Junkers Schiffsdieselmotor

Gegenkolben-Motor in Tandembauart

                                                                          von Karl-Heinz Hochhaus

 

Im März 2024 verlinkt und ergänzt mit der Patentschrift 13281

 

1.Einführung

 

Mit dem Dieselmotor, der Verbrennungskraftmaschine mit Selbstzündung des Brennstoffes im Zylinder wurde von Rudolf Diesel die rationellste Wärmekraftmaschine erfunden und gemeinsam mit den Fabriken Maschinenfabrik Augsburg (später  MAN) und Friedrich Krupp realisiert. An der Schwelle des 20. Jahrhunderts begann dann die Anwendung stationärer Dieselmotoren.

 

Bei dem Einsatz von mobilen Anwendungen standen der Schiffsantrieb und die elektrische Stromerzeugung für den Schiffshilfsbetrieb im Vordergrund. Mehrere Lizenznehmer von Diesel bauten Schiffsdieselmotoren, die ab 1903 in Schiffen eingebaut wurden. Wenig bekannt wurden die Schiffsdieselmotoren von Hugo  Junkers, die als Doxford-Motoren ab 1921 eine große Verbreitung fanden.

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 1: Hugo Junkers (Quelle Wikipedia)

 

2. Hugo Junkers (Abb. 1)

 

Junkers (1859-1935) war das dritte der sieben Kinder von Heinrich Junkers, Besitzer einer Baumwollweberei, und seiner Ehefrau Luise. Nach der Höheren Bürgerschule ging er  1875 an die Gewerbeschule in Barmen. Nach seinem  Abitur und  Praktikum in einer Werkzeugmaschinenfabrik begann er das Maschinenbaustudium an der Königlichen Gewerbeschule in Berlin, die 1879 in der Technischen Hochschule Charlottenburg (heute TU-Berlin) aufging. Anschließend studierte er an der TH Karlsruhe und wechselte an die Technischen Hochschule in Aachen, wo er 1883 mit dem Examen im Maschinenbau abschloss [1].

 

Die thermodynamischen Probleme von Verbrennungskraftmaschinen interessierten ihn besonders. Hierfür hatten ihn die Vorlesungen und Laborversuche von Adolf Slaby, ein Professor für Elektro- und Thermodynamik an der Hochschule Charlottenburg begeistert. Er arbeitete einige Jahre in Rheydt und Aachen, bestand 1885 die Prüfung zum Lokomotivführer und legte in Berlin 1887 die Prüfung als Baumeister ab.

 

Auf Slabys Vermittlung ging Junkers 1888 nach Dessau zur Deutschen Continental Gasgesellschaft  (DCGG),  die zwei Jahre zuvor in die Stromproduktion eingestiegen war und auch entsprechende Gasmotoren entwickelte. Mit dem Technischen Direktor, Wilhelm von Oechelhäuser jun., entwickelte und konstruierte Junkers neue Motoren. Hier entstand  1892 in langjähriger Forschungsarbeit ein Gasmotor nach dem Zweitakt-Verfahren, der seinerzeit als "Junkers-Oechelhaeuser-Gegenkolbenmotor" bekannt wurde.  Bei einem Zylinderdurchmesser von 200 Millimetern erzielte er die Leistung von 116 PS. Dabei war der spezifische Brennstoffverbrauch um etwa 40 % geringer als beim seinerzeit besten Otto-Motor. Zur genaueren Bestimmung der Brennstoffenergie entwickelte er das 1892 zum Patent eingetragenen Kalorimeter, das auf der Weltausstellung 1893 in Chicago mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde. 1893 wurde ein 200 PS Motor und 1897/98 ein 1000 PS Gasmotor konstruiert, gebaut und in Betrieb genommen  [1]. 1894 meldete Junkers seinen ersten Gasbadeofen zum Patent an dem noch viele 100 folgten.

