte Handelsflotte der Welt entstanden. Ungewöhnlich war bei beiden Reedereien, daß sie als einzige der internationalen Reedereien ihre Schiffe auf fast allen Routen des Weltseeverkehrs fahren ließen. Daher wurden sie auch als „Weltreedereien“ bezeichnet. Beide Reedereien errichteten in Ihren Basishäfen eigene Reparatureinrichtungen mit  Trockendocks, um die Schiffe hier statt in England docken zu können.

 

Das Jahr 1899 sah die beiden großen deutschen Reedereien Hapag und Norddeutscher Lloyd (NDL) in einer glänzenden Startposition in das neue Jahrhundert, in dem sie die größten Reedereien der Welt darstellten. Der Lloyd transportierte mit 253.225 Personen mehr Passagiere über den Nordatlantik, als irgendeine andere Reederei und besaß die meisten Schnelldampfer. Auch die mächtige englische Cunard Reederei wurde weit überflügelt. Die Hapag nannte sich mit Recht “größte Reederei der Welt“, weil sie mit ihrer Tonnage von 440.308 BRT alle Konkurrenten übertraf. Der Leitsatz vom Hapag-Generaldirektor Albert Ballin “mein Feld ist die Welt“ wurde ausgelebt und deutsche Reedereien eröffneten mit Dampfschiffen betriebene Liniendienste zu allen Kontinenten.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Liniennetz und Schnelldampfer vom NDL um 1900

 

Schnelldampfer von deutschen Werften (1888)

Die ersten Jahrzehnte nach ihrer Gründung bestellten beide Reedereien ihre anspruchsvollen Schiffe in England. Die Wende kam 1888, als die HAPAG zwei Schnelldampfer in Deutschland, beim Stettiner Vulkan, bestellte. Es wurden vortreffliche Schiffe, übrigens die ersten deutschen mit Doppelschrauben. Diese kurz vorher in England praktizierte Neuerung ermöglichte eine wesentliche Steigerung der Antriebsleistung und damit der Geschwindigkeit und Schiffsgröße und war nebenher sehr wirksam unter dem Aspekt vermehrter Sicherheit. Eines dieser Schiffe, FÜRST BISMARCK, errang mit 19,5 Knoten angeblich erstmals das Blaue Band für Deutschland, so steht es in vielen auch seriösen Publikationen, ist jedoch falsch. Künftig erhielten auch deutsche Werften eine Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen. Daraus entwickelte sich eine leistungsfähige auf Dampfkraft basierende Schiffbau- und Maschinenindustrie, die viele Wachstums- und Entwicklungsimpulse auch in andere Industriezweige sandte.

 

 Der NDL und die Hapag erringen das Baue Band (1897)

 1897 griff der NDL mit einer Serie von vier Schnelldampfern in den Wettstreit um das Blaue Band ein, sämtlich vom Stettiner Vulcan erbaut, der außerdem ein fünftes ähnliches Schiff an die HAPAG lieferte. Der erste dieser Dampfer, KAISER WILHELM DER GROSSE (1897), ist eine der besten Leistungen des deutschen Schiffbaus gewesen, wenn man mit diesem Prädikat die Größe des Fortschrittes gegenüber dem Bestehenden würdigt. Es gelang, gegenüber der sicherlich nicht schlechten britischen CAMPANIA mit geringerer Maschinenleistung und größerem Deplacement eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen. So wurde erstmals das Blaue Band für Deutschland gewonnen, das dank diesem Schiff und seinen Nachfolgern bis 1907 in Deutschland verblieb. Die Schiffe hatten Kolbenmaschinen, Zylinderkessel und Kohlenfeuerung.

 

Das Ende der Kolben-Dampfmaschinen auf den Schnelldampfern kündigte sich auf der 12,5 Mio. teuren DEUTSCHLAND an, die im Jahr 1900 beim Stettiner Vulkan vom Stapel lief. Die DEUTSCHLAND errang das Blaue Band mit 22,42 Knoten, verbrannte täglich 574 Tonnen Kohle und die Kessel, Hilfs- und Dampfmaschinen benötigten (allein) 250 Mann Maschinenpersonal. Schlimmer war jedoch, dass die gigantischen Dampfmaschinen bei hohen Fahrstufen sehr starke Vibrationen verursachten, die durch alle Decks liefen und somit auch die Passagiere störten. Durch diese Vibrationen, Verlust des Ruders, Bruch des gusseisernen Hinterstevens verschlechterte sich der Ruf des Schiffes und war mit ein Grund für HAPAG`s Abkehr von den Schnelldampfern. Als VICTORIA LOUISE, größtes Kreuzfahrtschiff der Welt, kehrte die umgebaute DEUTSCHLAND dann im schneeweißen Kleid wieder auf die Weltbühne zurück und verstärkte die Flotte der Kreuzfahrtschiffe, der in diesem Geschäft international führenden Hamburg-Amerika-Linie.

