"Helgoland" mit LNG der Reederei Cassen Eils

Von Karl-Heinz Hochhaus

1. Einführung

Die 1952 von Cassen Eils und Ludwig Visser gegründete Reederei zählt heute zur ältesten noch existierende Helgoland-Reederei. Die Schiffe fahren vorwiegend im Liniendienst nach Helgoland und die Reederei bietet im Winterhalbjahr die einzige Schiffsverbindung nach Helgoland an. Die Reederei wurde 2010 von der Firmengruppe AG Ems übernommen, die als Reedereigruppe auch Borkumdienste, maritime Dienstleistungen für Offshore-Windparks anbietet und die Schnellfähre Brake–Sandstedt betreibt. Weitere Geschäftsfelder der AG Ems sind Flugdienste, zwei Hotels und der Kleinbahnbetrieb auf Borkum.

 

2. LNG-Schiffe der AG-Ems bzw. Cassen Eils

Die AG-Ems ließ die „Ostfriesland“ für den  LNG-Betrieb aufwendig umbauen [1, 2], dazu erhielt sie ein neues Hinterschiff, das den LNG-Tank, die neuen Antriebsmotoren und Hilfsmotoren und die Propelleranlage beinhaltet.

Länge über alles

 83 m

Länge zwischen den Loten

74,40 m

Breite über alles:

12,80 m

Seitenhöhe L/2 bis Schottendeck

5,20 m

Tiefgang CWL     

3,60 m  

2 Verstellpropeller

 

2 Stabilisatoren von B&V je

11 t

LNG-Tank

54 cbm

Gasöltank

12 cbm

Geschwindigkeit maximal

20,00 kn

2 Hauptmotoren Wärtsila Dual Fuel

2 x 9L20DF

je 2500 kW

Generatorantrieb Gasmotoren

MAN Rollo E3262 LE202

3 x E3262 LE202

Die Reederei Cassen-Eils stellt mit der „Helgoland“, den ersten Schiffsneubau mit LNG unter deutscher Flagge in den Dienst, die im Helgolandverkehr eingesetzt wird. Im April 2013 stellte der Reederei-Geschäftsführer Peter Eesmann den interessierten Helgoländern das Konzept für den Schiffsneubau vor.

 

2.1 Verkehrsvertrag

Vorher wurde der Verkehrsvertrag für die durchgängige zwölfmonatige Versorgung der Insel Helgoland zwischen der Gemeinde Helgoland und der Reederei Cassen Eils im Helgoländer Hafen an Bord der MS „Atlantis“ unterzeichnet. Die Passagiere können direkt an der Anlegepier ein- und aussteigen, da nicht ausgebootet wird.

 

2.2 Bauvertrag

Am 15. Oktober 2013 wurde der Bauvertrag für die Helgolandfähre mit der umweltfreundlichen LNG-Technologie bei der Fassmer-Werft in Berne unterschrieben.
 

2.3 Blauer Engel

Das neue Schiff kostet rund 31 Millionen Euro und erhält eine EU-Förderung für die innovative „Pilotentwicklung“ des LNG-Antriebssystem und der Stromerzeugung von rund 4,2 Millionen Euro. Dieses Schiff wird außerdem das Umweltzeichen „Blauer Engel“ für umweltschonendes Schiffsdesign erhalten, da mit dieser Maschinenanlage Russpartikel, Schwefeloxide, und Stickoxide weitgehend vermieden und die CO2-Emissionen reduziert werden Allerdings kann der Methanschlupf bei den Hauptmotoren und Generatorantrieben diese Umweltbilanz relativieren, da über den Methanschlupf. unverbranntes Methan in die Umgebung gelangt. Da Methan eine um den Faktor 20–25 mal klimaschädlichere Wirkung als CO2 hat, darf dieser Einfluss nicht vernachlässigt werden.

 

3. Schiffsbeschreibung

Das Schiff hat eine Länge von 83 m, eine Breite von 12,80 m und einen  Tiefgang von 3,6 m. Das Schiff hat in der  Sommersaison rund 1.180 Sitzplätze, die sich auf acht Salonbereiche über drei Decks sowie drei Oberdecksebenen verteilen. Ein Atrium mit einem gläsernem Fahrstuhl ermöglicht auch behinderten Menschen einen guten Zugang der meisten Ebenen.

Im Vorschiffsbereich können an und unter Deck bis zu zehn Zehn-Fuß-Container sowie Stückgut befördert werden. Der Umschlag erfolgt mit dem schiffseigene Kran, der bis zu 10 t heben kann, wodurch die Ladung unabhängig von der landseitigen Infrastruktur erfolgen kann.

3.1 Beschreibung der Antriebsanlage

Zum Schiffsantrieb wurde ein interessantes kombiniertes Antriebssystem aus zwei Hauptmotoren mit zwei Getrieben konstruiert, die auf die zwei Propeller  wirken. Die zwei Dual-Fuel Hauptmotoren von Wärtsilä mit Dieselöl oder Gas als Kraftstoff verfügen über eine Nennleistung von je 1665 kW.  Damit erreicht die Helgoland eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Knoten.

Zur Stromerzeugung wurden 4 Gasmotoren (je 500 kW Nennleistung) installiert. Zur Stromerzeugung im Seebetrieb können die Hauptmotoren über das Getriebe zwei Wellengeneratoren antreiben (PTO; Power take off). Umgekehrt kann über diesen Weg auch elektrische Leistung von den Hilfsgeneratoren in die Propellerstränge einspeist werden (PTI; Power take in).  Mit dieser eleganten Lösung lassen sich die Haupt- und Hilfsmotoren je nach Betriebsart (See-, Revierbetrieb)  und Schiffsgeschwindigkeit immer im Bereich des besten Wirkungsgrades betreiben. Außerdem wird damit wird bei den Dual-Fuel Hauptmotoren der von der Piloteinspritzung stammende Ruß reduziert und auch der Ausstoß von unverbranntem Methan verringert.