 

                                                                      Abbildung 2: 1000 PS-Tandem-Maschine (Quelle Cummins)

1897 wurde Junkers von der Technische Hochschule Aachen als Professor für Thermodynamik berufen und gründete eine Versuchsanstalt in Aachen, um neben seiner Tätigkeit in der Lehre auch die Forschung voranzutreiben. 1898 heiratete Junkers Therese Bennhold (1876–1950), aus dieser Ehe gingen 12 Kinder hervor. In Aachen beschäftigte er sich neben thermodynamischen Anwendungen mit dem Flugzeug- sowie Motorenbau und konstruierte liegende und stehende Gegenkolben-Gas und Dieselmotoren. Er gründete 1895 in Dessau die Firma Junkers & Co. und war bis 1932 Eigentümer der Junkers Motorenbau GmbH und Junkers Flugzeugwerk AG.

3. Junkers-Schiffsdieselmotoren

 

Junkers begann mit Untersuchungen zum Wärmeübergang von turbulenten Strömungen im Motorzylinder und  konstruierte 1906 für weitere Studien eine Compound-Maschine für gasförmige und flüssige Brennstoffe. Hiermit untersuchte er das Verhalten und Wärmeübergang der Gase unter hohen Drücken. Als eines der Ergebnisse entstand die liegende Zweitakt-Testmaschine in Gegenkolbenbauart nach dem Dieselprinzip. In weiteren Versuchen wurde mit dem Dieselverfahren experimentiert und ein 2T-Motor mit zwei gegenläufig arbeitenden Kolben in einem Zylinder entwickelt und erprobt. Er  wurde im September 1907 patentiert. Zwei dieser übereinander angeordneten Gegenkolbenmaschinen bildeten eine Tandemmaschine, die er 1910 als liegende „Versuchsölmaschine“ mit 200 PS Nennleistung vorstellte. 1911 entstand die 1000 PS-Versuchsmaschine in Tandemanordnung (Abb. 2), die für jeden Arbeitszylinder mit zwei Nockenwellen umsteuerbar ausgeführt wurde. Auf jeder Nockenwelle befindet sich ein Anlassnocken zwischen zwei Brennstoffnocken. [2].

 

 


Abbildung 3 Antriebsanlage der Primus mit Gegenkolben-Motoren in Tandembauart, (Quelle STG)

 

Im November 1911 stellte Junkers der Fachwelt seine Gegenkolben-Motoren in Tandembauart in Berlin vor. Er hielt während der STG-Hauptversammlung in der Technischen Hochschule Charlottenburg einen vielbeachteten Vortrag über sein Motorenprinzip, der im Jahrbuch dieser Gesellschaft abgedruckt wurde [2]. Mehrere Firmen wie auch die AG Weser, die AEG, J. Frerichs & Co. A.G. in Osterholz  sowie die englische Doxford erhielten 1911 und 1912 Lizenzen zum Bau dieser Junkers-Motoren. Albert Ballin, Generaldirektor der größten Reederei der Welt, erkannte auf dem Höhepunkt der Dampfantriebe die immensen Vorteile des von Rudolf Diesel 1897 vorgeführten Motors als zukünftigen Schiffsantrieb. Statt der bisherigen Antriebsanlage bestehend aus Dampfmaschine und Kessel wurde nur noch der Motor gebraucht, der außerdem noch einen deutlich höheren Wirkungsgrad hatte.


                           Abbildung 4: Gegenkolben-Motor in Tandembauart, Motorkonstruktion (Quelle STG)

4. Primus mit Junkers-Gegenkolbenmotoren [3]

Daher gab Ballin frühzeitig nicht eins, sondern gleich zwei Schiffe mit Dieselmotoren zum Antrieb bei zwei deutschen Werften in Auftrag [3]. Er wollte, dass die Hapag als weltweit erste Reederei mit der zukunftsträchtigen Motorschifffahrt Erfahrungen sammeln konnte. Die AG Weser sollte den Frachter Primus (Bau Nr. 184, 6.650 tdw) und Blohm & Voss den Frachter Secundus (Bau Nr. 210, 7.750 tdw) bauen.