 

 

 Die 2. Generation vom Lloyd Trockendock in Bremerhaven entstand 1892

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1902, Kaiser Wilhelm II in der neuen Helling vom Stettiner Vulcan1902

 

 

 

 

Kaiser Wilhelm der Grosse erringt 1897 erstmals das Blaue Band für Deutschland (Quelle DSM)

Tanker

De DAPG wurde 1890 von W. A. Riedemann und der amerikanischen Standard Oil Company gegründet, sie verfügte 1914 vor Ausbruch des ersten Weltkrieges mit 44 Tankern (200.000 BRT) über die weltweit größte Tankerflotte. Am Tankerbau war Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen stark beteiligt. Um die Jahrhundertwende war die Größe der Tankerdampfer auf Tragfähigkeiten über 10.000 tdw pro Tanker angewachsen und 1903 wurden bereits 854.000 Tonnen Erdöl von den USA nach Deutschland transportiert. Bestand die weltweite Tankerflotte 1890 aus insgesamt 41 Schiffen, davon 19 unter britischer und 17 unter deutscher Flagge, dann waren es 1911 bereits 251 Schiffe, weitere 68 befanden sich im Bau. Erwähnenswert sind die zwei 6.650 BRT-Tanker NIAGARA und BUFFALO, die von der Flensburger Schiffbau Gesellschaft für die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft (DAPG) 1908/1909 abgeliefert wurden. Sie galten als die Supertanker dieser Zeit und waren noch als Tanker und Trockenfrachter ausgelegt.

 

3.4.2 Institut und Museum für Meereskunde werden 1900 gegründet

Claudia Schuster (Quelle: Deutsches Technikmuseum Berlin)

 Das Institut und Museum für Meereskunde waren Institutionen der Berliner Universität, sie wurden 1900 gegründet. Das Museum wurde am 5. März 1906 in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. eröffnet und war das größte Schiffahrts- und Meereskundemuseum in Deutschland. Es vereinte erstmals alles, was das Meer betraf, organisierte mit gut besuchten Vortragsveranstaltungen eine vorbildliche Öffentlichkeit, die die Marinepolitik des Kaisers unterstützte, eine wirksame Bildungsarbeit und unternahm eigene Expeditionen zur Meeresforschung wie z.B. die Atlantische Meteor-Expedition und evaluierte und publizierte die Ergebnisse.                                                                                                   

   Einer der Hintergründe war, dass das Meer in Deutschland nie wieder eine so große Bedeutung hatte, wie in der Zeit von Kaiser Wilhelm II. Deutschland besaß die zweitgrößte Handelsflotte der Welt, und auch die Kriegsflotte des damaligen deutschen Reiche wuchs zur zweitgrößten der Welt. Die durch das Reichsmarine-Amt und des preußischen Kulturministeriums veranlasste Marine-Modell-Ausstellung von 1897/98 war  ein Anlass zur Gründung des Museums. Die Ausstellungen richteten sich an das akademische und das nichtakademische Publikum, um die Zusammenhänge und Hintergründe des Seeverkehrs und der Marine zu erklären. Vor dem Hintergrund des Aufstiegs zur bedeutenden Industrie- und Handelsmacht sollte der technische Fortschritt  des Schiffbaus und der Schifffahrt dargestellt werden, auch um junge Leute für die damit verbundenen Berufe zu wecken.

 

 Das Museum befand sich in der Georgenstraße 34 bis 36, in den Räumen des ehemaligen chemischen Laboratoriums. Es hatte eine enge Verbindung zum Geographischen Institut der Universität, nicht zuletzt auch durch die Person Albrecht Penck, der lange Zeit Direktor des Instituts und des Museums war. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Museumsgebäude schwer beschädigt. Die Einrichtung musste aus diesem Grund 1946 für den Besucherverkehr geschlossen werden. Die nicht ausgelagerten Exponate wurden größtenteils, soweit nicht zerstört, von russischen Besatzungstruppen abtransportiert. Viele dieser Exponate kehrten Ende der 1950er Jahre nach Deutschland (DDR) zurück. Nach der Spaltung Berlins wurde das Museum durch die Ostberliner Universität auch formal aufgelöst. Ein halbes Jahrhundert später übertrug die Humboldt-Universität als Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Trägers des Meereskundemuseums dem Berliner Museum für Verkehr und Technik offiziell die Treuhänderschaft mit dem Auftrag, die Bestände soweit wie möglich wieder zusammenzuführen und auszustellen.

 

1996 wurde vom Deutschen Technikmuseum Berlin unter dem Titel „Aufgetaucht“ eine kleine Ausstellung mit einigen erhaltenen Exponaten des früheren Museums für Meereskunde durchgeführt. Teile der Marinesammlung, wie z. B. das erste deutsche Unterseeboot von Wilhelm Bauer, der „Brandtaucher“, befinden sich heute im Museum der Bundeswehr in Dresden.

 

 Löhne und Preise um 1900

 Um 1900 lag der Stundenlohn für ungelernte Arbeiter um 20 Pfennig, die Schiffszimmerer der Hamburger Werften erhielten 1900 eine tarifvertragliche Erhöhung um 2 Pfennig auf 48 Pfennig. In der Seefahrt verdiente ein Kohlentrimmer 50 Mark im Monat, das waren rund 20 Pfennig pro Stunde bei freier Kost und Logis.

 

Es verdienten um 1900 der            Marine Ing.-Anwärter            234 Mark  im Jahr

                                                       Matrose                                 293 Mark im Jahr

                                                       Bootsmann                           1900 Mark im Jahr

                                                       Maschinist                            1900 Mark im Jahr

 

Es kostete ein Laib Brot 8 Pfennig, ein Liter Milch 7 Pfennig, ein Kilogramm Schweinefleisch 18 Pfennig  und eine billige Übernachtung 95 Pfennig.

 

 

 

 

 

 

Blick in das Meereskundemuseum in Berlin