Die Hauptdieselmotoren, der Gastank und die das Treibstoffsystem zur Verdampfung und Aufbereitung des LNG`s wurde von Wärtsila geliefert. Der Tank befindet sich  in Schiffsmitte, rechts und links davon sind die von MAN Rollo gelieferten Gasmotoren (Ottomotoren) zum Antrieb der Generatoren angeordnet.

 

3.2 Besonderheiten der Motoren

Bei den Dual-Fuel Hauptmotoren auf Basis des  Dieselprinzips erfolgt die  Selbstzündung durch die Hochdruckeinspritzung geringer Mengen (1-5%) an Zündöl, in der Regel Dieselkraftstoff.

Bei den zur Stromerzeugung eingebauten Hilfsmotoren erfolgt die Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches nach dem  Ottoprinzip durch Fremdzündung mit Zündkerzen.

 

3.3 Passagierbereich

Die Passagierebenen erstrecken sich über drei Decks und umfaßt acht Salonbereiche. Beginnend mit Deck 2, hier befinden sich die Hummerbuden, der Club Düne und der Salon Neuwerk. Auf Deck 3 befindet sich das Bordrestaurant, das Feinschmecker-Restaurant Knieper und und die Salonbereiche Kugelbake und Alte Liebe. In der hinten liegenden Sansi-Bar hat man einen guten Blick auf das Achterdeck und von hier ist das offene Achterdeck zu erreichen.

 

Auf Deck 4 befindet sich das Sonnendeck mit Bänken, Liegestühlen und Tischplätzen, auch hier gibt es ein Gastronomieangebot. Das Deck 5 ist über das Atrium mit der Skybar Süllberg zu erreichen. Von hier aus kommt man auch auf das vorn gelegene freie Deck. Noch weiter vorn befindet sich das Peildeck mit Kinderbereich, hier kann der Nachwuchs das Schiff steuern.

4. Verspätete Ablieferung

Die von der Fassmer-Werft ursprünglich im Juli 2015 geplante Taufe und Übergabe der neuen Helgoland an die Reederei Cassen Eils wurde verschoben. Dafür verantwortlich waren unterschiedliche Gründe, die  mit der innovativen und komplexen LNG Technologie im Zusammenhang stehen. Fehlende Industriestandards der hier installierten LNG Technik im Vergleich zu Schiffen mit herkömmlichen Antriebs- und Energieversorgungsanlagen haben die Ablieferung verzögert. Es traten immer wieder technische Fragestellungen auf, die sorgsam mit allen beteiligten Spezialfirmen und der Klassifikationsgesellschaft geklärt wurden. Das betraf den Verlauf der Konstruktionsphase, der Bauphase und war mit zeitaufwendigen Änderungen besonders während der Inbetriebnahmen verbunden. Dies galt vor allem für die notwendige Sensorik für den Gasbetrieb und die schiffsspezifische aufwendige Regelungstechnik einschließlich der Programmierung der Systeme. Teilweise waren bauliche Anpassungen und aufwendige Änderungen die Folge, die Hauptursache für die Verzögerungen waren.

Im Rahmen der Inbetriebnahmen verschiedener Anlagen und Systeme an der Werftpier, der durchgeführten werftinternen Erprobungen und Probefahrten erfolgten bis zur Jungfernfahrt weitere reedereiinterne Einsätze und Probeanläufe der Häfen mit der Besatzung. Der erste deutsche LNG-Neubau Helgoland ist eben ein Prototyp und die Verspätung mit rund 6 Monaten verglichen mit Prototypen in anderen technischen Bereichen ist gering.

 

5. Taufe und Jungfernfahrt

Die Taufe fand bei regnerischen und windigem  Wetter am Freitag den 11.12.2015 in Cuxhaven statt und wurde durch Christa Eils , ehemalige Geschäftsführerin und Witwe des Reedereigründers, vollzogen. Anschließend erfolgte mit den Taufgästen eine erweiterte Hafenrundfahrt in Cuxhaven und auf der Elbe. Dabei liefen die Dual-Fuel-Hauptmotoren im Gasbetrieb. Die darauf folgenden Jungfernfahrt bei stürmischen Wetter bis 8 Windstärken von vorn nach Helgoland wurde weitgehend mit Dieselöl durchgeführt, da der Gastank nur noch einen geringen Füllstand aufwies. Auf Helgoland wurde der Neubau mit einem fahrbarem Typhon lautstark begrüßt und der Inselbevölkerung als "open ship" vorgestellt, was von vielen Insulanern ausgiebig genutzt wurde.Um 19:00 erfolgte die Rückfahrt nach Cuxhaven .

 

6. Zusammenfassung

Mit der Helgoland geht das zweite LNG-Schiff unter deutscher Flagge an den Start. Die Reedereigruppe AG Ems hat mit diesen Pionierschiffen beispielhaft gehandelt und die Küstenfrage: „Wer war zuerst, das Ei oder das Huhn“ durch Handeln beantwortet. Sie hat nicht auf den Bau von LNG-Bunkerstationen oder Bunkerschiffe gewartet, die seit längerem versprochen werden. Die Bebunkerung erfolgt durch Tank-LkWs, die das verflüssigte Erdgas aus anderen Häfen holen. 

 

 

[1] Hirsch, C.; Thill, C.: Konvertierung MS Ostfriesland zu einem Wattenmeer LNG Passagierschiff, STG Jahrbuch 2013

[3] Hochhaus, Karl-Heinz: Umbau des Wattenfährschiffes „Ostfriesland“ auf Gasantrieb. Hansa, Heft 9/2014

 

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