 

Die Primus erhielt eine Zweiwellenanlage mit zwei Gegenkolbenmotoren in Tandembauart System Junkers zu je 800 PS, die in Abb. 3 als Gesamtanlage dargestellt ist. Die mittschiffs angeordneten Tandemmotoren reichten bis zum Hauptdeck und hatten angehängte Spülluftpumpen und angehängte vierstufige Luftkompressoren für die Druckluft der Brennstoffeinblasung. Ein Reservekompressor wurde von einem Dieselmotor und der Notkompressor von einer Dampfmaschine angetrieben. Die meisten Hilfsmaschinen wie auch die Speise-, Kondensat- und Brennstoffpumpen wurden von Dampfmaschinen angetrieben. Zur Dampfversorgung diente der Hilfskessel, der in Höhe des Hauptdecks vor den Antriebsmotoren stand. Zur elektrischen Energieversorgung der Beleuchtung und der Ballastpumpe diente ein Dieseldynamo.

 

 

 Die zwei Hauptmotoren wurden in Bremen von der AG-Weser nach den Konstruktionsplänen von Hugo Junkers gebaut. Das erste Patent (Nr. 66961) für den Vorläufer dieser Motoren hatte Hugo Junkers am 8. Juli 1892 als "Hochdruck-Gasmaschine mit zwei in demselben Arbeitsraum in entgegen gesetzter Richtung sich bewegenden Kolben" angemeldet. Die Anregungen dazu erhielt er 1887 im Rahmen von Lehrveranstaltungen an der Technischen Hochschule Charlottenburg (heute TU Berlin). Er beteiligte sich im elektrotechnischen Laboratorium von  Prof. Slaby engagiert an Versuchen mit einem Viertaktmotor. Ursprünglich mit Gas betrieben, konnte er nach Erfindung der elektrischen Zündung (1884) mit flüssigen Brennstoffen betrieben werden.

Jeder Motor der Primus bestand aus je drei Tandemmaschinen (Abb. 4), die nach dem Zweitaktprinzip arbeiteten. Jede der Tandemmaschine hatte in einem Zylinder vier Kolben, die über ein kompliziertes Gestänge untereinander um 120 ° versetzt auf die Kurbelwelle wirkten. (Abb. 4, 5). Die Kurbelwelle eines Motors mit drei Zylindern wurde dreiteilig ausgeführt, war einfach austauschbar und erhielt damit insgesamt neun Kröpfungen. Die Abmessungen des Motors waren:

 

Zylinderdurchmesser    = 400 mm

Hub                             = 2 x 400 mm

Nenndrehzahl               = 120 U/min

Nennleistung                = 800 PS

 

Obwohl diese Tandemmaschinen (Foto Abb. 6) aufgrund der kurzen Bauart mit rund 8 m sehr hoch waren, lag der Schwerpunkt nur 1 Meter höher, als bei einer gleich starken Dampfkolbenmaschine. Die Grundplatten und Ständer entsprachen in ihrer Ausführung den damaligen Schiffsdampfmaschinen. Auf den Ständern befand sich ein solides Laternenteil, an dem der obere Arbeitszylinder befestigt war. Der untere Arbeitszylinder wurde in einer Brille geführt, die zur Verbindung der Ständer diente. Die Verbindungen zwischen den Traversen und Steuerstangen wurden gelenkig ausgeführt. Der Kreuzkopf befand sich verhältnismäßig tief zwischen den Ständern und das Gestell wurde aufgrund der Gegenkolbenbauart von äußeren Kräften weitgehend frei gehalten. Daher wurden die Ständer nur mit Rücksicht auf die Stabilität konstruiert. Bei den Maschinen für die Primus wurden die äußeren Tandemmaschinen mit je zwei Spülpumpen ausgestattet, der vierstufige Luftkompressor für die Einblaseluft wurde von der mittleren Tandemmaschine angetrieben.

 

Am 16. März 1912 erfolgte der Stapellauf der Primus  [4]. Die Dieselmotorenanlage bewährte sich jedoch nicht und nach  zwei Jahren ergebnislosen Herumexperimentieren der AG-Weser Werft und des Motorkonstrukteurs Junkers entschied sich die Reederei schließlich, das Schiff zum Dampfer umzurüsten. Die beiden Dieselmotoren wurden ausgebaut und stattdessen wurden zwei Dreifach-Expansionsmaschinen mit insgesamt 1.800 PS eingebaut. Das Schiff war daher inzwischen in Kribi (Abb. 8) umbenannt worden und am 15. Juli wurde das Schiff abgeliefert [5].

5. Doxford Gegenkolbenmotor und Junkers Flugzeugmotor

 

Die Werft und Maschinenfabrik William Doxford & Sons (England) erhielt 1912 von Junkers  die einzige Motorlizenz für Großbritannien und erprobten 1912 den Prototyp einer einfachen Gegenkolbenmaschine [1]. Die ersten Versuche begannen mit einer Einzylindermaschine, die jedoch bald aufgegeben wurden. Junkers sandte daraufhin einige seiner Mitarbeiter nach Sunderland, um Doxfords Chefingenieur Otto Keller beim Bau eines zweiten Motors mit 500 mm Kolbendurchmesser und 750 mm Hub für die oberen und unteren Kolben zu unterstützen. Er wurde 1913 getestet und hatte bei 130 U/min eine Nennleistung von 450 PS. Der Krieg stoppte die weiteren Entwicklungen und ab 1918 wurde die Zusammenarbeit wieder aufgenommen. Doxford erhielt die Lizenzen für einen überarbeiteten Gegenkolbenmotor und 1921 wurde in die Ygaren der schwedischen Trans-Atlantic Steamship Co. aus Göteburg der erste Junkers-Doxford Gegenkolbenmotor mit vier Zylindern und 3000 PS installiert. Das war der Anfang der bekannten kompakten Doxford Zweitakt-Schiffsmotoren mit gegenläufigen Kolben, die bis in die 1990ger Jahre gebaut wurden.

 

Beim Flugzeugbau war der Gegenkolbenmotor Jumo 205 mit 880 PS bei 2800 U/min der einzige in größeren Stückzahlen gebaute Dieselflugmotor, er wurde ab 1936 von der Junkers Motorenbau (Jumo) ausgeliefert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 8: Junkers-Doxford Einzylinder-Gegenkolbenmotor  mit einer Nennleistung von 450 PS (Quelle Cummins)

6. Selandia, Fiona

Ballin wurde im Juni 1912 von der Ostasiatische Kompagni (Dänemark) während der Kieler Woche zur Demonstrationsfahrt an Bord der Fionia (Schwesterschiff der Selandia) eingeladen, besichtigte das Schiff und die von Burmeister & Wain in Lizenz gebauten Dieselmotoren. Er war von der Technik so angetan, dass er dem Bevollmächtigten der Reederei das Schiff sofort abkaufte. Schon am 23. Juli 1912 fuhr die Fionia als Hapag-Schiff Christian X, der Name des dänischen Königs, zur Jungfernreise nach Westindien.

 

 

 

Literatur

[1] Lyle Cummins: Diesel`s engine, 1993 Carnot Press,Wilsonville, Oregon

[2] Hugo Junkers: Studien und experimentielle Arbeiten zur Konstruktion meines Großölmotors, in Jahrbuch der STG 13. Band 1912

[3] Karl-Heinz Hochhaus: Motorschifffahrt – Technische Revolution aus Deutschland,  in Leidenschaft Schiffbau S. 92, 2000 Koehler Verlag; ISBN 3-7822-0781-2

[4] Reinhold Thiel: Die Geschichte der Actien-Gesellschaft “Weser“ 1843-1983, Band 1 1843-1918, 2005 Verlag H. M. Hausschild GmbH, Bremen, ISBN 3-89757-271-0

[5] Hans Georg Prager: Blohm+Voss, 1977 Koehler Verlag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die folgende Demonstration zeigt einen laufenden Doxford-Motor in einem englischen Museum.